365

von Bruchsal nach Mühlacker verlegt und mit dessen Versetzung der seitherige Amts- Vorstand, Bauinspektor Niedinger, betraut worden. Die Wirksamkeit des Bauamtes Mühlacker wird am 20. Mai beginnen.

Heilbronn, 16. Mai. Dieser Tage ist es gelungen, einen Vogelfänger zu er­mitteln, welcher auf der Schäusselcn'schen Insel eine Nachtigall von d-r Brut weg­gefangen hatte. Derselbe wurde dem Kgl. Oberamt zur wohlverdienten Bestrafung übergeben, die Nachtigall aber wieder an ihrem Standorte in Freiheit gesetzt. Käme jeder Fall au geeigneter Stelle zur Anzeige, wozu die von den, Verein der Vngelsreunde ausgesetzle Prämie noch ganz besonders ermuntern sollte, so würde dem unsere Felder und Wälder nutzlos entvölkernden Treiben einzelner gewerbsmäßiger Vogel­fänger bald ein Ziel gesetzt.

H e i l b r o n n. Der am 13. Mai ge­haltene Weinmarkt war zahlreich besucht. Anß»'r den noch vorhandenen Vorräthen

von 1874ern, I875ern und I876ern, wo­runter meistens bessere Sorten, war der weitaus größere Theil 1877er und 1878er. Während des Marktes kamen etwa 350 Hektoliter zum Verkaufe; wie gewöhnlich werden jedoch manche Abschlüsse nicht an­gezeigt und auch später noch in den Kellern gemacht, so daß man im Allgememen, mit Rücksicht aut die Zeitverhältnisse und die letzten Jahrgänge, zufrieden sein kann.

Die Preise stellten sich per Heklol. wie folgt: 1874er weiß 95 bis 117^, 1875er roth 56^, t 876er weiß und roth von 60 bis

74^6, 1877er weiß und roth von 24 bis

40 1878er weiß und roth von 30 bis

48

Unfern Bericht in letzter Nr. über das Unglück in Wildbad können wir aus einer weiteren zufällig verspäteten Mit­theilung ergänzen:

Der Verunglückte, vom Riemen ersaßt, wurde in die Höhe geschleudert und voll­ständig auf die Welle gerollt. 2 Arbeiter, die zugegen waren, stellten sofort das Werk, nahmen den Unglücklichen ab, der dem herbeigeeilten Arzt unter den Händen starb. Der Direktor der Papienabrik, Herr Kleinlogel, war ebenfalls sofort an der Unglücksstelle und man denke sich dessen Schrecken, als er in dem Verunglückten seinen einstigen Waffeugefährten vom Pion- nierkorps, mit welchem er als Einjährig- Freiwilliger den Feldzug 1870/71 mil­gemacht hatte, erkannte. Derselbe, ein geachteter und fleißiger Arbeiter, verhei­ratet, Vater eines Kindes, war seit einem Jahr in der Fabrik beschäftigt. Die Beerdigung fand Sonntag Nachmittags 4 Uhr in Calmbach statt, der Kriegerverein Calmbach-Höfeu, sowie der Kriegerverei» Wildbad, welch letzterer zur Kriegerdenk mals-Enthüllung in Pforzheim marschbereit gewesen, jedoch die Beteiligung wieder abbestellte, gaben dem Kameraden mit umflorten Fahnen das letzte Geleite. In trefflicher Rede gedachte Herr Pfarrer Wölffle des Verstorbenen und betonte be sonders, wie beliebt derselbe nicht allein in Calmbach, sondern auch in Wildbad war, wovon die große Theilnahme zeuge. Die 3 üblichen Salven donnerten und die ent­seelte Hülle wurde der Erde übergeben.

Ein Trost, wenn auch nur ein kleiner für die Wittwe ist, daß Dank der Fürsorge des Herrn Direktors den Hinterbliebenen aus der Kaffe der Unfallversicherung eine namhafte Summe ausbezahlt wird.

Ausland.

Aus Rußland wird ein neuer und, wie es sch.-int, wieder nicht unbedeutender Brand gemeldet. Man ist nachgerade immer mehr berechtigt, Angesichts der in schreckenerregender Weise überhandiiehmcil- den Feuerbrände in Rußland an nihilistische Brandstiitungen zu denken.

Die Revolutionäre in Rußland fahren fort, ihre Allotria zu treiben und die Behörden zu dupiren. Die Städte Woronesch und Pollawa hatten aus An­laß der glücklichen Errettung des Zaren an denselben Adressen abgesendet, worin es wörtlich hieß:Wir sind höchst betrübt, daß der verruchte Mörder Euere Kaiserliche Majestät nicht getroffen hat." Die Adressen trugen Tausende von Unterschriften. Die böse Hand der Nihilisten war auch hier im Spiele. Die Naczalniks und die Dumas der beiden genannten Städte hatten ganz servile Beileidsadressen aufgesetzt und ließen auf besonder« Bogen die Bevölke­rung ihre Unterschritten beisetzen. Nun wurde auf bisher nicht eruirte Weise die richtige Adresse gestohlen und statt deren einerevolutionäre" unterschöbe». Die nichts ahnenden Gradonoczalniks gewahrten nicht, daß die Adressen verwechselt worden und es dauerte nicht lange, so kam aus Livadia ein telegraphisches Donnerwetter über ihre und der ganzen Duma Häupter. Die Initiatoren der loyalen Kundgebung wurden sofort verhaft und es hätte wenig gefehlt, so wären dieselben staute xeäe nach Sibirien abgeschoben worden.

Miszellen.

Auf dem Volksgesangfcst.

(Fortsetzung.)

Auf dem Perron hatten sich die Sänger- gesellschasten N... s und der benachbarten Ortschaften und Gegenden versammelt, um die Extrazüge zu empfangen; das Gedränge war heillos. Mit Mühe und Noth dem Getümmel entronnen und hinter die auf­gestellte Sängeriront gelangt, wurde ich von einer Section Barden so gewaltsam zwischen die Wand des Gebäudes und Mad. Pfeffer gedrängt, daß ich einen Moment hindurch schier am Leben verzagte. Wir erreichten indessen glücklich den Saal der Restauration, und ich hielt es für schicklich, mich bei der, mit der Verlheidigung ihrer Rechte beschäftigten Schwiegermutter zu erkundigen, was nun geschehen solle?

tzie überzeugen sich doch selbst, daß von hier aus nichts zu sehen ist I" rief die zu Allem entschlossene Wittwe,wir haben uns schon auf dem Bahnhose alle erdenkliche Mühe gegeben, Selters zu entdecken, es ist uns nicht gelungen. Geben Sie uns einen Rath, Sie sind ein erfahrener Mann, wir werben Ihnen unbedingt folgen!"

So suchen wir uns vor allen Dingen eines Wagens zu bemächtigen!"

Eines Wagens? weshalb?"

Um einen Aussichtspunkt zu gewinnen! Madame. Falls Sie Herrn Selters er­mitteln wollen, dielet sich die beste Gelegen­

heit dazu, wenn Sie in dem Wagen Platz nehmen, fünfhundert Schritt weiter auf der Chaussee Halt machen und den Festzug am Schlage vorüberziehen lassen. Die Sänger ordnen sich mit ihren Fahnen, in fünfzehn Minuten sind alle Vorbereitungen beendet und der Marsch wird angetreten!"

Madame Pfeffer war überzeugt, sie nahm von Neuem meinen Arm mit einer solchen Zuversicht und Bestimmtheit, daß ich Selters Leidenschaft für Volksgesangs­übungen und abendliche Männerquartetts vollständig begriff, Elisabeth folgte uns mit zwei Plaids, in einer Viertelstunde hielten wir an einer so günstig gelegenen Stelle, daß uns keine Physiognomie des Sängerzuges entgehen konnte. Bald näherte er sich denn auch, nach seinen zahlreichen und prächtigen Fahne» zu urtheilen, eher ein Aufzug von heroischen Kämpfern für die Sache des Vaterlandes, als eine Truppe friedfertiger Sänger.

Geben Sie auf alle kleinen Herren mit schwarzen Schnurr- und Knebetbärten Acht, mein Herr!" sagte Mad. Pfeffer, Selters trägt außerdem den Hut auf einem Ohre und gewöhnlich eine rothe Blume im Knopfloch. Man soll glauben, er habe den Orden der Ehrenlegion erhallen."

Elisabeth, so unwillig sie über das verrälherischs Betragen des kleinen Selters war, schien ihrer Mutter Blasphemien doch mit blutendem Herzen anzuhören. Den Zustand ihres Gemülhes verlautbarte sie nur durch Seufzer. Jetzte näherten sich die Sänger. Sie traten denn auch mit dem Pathos auf, das den deutschen Mann kennzeichnet, wenn er mit zahlreichen Ge­sinnungsgenossen die Kampfbahn des Ge­sanges beschreitet, ^rl. Elisabeth bewaff­nete ihr Auge mit einer Lorgnette, Mad. Pfeffer setzte eine Brille aus die Nase, doch waren alle Beobachtungen der Damen vergebens ; Agent Selters befand sich nicht unter den Sängern.

Er wird schon mit dem e r st e n Ex- trazuge gefahren sein", sagte Mama und ließ sich im Wagen nieder,es bleibt uns nichts übrig als die Sänger nach dem Kesselthal am Wasserfall zu begleiten und dort unsere Nachforschungen fortzusetzen. Ich zweifle nicht im Geringsten, daß wir ihn früher oder später entdecken."

Wenn Sie meinem Rathe folgen wollen, Madame", aittwortete ich voller Besorgniß, von der rachewülhigen Matrone mitten unter die Sänger geschleppt und im un­glücklichen Falle zum Zeugen einer halb lächerlichen, halb verdrießlichen Scene ge­macht zu werden,io fahren Sie nach dem Gasthause in der Stadt und sichern sich dort ein Zimmer und die Couverts an der Table d'hote. Der Regen scheint stärker zu werden, Sie sind Beide nicht mit aus­reichender Toilette versehen, und es märe mir beim besten Willen unmöglich, Sie unbeschädigt durch das Menschengedränge zu geleiten. Sie sehen wohl, die Zahl der Sänger beläuft sich auf mehr als tausend, und wir können mit Bestimmtheit darauf rechnen, im Walde noch zehnmal mehr Zuhörer zu treffen.

Madame Pfeffer schwieg, machte jedoch ein äußerst unzufriedenes Gesicht.

Alles was geschehen kann", fuhr ich fort,besteht darin, daß ich mich den