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in die Heimat des Verstorbenen übergeführt. Zwei Brüder, die Mannschaft des Bezirktkommandos, der katholische Geistliche, der Veteranen- und Militärverein gaben mit mr-florter Fahne das Geleit« an den Bahn­hof. Am SamStag kam die 1. Eskadron deS Dragonrrregimems 15 zur Einquartierung hier. Da die Pferde, di« beim Manöver hart mitgenommen wurden, j-tzt geschont werden müssen, so werden nur kleine Märsche gemacht. Die Truppen kamen von Gerlingen her und hatten gestern Rasttag. Heute brachen sie um '/-9 Uhr nach Fünfbronn auf. Die Einquartierungen haben hiemit ihr Ende erreicht.

Von der Generaldirekt on der K. W. StaatSeiscnbohnen wurde je eine Schaffner­stelle in Calw d-m Güterschaffner Entenmann daselbst und dem Bremser Monz in Ulm übertragen.

Stuttgart. Seine Majestät der Deutsche Kaiser und König von Preußen haben an Seine Majestät den König das nachfolgende Allerhöchste Handschreiben gerichtet:

Durchlauchtigster, Großmächtigster Fürst, freundlich lieber Vetter und Bruder!

Euere Majestät wollen aus meiner Ordre an den Generalleutnant Frhrn. v. Falkenhausen ent­nehmen, in welch hohem Maße mich die Leistungen des XIII. (Königlich Württembergischcn) Armeekorps befriedigt haben. Es befindet sich in einem so vor­trefflichen kriegstüchtigen Zustande, daß ich Euere Majestät zu solchen Truppen nur aufrichtig beglück­wünschen kann. Wenn Euere Majestät auch aus vollem Herzen, wie mir bekannt, meinen Wunsch teilen, daß unserm teuren Deutschen Vaterland die Seg­nungen des Friedens erhalten bleiben mögen, so werden Euere Majestät aus diesen Uebungen doch gleich mir die Ueberzeugung gewonnen haben, daß wir der Zukunft mit ruhigem Herzen entgegensetzen können. Euere Majestät wollen zugleich meinen wärmsten Dank entgegennehmcn für die so herzliche Gastfreundschaft, die mir in Euerer Majestät Hause zu Teil geworden ist, und wollen auch den Bewohnern Ihres schön«» Württemberger Landes zu erkennen geben, daß der überaus wohltuende und glanzvolle Empfang, der mir bereitet worden ist, ebenso wie die gute Aufnahme, welche die zahlreichen Truppen überall gefunden haben, zu meiner Freude Zeugnis abgelegt von der Gesinnung, die in der Armee die feste Stütze für die gedeihliche Entwickelung unseres Deutschen Vaterlandes erkennt. Ich verbleibe mit der Ver­sicherung der vollkommensten Hochachtung und in auf­richtiger Freundschaft

Karlsruhe, den 13. September 1899.

Eurer Majestät

freundwilliger Vetter und Bruder Wilhelm.

L.

An des Königs von Württemberg Majestät.

Stuttgart, 15, Sept. Heute früh ist der zweitälteste Mann in hiesiger Stadt, Herr Bankier Adolf v. Vellnagel, mit 95 Jahren zur ewigen Ruhe cingegangen. Der alte Herr, der in den wei­testen Kreisen die größte Hochachtung und Verehrung genoß, war bis in die letzten Jahre hinein körperlich rüstig und geistig frisch geblieben. Vor 25 Jahren, schon als Siebziger, war er Präsident deS damals in Stuttgart abgehaltenen deutschen BundeSschießenS, wie er überhaupt dem Schützenwesen stets ein Freund und Förderer gewesen ist.

Berlin, 16. Sept. Aus dem Hochwasser­gebiet wird gemeldet: In Leipzig hat das Hochwasser der Elster feinen Höhepunkt erreicht und ist im Fallen begriffen. Aus dem Gebirge werden jedoch feit gestern Nachmittag neue heftige Regengüsse ge­meldet In Dresden ist die Elbe gestern außer­ordentlich schnell gestiegen und dürfte wie im Sep­tember 1890 eine Höhe von 4 m erreichen. Die säch­sisch-böhmische Dampf-Schifffahrts-Geskllschaft mußte bereits den Betrieb einstellen. Neuerliche wolken- bruchartige Regengüsse lassen auch in anderen säch­sischen Landteilen die Lage wieder bedrohlich er­scheinen. Der Prinz-Regent von Bayern war bei seiner gestrigen Ankunft in München tief erschüttert über die entsetzlichen Verheerungen dmch das Hoch­wasser. Die Prinz-Regentendrücke wird auf seine Kosten wiederhergestcllt werden. Die Staats-Regie­rung wird vorläufig anderthalb Millionen Mark als Staatshilfe bewilligen, um der ersten Not zu steuern. Die Isar fällt zusehends. Durch die fortgesetzten Zuflüsse der Hochwässer ihrer Nebenflüsse steigt die Donau immer höher und erreichte gestern bei Wien 4,6 m über den normalen Stand.

Wien, 16. September. Gmunden ist gestern von einem schweren Schicksalsschlage heimgesucht worden. Ein Teil der Traunbrücke, auf welcher Feuerwehr­männer das Antre,ben von Bauhölzern adhielten, ist eingestürzt. Etwa 30 Menschen werben vermißt. Die genaue Zahl läßt sich zur Stunde noch nicht fcststellen. Die Panik ist furchtbar. Die besten Männer de« Feuerwehr und Turner sind unter den Opfern. In Gmunden herrscht größte Trauer. Da die Gaswerke unter Wasser stehen, mußten die ganze Nacht hindurch brennende Kerzen in den Fenstern stehen. Die groß« Jnnbrücke bei Schärding ist gänzlich weggeriffen. Zwei Personen sind ertrunken.

Paris, 15. Sept. DerMatin" will wissen, der Ministerrat habe im Prinzip sich mit der Begnadigung Dreyfus einver- standon erklärt. Das betreffende Dekret werde am nächsten Dienstag unterzeichnet werden. Zahl­reiche Blätter in der Provinz b> stehen auf der Be­gnadigung Driyfus'. DemFigaro" zufolge verlangen auch Offiziere die Begnadigung DrryfuL'.

Obst-Preise.

Bericht der Zentralvermittlungsstelle für Obstverwertung in Stuttgart.

Stuttgart. (Engros-Markt vom 16. Sept. 1899): Tafeläpfcl 1216 A Tafelbirnen 1235^, Zwetschgen, gebrochene 18 Pfirsiche 5055 Nüsse 55 - 60 -A Brombeeren 30 -H, Himbeeren 40 -H, pro '/- kx.

Berlin. (Engros-Markt in den Zentral- markrhallen, am 15. September): Tafeläpfel, ein­heimische 510 -H, Tafelbirnen einheimische 820 --Z, Pflaumen einheimische 610 --Z, Preißelbeeren schwe­dische 2527 iZ, pro V-

HlrLkameleik.

Die bek. Firma Thee-Meßmer bringt wiederum prächtig auSgestattrte Ansichtspostkarten (Wartburg und Niederwald) heraus, welche von Sammlern sehr gesucht werden dürften. Die Karten find von ersten Künstlern entworfen und stehen Käufern von MeßmerS Thee gratis zur Verfügung bei: Carl Costenbader in Calw.

Zeugnisse (oben I Ziff. 2) dem betreffenden Bezirks­kommando möglichst frühzeitig zuzustellen.

Stuttgart, den 1 September 1899.

K. Ministerium deS Innern: Pischek.

Vorstehender Erlaß wird hiemit zur Kenntnis der Beteiligten gebracht.

Die Ortsbehörde« werden beauftragt, auch den Gemeiudepflegeru hievon Eröffnung zu machen, damit sich diese rechtzeitig mit Formular«» zur AuS- bezohlung von Marschgebührnifsen versehen und sich mit der Marschgebührenordnung und der Marsch­geldertabelle bekannt machen.

Calw, den 16. September 1899.

K Oberamt.

Voelter.

Bekanntmachung

betreffend die Jahresschätzuug der Gebäude.

Unter Bezugnahme auf den oberamtlichen Erlaß vom 4. August d. I (Amtsblatt Nro. 93) sowie unter Hinweis auf Ziffer II des Erlasses d s Kgl. VerwaltungSrat- der Gebäudebrandoersicherungsanstalt vom 19. Juli d. I. (M -A.-Bl. Seite 256) werden die OrtSbrhörden hiemit veranlaßt, bezüglich derjenigen G-bäude, bei deren Einschätzung der Bau­inspektor der Brandve sicherungs-Anstalt nicht mit- zuwirkeu hat, alsbald Aufforderung an die G-bäude- eigentümer zur Anmeldung der seit der letzen Jahres­schätzung vorgekommcnen Neubauten oder sonstigen Bauausführungen ergehen zu lassen und das Weitere gemäß Ziffer II deS angeführten Erlasses deS Kgl. VerwaltungSrat zu besorgen. Die gemeinderätliche Durchsicht des Feuerversicherungsbuchs ist einzuleiten.

Der Vorlage der vorschriftsmäßigen Anträge sieht man bis spätestens SV. Oktober d. Js. entgegen.

Calw, den 14. September 1899.

K. Oberamt.

Voelter.

ÄagrsneuitMten.

Calw, 17. Sept. Vom Kommandeur des 3. Bat., Infanterie-Reg. Nr. 138, wurde dem hies. Stadtschultheißenamt heute folgendes Schreiben zugesandt:

Straß bürg i. E., 15. Sept. 1899.

Dem Bürgermeisteramt Calw i. W.

Während der diesjährigen Kaisermanöver wurden dem diesseitigen Bataillon enge Quartiere in der dortigen Gemeinde zugcwtesen.

Die Aufnahme der Truppen war, trotz der schwierigen Verhältnisse und erheblichen Belastung der einzelnen Quartierwirte, eine so überaus zuvor­kommende und freundliche, daß ich nicht unterlassen möchte, dafür im Namen des mir unterstellten Ba­taillons, meinen besonderen Dank der Behörde und der Gemeinde auszusprechen.

Wagner,

Major und Bataillons-Kommandeur.

* Calw, 18. Sept. Während des Manövers erkrankte in Liebenzell der Musketier Martens von Aachen beim 137. Regiment. Derselbe wurde in das hiesige Krankenhaus gebracht, wo er am Freitag starb. Am SamStag wurde die Leiche mit der Bahn

Cigarren rauchten. Unser Eintritt erregte «in gewisses Aufsehen, da ich rin höchst seltener Gast im Fichtenschlößchen war. Doch ließen sich die Herren im Allge­meinen nicht stören. Nur ein junger, blonder Mann, von Schönborn, schien durch dar Erscheinen Willibald'- in eine ungewöhnliche Aufregung versetzt. Es entging mir nicht, daß der junge Mann meinen Gefährten von Zeit zu Zeit mit argwöhnischen Blicken betrachtete. Willibald aber that, als bemerke er eS nicht. Wir hatten an einem besonderen Tische Platz genommen, und während der Kellner ein Paar Gläser mit heißem Punsch gefüllt, brachte, zündeten wir unsere Ci­garren an und betrachteten ruhig das Treiben der Uebrigen. Schönborn war an das Billard getreten, um mit einigen anderen jungen Edelleuten ein Partie zu spielen. Immer aber war es, als zöge eine geheimnißvolle Macht seine Augen zu meinem Tischgenoffen, der, wie ich jetzt zu bemerken glaubte, auch v. Schönborn mit ironischen Blicken betrachtete. Der junge Mann spielte augen­scheinlich zerstreut und gebrauchte das Queue einmal so ungeschickt, daß der schwere elfenbeinerne Ball über die Fassung des Billards hinwegflog und auf unfern Tisch derart niederprallte, daß das vor mir stehende Glas in Scherben zersprang und der heiß» Inhalt sich über meine Beine ergoß und zugleich meine Kleider beschmutzte.

Ich höre noch heute das brausende Gelächter, das beinahe die Wände deS Saales erbeben machte. Der junge Schönborn, er war in der That ein blutjunger, leichtsinniger Mensch, ein Sausewind vom reinsten Wasser, wurde von diesrm Gelächter mit angesteckt und ließ seiner Fröhlichkeit freim Lauf, an­statt daß er so artig hätte sein sollen, um Entschuldigung zu bäten. In dem Auge meines Gefährten aber leuchtete plötzlich ein unheilvoller Blick auf. Er schlug mit der Faust so nachdrücklich auf dm Tisch, daß auch sein bereits ge­

leertes GlaS in die Höhe sprang und zersplitterte und rief mit einer Donner­stimme, die plötzlich den ganzen Chor der Lacher verstummen machte:

Läßt Du Dir das gefallen, Rose?"

Ich muH der Wahrheit gemäß berichten, daß mich das Benehmen deS jungen Mannes auf das Empfindlichste verletzt hatte. Mein Blut war in Wal­lung geraten. Sollte ich wie ein Schuljunge vor der ganzen Versammlung da­stehen ? Nimmermehr I tönte eine Stimme in meinem Innern, und meinen Ge­fühlen Ausdruck gebend, sagte ich:

Herr v. Schönborn, wollen Sie nicht im Beisein Ihrer werten Freunde wenigstens einräumen, daß die Art und Weise, mit der sie Ihre Ungeschicklich­keit ignoriren, einen Anstrich von Flegelhaftigkeit hat?"

Von Schönborn, schon durch Willibald's Einmischung zum höchsten Zorn gereizt, schien über diese Worte vollständig außer sich zu geraten. Seine Stimme hatte einen blechernen Klang, als er die Worte sprach:

Und wollen Sie im Beisein Ihres werten Freundes nicht wenigstens ein- räumen, daß die Art und Weise, mit der Sie einen Mann meines Standes dieses unbedeutenden Vorfalls wegen zur Rechenschaft ziehen, einen Anstrich von Es-lhaftigkeit hat?"

Ein Todtrnstille herrschte nach diesen Worten in dem Saale. Was ein Jeder unmittelbar nach dieser beleidigenden Antwort fühlte oder dachte, ich weiß es nicht. Ich fühlte, wie das Blut jählings nach meinem Herzen und dann wieder zurückstürmte. Mein Gefährte schlug aber wieder auf den Tisch, daß e» dröhnte, und rief mit donnernder Stimme:

Fordere ihn, Rose, Du mußt es, wenn Du nicht vor der ganzen Akademie be­schimpft dastehen willst, fordere ihn, ich sekundiere Dir!" (Forts, folgt.)