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Miszellen.
Immer zu spät.
Humoreske von E. Heinrichs.
(Fortsetzung.)
Sie neigte bejahend den Kopf, wäbrend sich ein Schleier über die schönen Augen legte.
„Und befinden fich wahrscheinlich im Hanse des Herrn Onkels?" — fuhr Jener rasch fort; „verzeihen Sie diese indiscrete Frage, mein Fräulein, ich nehme großen Antheil an Ihnen, keine müssige Neugierde ilUs von menur Seite."
„Das sagt mir mein eigenes Gefühl," erwiderte Margaretbe, den Blick voll zu ihm ausschlagend; „ich befinde mich im Hause meines Onkels, des Rechnungsrathes."
„Ah dann beklage ich Sie von Herzen!" platzte Adalbert etwas uubedachlsam heraus.
Sie errölhete und senkte die Augen, der arme Senator hätte sich wieder einmal beohrfeigeu mögen vor lauter Verlegenheit und Verdruß.
Eine große Pause entstand, welche Kühn nicht anders zu unterbrechen mußte, als mit der materiellen Frage: „Darf ich Sie bitten, mein Fräulein, mit mir zu speisen?"
Ein flüchtiges Lächeln überflog Margarethens hübsches Gesicht, sie schüttelte sehr energiich den Kopf und versetzte: „Ich danke Ihnen, Herr Senator, doch spüre ich nicht den geringsten Hunger, da ich in diesem Falle noch selber Vorrath genug besitze."
Sie deutete dabei lächelnd aus ein Körbchen und Adalbert meinte schüchtern, „ein gutes, warmes Mittagessen sei doch besser, als kalte Küche aus dem Körbchen."
Bei diesen Worten schaute er auch ein wenig nach ihrer Kleidung, welche er sehr einfach, sehp bescheiden fand und als ei nen deutlichen Fingerzeig ihrer untergeordneten Stellung, die man der Waise im Hause jener Tante angewiesen, gelten ließ. - Doch Margarethe Waldner schien sich nichts vergeben zu wollen, sie lehnte Alles ab. zwar höflich und sanft, aber mit einer Festigkeit, die keinen Einwand mehr gestattete.
Während Herr Adalbert, der einen Wolfshunger spürte, sich an einem Nebentisch niederließ, um hier einige Beefsteaks zu verzehren und sein Gläschen Wein zu trinken, zog Margarethe ein Buch aus ihrer Tasche und begann zu lesen; ob ihr Geist ganz bei dieser Lectüre war, wollen wir nicht behaupten; soviel stand fest,daß Adalberts Blick, der recht häufig auf ihr ruhte, etwas Magnetisches besitzen mußte, da er den ihren verschiedene Male von dem Buche aufzuschauen und dem seinigen zu begegnen zwang. -
Es war seltsam, daß sein Hunger sobald gestillt war; als er. sich Wein einschenken wollte, winkle er den Kellner heran und bat um ein zweites Glas; dann schenkte er beide bis zum Rande voll, trat damit auf Margarethe zu und sagte mit ein wenig zitternder Stimme: „Aber die Bitte, mit mir auf unsere neue Bekanntschaft anzustoßen, werden Sie mir nicht abschlagen, liebes Fräulein!"
Er schaute sie dabei so freundlich bittend, so ehrlich an, daß sie es ihm unmöglich
weigern konnte. Sie nahm daS eine Glas, stieß mit ihm an und sagte: „Nun denn, Herr Senator, auf Ihr Wohl wie das Ihrer Familie t"
„Das heißt, meiner künftigen Familie", lächelte Adalbert, „das lasse ich gelten, mein Fräulein, da ich leider noch keine eigene besitze und bislang auch »och keine Aussicht dazu habe."
Margarethe eriöthete und nippte an dem Glase.
„Auf Ihr Wohl und daS Ihres Verlobten oder Heimlichgeliebten!" fuhr er leise mit einem liNigkühnen Anlauie fort.
„Mein Herr", stammelte Margaretbe, ihr Glas niedersetzend, „Sie wagen viel auf meine Nachsicht."
„Nun, haben Sie mir nicht Frau und Kinder zugedachl?" lächelte Adalbert, selber ein wenig verwirrt.
Margarethe blickte ihn an und lachte dann fröhlich aui.
„Sehe ich wirklich wie ein Familien vater aus, mein Fräulein?" fuhr er, ebenfalls lachend, fort.
„Hätte ich denn sonst ein solches fast kindliches Vertrauen zu Ihnen fassen können? Ein Herr Senator ist mir stets sehr ehrwürdig erschienen, einen solchen mir unv-r heiralhet vorzusiellen —"
„Erschien Ihnen unmöglich", setzte Adalbert wehmülhig hinzu. „Sie haben Recht, es war unklug von mir, ein solches ehrwürdiges Amt ohne Frau anzunchmen, doch ist es nun einmal so. Können Sie mir den Fehler vergeben, Margarethe?"
Sie wurde blutroth, wollte lachen und konnte es nicht, dann erhob sie sich plötzlich.
„Gestatten Sie mir eine Frage, mein Fräulein!" bat er leise und innig: „sind Sie heimlich oder öffentlich verlobt?"
„Nein", stammelte sie verwirrt, „ich bin arm. blutarm, hänge von der Gnade meiner Verwandten ab — ist Ihnen das genug, mein Herr, um mich mit solchen Fragen zu verschonen?"
Ihre Lippen zuckten bei diesen hastig hervorgestoßenen Worten, eine Thräne drängte sich gewaltsam in ihr Auge.
Adalbert Kühn machte in diesem Augenblicke seinem Nomen alle Ehre, er mar entschlossen, sein Glück festzuhalten und dem Dämon seines Lebens ein Schnippchen zu schlagen.
„Ich danke Ihnen für die offene Antwort, mein Fräulein", sagte er, ihr ehrfurchtsvoll, ehe sie es hindern konnte, die Hand küssend; „was Sie in dem Hause jener mir so entsetzlichen Frau mit den sechs heirathsfähigen Töchtern als arme Waffe ertragen müssen, kann ich ermessen. Nun hören Sie mich, Margarethe! — Man pflegt zu sagen, daß der erste Augenblick entscheidend sei für's ganze Leben. Ich sehne mich nach häuslichem Glück und hatte stets Pech durch eine unglückliche Seite meines Charakters, die in Unentschlossenheit, bedächtigem Zaudern besteht und mich immer zu spät kommen ließ. Zum ersten Male in meinem Leben hat dieses „zu spät", das mir zum Dämon geworden, mir heute Glück beschieden, indem es mir Ihre Bekanntschaft brachte. Ihr Glück war sogleich
für mich entscheidend, ich segnete den Augenblick, der mich von den sechs heiraths- sähigen Töchtern —"
Margarethe, welche immer verwirrter geworden war, mußte bei diesem wi>.Verholten Passus unwillkürlich lochen und Adalbert lachte siöhlich nur, indem er ihre Hand ergriff.
(Fortsetzung folgt.)
Belt und Tisch.
(Schluß.)
Wie das Belt für die Nacht, so ist der Tisch am Tage unentbehrlich. Allerdings kann der Mensch auch ohne Tisch essen und trinken. Doch nur am Tuch ißt und trinkt er, so wie er als Glied eines Hauses essen und trinken soll. Alle Genossen eines jeden Hauses sollien auch Genoffen sein eines und deff li-eu Tisches. Was sie essen und trinken sollen aut diesem Tische, das ist eine Frage, welche die Vorsteher deS Hauses mit einem Sachkundigen überall besprechen sollten. Denn auch, wenn man den Spruch Friedrichs des Gioßen, daß „der Mensch ist, was er ißt", nicht allzusehr pressen darf, so trägt doch eine vernünftige Wahl der Speise» und der Getränke zur leiblichen und geistigen Gesundheit des Menschen viel mehr bei als die meisten Arzneien, die man in der Apotheke zu kaufen bekommt. Und nicht blos, was man ißt und trinkt, sondern auch die Art, wie man Beides Ihut, ist in mancher Beziehung von großer Wichtigkeit. Der Mensch soll menschlich essen. Mit Mäßigung, mit Selbstbeherrschung, weder hastig noch schläfrig, mit Reinlichkeit und Anstand, mit einer gewissen Würde, mit Rücksicht auf die Bedürfnisse, auf die Bequemlichkeit und Wünsche seiner Tischgenossen. Er soll nicht stumm essen, wie die Thiere, sondern auch während der Mahlzeit soll er seinen Mund gebrauchen zum Sprechen. Ein freundliches, heiteres, liebevolles, womöglich belehrendes, jedenfalls vernünftiges Gespräch soll die Würze eines jeden Mahles sein." Wer über vernünftiges Essen noch mehr zu lesen wünscht, dem ist der Abschnitt „Eine kleine Aestethik der Mahlzeiten" aus vr. Kohls gehaltvollem Buche „Am Wege" zu empfehlen. (Soc. C.)
Warnung. Es wird jetzt ärztlicherseits mehrfach davor gewarnt, Kinderwagen nicht in der Art von den Wärterinnen vorwärts bewegen zu lassen, daß die Kinder rückwärts fahren. Diese seit einer Reihe von Jahren eingerissene Unsitte, wodurch die naturgemäße Förderung des Auges, bei Fortbewegung den Gegenständen sich zu nähern, unbefriedigt bleibt, wirkt nachweislich störend auf Entwicklung und Ernährung des großen Gehirns und der Augen- neroen.
Für den Monat Juni .ikymen sämmtliche Poststellen, im Bezirk auch durch die Postboten, Bestellungen auf den
„E n z t h ä l e r"
zu '/, des Quartalpreises an.
Redaktion, Druck uvd Verlag von Jak. Meeh, Neuenbürg.