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nach ist die Regierung schon darin mit sich einig, daß sie einem Reichssteuerplane zustimmen wird, der dahin geht: die Stempelsteuer als direkte Steuer (aus Erbschasts-, Liegenschastsumsätzen u. f. w.) auf das Reich zu übertragen, und ebenso einer Tabakssteuee zuzustimmcn. Damit wird Württemberg allerdings eine Steuerquelle (Accise) verlieren; aber die „Leistungen an das Deutsche Reich" werden.so bedeutend herabgemindert, daß das Budget eine sehr beträchtliche Erleichterung erfahren.wird.
Stuttgart, 12. Juli. Durch Kgl. R-script ist die Ständeversammlnng auf unbestimmte Zeit vertagt.
Stuttgart, II, Juli, Die E i n- stellung der Rekruten zum Dienst mit der Waffe erfolgt beim Traiubataillon: für die Rekruten zu halbjähriger Ausbildung am 3. November, für die Rekruten zu 3jähriger Dienstzeit am 6. November; bei allen übrigen Truppeutheilen des Armeekorps und beim 8. Württembergischen Infanterie-Regiment Nr. 126 am 6. November er. — Der für die Einstellung der Rekruten zum Dienst ohne Waffen festgesetzte Termin — 1. Oktober cr. — gilt auch für die zur Einstellung gelangenden Krankenwärter (Garnisonlazareth Stuttgart, 3, Ludwigsburg 4, Ulm 5, Weingarten 1), sowie für die in das 8. Würtlembergische Infanterie-Regiment Nr. 126 einzustellenden Oekonomiehandwerker. Von dieser Kategorie kommen aus Württemberg ca. 138 Mann (Schneider, Schuhmacher, Sattler) zur Einstellung? Im Ganzen werden zur Einstellung gelangen 5769 Mann und zwar bei der Infanterie 4101, bei der Kavallerie 635, bei der Feldartillerie 420, bei der Fnßartillerie 140, bei den Pionieren 150, bei dem Train a) zum 3jährigen Dienst 36, b) zum Halbjährigen Dienst im Herbst dieses Und Frühjahr künftigen Wahres je 73 gleich 146 Mann. Die Entlastung der zur Reserve zu beurlaubenden Mannschaften .findet bei denjenigen Truppenthei- leu, die an'den Herbstübungen Theil-nehmen, im Allgemeinen am 2. Tage nach Beendigung derselben — beziehungsweise nach dem Wiedereintreffen in die Garnison statt. - Für alle übrigen Truppentheile rc. ist der 29. September der späteste Entlas- sungStag der Reservisten. Die Entlastung der zu halbjähriger aktiver Dienstzeit aus- gehobe'-en Trainsoldaten erfolgt am 31. Oktober dieses bezw. 30. April künftigen Jahres.
Stuttgart, 13. Juli. Gestern Nachmittag um 3 Uhr wurde der bei denn Unfall auf der Eisenbahnstrecke Pforzheim— Wildbad verunglückte Oberzugmeister Haas auf dem Pragfriedhofe beerdigt. An der Spitze des ungewöhnlich großen Leichenzuges folgte der Generaldirektor der Verkehrsanstalten Geh. Rath v. Dilleuius mit mehreren hohen Beamten der Verkehrsan- stalten dem Sarge des in langer Dienstzeit bewährten, in Ausübung seines Dienstes gestorbenen Angestellten; außerdem gab eine große Anzahl von Berufsgenosten, sowie der Kriegvrverein mit-umflorter Fahne dem Dahingcschiedenen das letzte Geleits. Diatouus Lauxmonn sprach am Grabe ergreifende Worte über die Unforlchlichkeit der Wege Gottes.
> G rä f e n h a u s e u, 15. Juli. An -der Kamerz des "Grünhofwirths Lutz be finden sich seit einigen Tagen gefärbte Trauben.
Ausland.
In den Alpen fanden im Lause des 8. Juli vielfach Schneefälle statt, welche bis ziemlich weit in die Thäler herab die Berge bedeckten; so wird aus Villach telegraphirt :-den ganzen Tag Regen und Gewitter; Niederschlag über 68 Millimeter; Dobratsch und Berge ringsum bis zu 1000 Meter mit viel Schnee bedeckt. Temperatur 6 Grad Reaumur. Ebenso wurde» zu Gastein, Ischl, Gmunden und Klagenfurt tagsüber Regen und Gewitter, auf den Höhen überall Schneesälle beobachtet.
Vom Krieg.
Es gewinnt immer mehr den Anschein, als sollte es an der D o n ä u demnächst zur Entscheidung kommen. Es bestätigen dies namentlich die heut vorliegenden diplomatischen Mittheilungen. Die meiste Aufmerksamkeit beansprucht unter diesen das Gerücht von einer serbisch-russischen Conventio n.
- Die deutsche Kolonie in der Dobrudscha, welche an 2000 Seelen zählt, hat sich, nach einem Briefe der Kln. Ztg-, gegen die Tscherkesten, welche dort weit und breit Alles verheeren, heldenmü- thiz gewehrt und nicht weniger denn 20 derselben kampfuntüchtig, gemacht, Es besteht diese Kolonie größtenth'eit'aus Wür t- tembergern und sie vertheilt sich auf 5 zwischen Tuldscha, Metijidie und Kustendsche gelegene Dörfer, von denen 3 katholisch, 1 protestantisch und 1 mennonitisch ist. Wie aus den dort herkommenden Berichten hervorgeht, vertheidigten sie sich gegen, die Tfcherkesten mit Dreschflegeln, Sensen, Sicheln und anderen Gegenständen.
Miszellen.
Mehr Zucht.
' (Schluß.) - -
Verhehlen wir uns nicht, daß gewisse Umstände — das Treiben, mancher Gründer, unkluges Benehmen, mancher Arbeitgeb e r gegenüber den Arbeit nehmern, fast plötzliches Sinken hoher Löhne auf niedrigen Stand, Nothläge an manchen Orten — einen gar spitzen Stachel zur Erregung des Neides, des Mißmnthes und lang andauernden Unzufriedenheiten bildeten, Wer aber sein Handeln nicht durch die Forderungen der Vernunft, sondern lediglich durch Gemüthswallungen bestimmen läßt, den nennt mow, sind diese Wallungen edler Art, Schwärmer, Phantast und im entgegengesetzten Falle zuchtlos. Auf viele Tausande deutscher Arbeiter finden beide Vorwürfe glücklicherweise keine Anwendung, auf einen großen Theil dürsten sie aber sicher zutreffen.
Ist es Zucht, wenn deutsche Arbeiter Denen das Ohr leihen, deren Feldgeschrei „Krieg den Palästen", „Nieder mit den Besitzenden" lautet? Ist es Zucht, wenn der Sozialdemokrat lüsterne Blicke auf das -wirft, was sich Andere ehrlich erworben ! haben ? Ist es Zucht, wenn vor noch nicht ' langer Zeit ein Führer der Sozialdemo- I kratie vor den Vertretern des gesammten
Volkes drohend auf die Männer hinwieS, „welche mit Gewehren umzugehen verstehen?" Ist es Zucht, wenn die größte Schandthat unseres Zeitalters, die Gräuel der Pariser Commune, in der Hauptstadt des deutschen Reiches von tausend Arbeitern mit Sang, Klang und Begeisterung gefeiert wird? Ist eS Zucht, wenn sich diese Männer nicht entblödxii, zur Verherrlichung der Gräuel- und Blptthaten des Auswurfes der Menschheit sogar Frauen und Kinder einzuladen? Ist es Zucht, wenn der Arbeiterbevölkerung einer ganzen Generation das Gift der Verläumdung und des Haffes der Gebildeten in tausend Aederchen eingespritzl. wird? Wenn sich nicht das Gefühl des Anstandes i» den Masten gegen solche Znmnthungen' ehrgeiziger Führer empört, so droht ein großer Theil des Volkes der Verwilderung an- heimznsallen. Mag auch eine wirklich bös- anige Gesinnung nur bei Wenigen vor- - Händen sein, so ist doch der Mangel an sittlicher Kraft und Festigkeit zu beklagen, welcher nicht wagt, die Ehre des Arbeiterstandes gegen ein solches Treiben in Schutz zu nehmen. In dieser Hinsicht fällt eine Vergleichung des deutschen Arbeiters mit dem englischen sehr zu Ungnnsteii des elfteren aus. Auch stellt sich bei einem solche» Vergleich heraus, daß dem englischen Arbeiter größere Achtung vor wahrer Bildung (worunter nicht lesen und schreiben können gemeint ist) innewahut, als dem deutschen. Die Dienstpflicht hat zwar, auch diesem etwas Schliff gegeben. Welch himmelweiter Unterschied aber zwischen solcher und dem bescheidenen, gesetzten Wesen des englischen Arbeiters! Die Worte: „Sie sind kein Gentleman'" ( d. i. kein geniiler, wohlgesitteter. Mann). sind jenseits des Canals eine der größten und am seltensten vorkommenden Beleidigungen. Auch der in Lumpen Gekleidete bäumt sich aus, ivcinl' dieser Vorwurf gegen ihn geschleudert wird. Wo und wann man immer mit den nme-- ren Schichten, des englischen Volkes (natürlich das. Proletariat .ausgenommen!) stn Berührung kommt, stets wird-sich zeigen,' daß sie durch einen Zug von schlichter Wohlanständigkeit, der auch unter den ge-' drücktesten Verhältnissen kaum je ganz verschwindet, peredelt werden. Geniilität und Decenz ist der fast ununterbrochen sichtbare Charakterzug des englischer. Arbeiter-- standes. Wo Rohheit auftaucht — und dann nimmt sie allerdings oft gar schwere Formen an — wird sie durch Znchtmittel über welche jede Gesellschaftsklasse auch, ohne Anwendung der Polizei verfügt, rasch unterdrückt, so daß der Arbeiterstand im Großen und Ganzen nicht davon angesteckt werden kann. Hiebei schweigen wir ganz von der Tugend des Worthaltens, in welcher der englische Arbeiter, Meister; von der Ehrerbietung vor seinem Arbeitgeber; von dem edlen Anstand, welchen er den Frauen entgegenbringt u. s. w. u. s. w. — In allen diesen Punkten könnte der deutsche Arbeiter gar viel von dem englischen lernen.
Mit einer Beilage :
enthaltend die Statuten für den landwirth- schaftlichen Bezirks-Verein Neuenbürg.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg. (Markt- und Thalstr.)