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besseren Witterung nahm der Ansatz bedeuten« zu. Da- große Hagelwetter vom Juli 1897 ist aber noch nicht verschmerzt, dir schwer mitgenommenen Lagen geben auch diesmal noch wenig Ertrag, während die jüngeren Anpflanzungen sich zu prächtigen Stöcken entwickeln, wie überhaupt bei der diesjährigen Witterung der Weinstock eine seltene Uedigkeit im Wachstum entwickelt. Auffallend und ein Glück ist es, daß man bei uns von der berüchtigten PeronoS- pera noch keine Spur gesunden hat, dagegen wurde Oidium sporadisch beobachtet. Die Trauben blute ist prächtig verlaufen, der Fruchtansatz rin zufriedenstellender und wenn nicht besondere ungünstige Umstände eintreten, so werden wir der Quantität nach zwar keinen reichen, doch einen mittleren Herbst haben, während die Qualität hoffentlich di« beste werden wird, was nach vielen F.hljahren und schweren Schlägen unseren Weingärtnern wohl zu gönnen ist.
Crailsheim, 26. Juli. Landtogsabgeordneter Sradtschultheiß Sachs wurde heute unter außerordrntlicher Beteiligung von nah und fern beerdigt. Die ganz« Stadt hatte Trauer schmuck angelegt. Die Läden waren während der Trauerfeierlichkeiten geschlossen. Auf den Geistlichen Dekan Hole folgte eine große Reihe von Rednern (im ganzen 18), darunter der Präsident der Abgeordnetenkammer, Payer, di« Abgeordneten v. Geß, Rem- bold, Haffner, Oberamtmann Bosch, Oberbürgermeister Dr. Mülderger von Eßlingen.
Pforzheim, 37. Juli. Wenige Minuten vor 10 Uhr brach im Neubau des Herrn Architekten Jos. RooS in der Leopoldstraße gestern Abend ein Brand aus, dessen Entstehung dis jetzt noch nicht aufgeklärt ist. Das Feuer, bezw. der Rauch wurde zuerst von Vorübergehenden bemerkt, welche den Inhaber des Ladens, Herrn Baruch (Aussteuergeschäft), sofort davon benachrichtigten, Herr Baruch, der im selben HauS im 4. Stock wohnt, 10 Minuten vorher noch im Laden war und eS sich in seiner Wohnung kaum etwas bequem gemacht hatte, eilte sofort herunter, vergaß jedoch in der Verwirrung die zum Laden gehörigen Schlüffe! und man konnte daher nicht sofort in die Ladenräume gelangen. Das Feuer dehnte sich infolge der leicht brennbaren Gegenstände, welch im Laden angrhäuft waren, sehr schnell aus und nach 10 Uhr schlugen dir Flammen bereits zum Fenster in de» Hof hinaus. Für die sich nach und nach sammelnde Feuerwehr war das erste Eingreifen zunächst äußerst schwierig. Auch machte das Suchen und Finden der Hydranten, die, wie man hört, infolge der Straßenregulierung und des Kanalbaus verlegt worden waren, anfangs Schwierigkeiten. Gegen 11 Uhr konnte der erste Wasserstrahl in das Feurrmeer geleitet werden. Natürlich ist die ganze Einrichtung, sowie Warenlager rc. verbrannt. Herr Baruch, welcher seit seinem Umzug sein Warenlager nach- bezw. höher versichert hatte, hat über diese Versicherung noch nicht einmal Police in den Händen. Der Schaden an Waren dürfte sich auf 10,000 ^ belaufe», die zum Teil versichert sind. Frau Baruch, welche seit Samstag im Wochenbett liegt, mußte, um nicht im Rauch zu ersticken, nebst ihren beiden kleinen Kindern von Feuerwehrleuten aus dem Hause getragen werden und fand in dem gegenüberliegenden Gasthaus zum Geist Aufnahme.
Elbing, 36. Juli. Die Stadt Marienburg steht in Flammen. Die alt bekannten Lauben bilden ein Feuermeer. Das Rathaus ist bereit- ringeäschrrt. Di« Danzig« und dir Elbinger Feuerwehr leisten Hilfe. Das Hochmeisterschloß ist bedroht.
Schlochau, 2b. Juli. Wie ein Roman liest sich dir Geschichte eine« vor etwa zehn Jahren aus Groß-Konarczyn unter Hinterlassung vieler Schulden verschwundenen Schneidermeisters Lütz. Man vermutete sofort, daß er sich nach Amerika begeben hätte, wo seine Tochter verheiratet war. Diese Vermutung hat sich jetzt als richtig herausgestellt. Lütz war in K. einem Großtuchhändler 1900 Mark schuldig geblieben. Der damals gegen ihn erlassene Zahlungsbefehl traf ihn nicht mehr in der Heimat an. Der Kaufmann gab sein Geld verloren. Jetzt hat aber Lütz das Geld nebst Zinsen auS Amerika an den Kaufmann geschickt und bittet in einem beifolgenden Brief wegen der langen Verzögerung um Entschul- digung. „Ich war", schreibt er, „durch mißliche Umstände gezwungen, meinen bisherigen Wohnsitz heimlich zu verlassen. In Amerika ging es mir auch nicht
gut, ich konnte aber so viel verdienen, um meine Familie zu ernähren. Im Herbste v. I. wohnte ich einer Ruderregatta bei. Zwei Boote kentert«», die Insassen stürzten ins Wasser. AIS guter Schwimmer warf ich meinen Ueberrock ab und stürzte mich in die Flut. Zwei junge Leute hatte ich glücklich gerettet, jetzt galt es, noch Einen zu retten, welcher verzweifelt mit dem Elemente rang. Ich faßte ihn am Kragen und brachte ihn glücklich ans Ufer, wenngleich auch leblos. Die von mir an- gestellten Wiederbelebungsversuche waren von Erfolg. Ich nahm ihn, da meine Wohnung nicht weit ab war, mit mir nach Hause und brachte ihn zu Bett. Schon etwa noch einer Stunde las man an allen Anschlagsäulen eine Bekanntmachung, daß der einzige Sohn ein«- Millionärs bei der Ruderregatta ins Wasser gestürzt und wchrscheintich ertrunken sei. Die Eltern bitten Alle um Hilfeleistung zur Bergung der Leiche. Auch uns kam dir Bekanntmachung zu Ohren, und bei meiner Frau stieg die Ahnung auf, ob nicht etwa der bei unS Gerettete der Vermißte sei. AIS derselbe nach einiger Zeit wieder erwachte und etwas Thee getrunken hatte, fragte ich nach seinem Namen, bezw. wo die Angehörigen wohnten, und stehe — ich kann dm augenblicklichen Schreck oder die Freude nicht beschreiben —: es ist der Gesuchte. Die Eltern des Gesuchten wurden sofort von mir davon benachrichtigt. Dieselben trafen alsbald ein. Das Wiedersehen war herzz-rreißend. Ich mußte alles umständlich erzählen. Eine größere Geldsumme und ein in der lebhaftesten Straße angekaufteS großes Geschäftshaus haben die Grundlage zu meinem jetzigen großen KonfektionswaarenhauS gemacht. Die reichsten Leut« sind meine Kunden, und mein Versandgeschäft erstreckt sich schon im Umlaufe von 100 deutschen Meilen. Ueber 200 Angestellte sind in meinem Geschäft thätig."
Berlin, 26. Juli, Ein nach Unterschlagung von 240000 Mark auS Paris flüchtig gewordener, in Deutschland geborener Prokurist ist der „Freis. Ztg." zufolge von der Schöneberger Kriminalpolizei verhaftet worden Der jetzt etwa 49 Jahre alte Kaufmann A. war im Jahre 1874 von Berlin nach Paris gegangen und hatte dort auf Grund von Empfehlungsschreiben in dem bekannten großen Bankhause Credit Lyonnais «in, sehr gute Stellung erhalten und war dort zum Prokuristen avarcirt. Er hatte aber das Vertrauen seines Chefs mißbraucht, durch sehr geschickte Manipulationen jahrelang das Bankhaus betrogen und cr 300000 Fr. unterschlagen. Er wurde später gefaßt und zu einer sehr hohen Gefängnisstrafe verurteilt, wußte aber durch ein raffiniertes Manöver sich der Verbüßung der Strafe zu entziehen und zu flüchten. Durch Zufall wurde neulich ermittelt, daß er sich in Schömberg aushalts, und so erfolgte seine Festnahme.
Berlin, 27. Juli. Zum Aufenthalt der kaiserlichen Familie auf Schloß Wilhelmshöhe bei Kassel werden bereits die nötigen Vorbereitungen getroffen. Voraussichtlich wird die kaiserliche Familie Anfang August auf Schloß Wilhelm shöhe eintreffen.
Paris, 26. Juli. Die viel besprochene Strafmoßregelung gegen den General Negrier ist in der That erfolgt. Negrier ist nach dem Beschluß des Ministerrats seines Amtes enthoben worden, weil er, wie versichert wird, während des Putsch-Versuches Teroulede's erklärt haben soll, das sei der richtige Mann und er sei bereit, mit ihm zu marschieren. Nach Paris berufen, um sich über diese Worte zu äußern, soll Negrier dieselben nicht abgestrittten haben. Man will sogar wissen, er habe hinzugefügt: Alles, waS man gegen mich unternehmen will, ist mir egal; ich habe die Armee hinter mir und sie wird mir folgen. Die Maßregelung NegrierS wurde diesem sofort nach dem Vogesen Departement telegraphisch übermittelt und er gleichzeitig nach Pari» zurückberufen. Wie es heißt, soll der General außer der genannten Maßregelung auch auS der Liste der Ehren-Legion gestrichen werden.
Paris, 37. Juli. Di- strenge Bestrafung Negrier'S bedeutet di« erste wirkliche energische Thal des Ministeriums Waldeck und ruft einen heilsamen Schrecken in den Kreisen der factiösen Offiziere hervor. Gallifet kündigt an, daß fortan i-der OM,er, welcher sich herausnehm-n sollte, die Regierung zu kritisiren, schonungslos cassiert werden würde. Di. Patriotenliga bemächtigt sich natürlich dieser Ange- legenheit und organifirt zahlreich« Protest-Meeting-,
denen aber die Regierung nicht die geringste Bedeutung beimißt.
Paris, 27. Juli. In den späten Abendstunden wurde hier das Gerücht laut, die Verhaftung Döroulede's und einiger hundert Nationalisten, Antisemiten und Bonapartisten wegen eines von denselben beabsichtigten ComplotteS stehe unmittelbar bevor. — Esterhazy dürfte trotz des Geleitbriefes kaum vor dem Kriegsgericht in Rennes erscheinen.
Petersburg, 27. Juli. Hoskreise brstäligen, daß im August eine Begegnung des Zaren mit Kaiser Wilhelm in Wiesbaden stattfinden wird.
Moskau, 27. Juli AuS Nischni-Now- gorod wirdeine große S ch i ffs ka rastro ph, gemeldet. Unweit der Stadt auf der Wolga ist bei starkem Nebel ein Güterdampfer mit einem Personendampfer zusammevgestoßen. Der Anprall war so heftig, daß der Personendampfer sofort sank. Don den 258 Paffagieren konnten sich nur 103 auf Not- booten und durch Schwimmen retten. Die übrigen, also ca. 150 Personen sind ertrunken. Der Kapitän des Güterdampfers, welcher die Signale des Personendampfers nicht beobachtet hatte, wurde verhaftet.
Belgrad, 26. Juli. Das Standgericht hat gestern seine Verhandlungen in dem Saale der hiesigen Präfektur begonnen. Angeklagt und verurteilt wurde ein Matrose wegen bewaffneten Widerstandes gegen die Polizei zu einem Jahre Gesängniß; ferner Milan Dabrujak wegen Majestäts-Beleidigung und Aktrndiebstahl zu 10 Jahren Kerker und der Kaufmann Michael Zwetkovic wegen Majestäts-Beleidigung zu 1'/- Jahren Kerker.
New-Aork, 27. Juli. Nachrichten aus Honolulu zufolge haben die Erdbeben auf Hawai 200 Menschenleben gefordert.
Renz unter dem Hammer. Renz unter dem Hammer — das ist die letzte Etappe in der so reichbewegte» Schicksalsgeschichte des einst so stolzen ZirkuS Renz. Dieser Tage fand in Brüssel die öffentliche Versteigerung des gesamten lebenden Inventars und der Requisiten des Renz'schen Instituts statt. Hundert in der hohen Schule und in der Freiheit dressierte, zumeist edle und wertvolle Pferde, reiche Kostüme und Livreen aller Art, sowie ganz« Berge von Material zu den großen Ausstattungsstücken, die man bei Renz in den letzten Jahren zu sehen bekommen hat, befanden sich darunter. DaL luxuriöse Material wurde zu niedrigen Preisen angekauft. Ob der Erlös zur Tilgung de: Schulden, die der letzte Direktor, der jugendliche Ernst Renz, ein Enkel des „Altmeisters", im Verlauf seiner zweijährigen Dircktionsführung kontrahiert hat, reichen wird, ist fraglich. Der junge unerfahrene Direktor war das Opfer von Geldgebern geworden, die ihn systematisch auszubeuten verstanden. Allerdings gebrach eS auch Renz jr. völlig an der Sachkenntnis und Energie, die die Führung eines so großen Instituts fordert. Er verliert sein Erbteil von 1'/, Mill. Mark und ist außerdem unter Kuratel gestellt worden. Sein Onkel Kommissionrat Franz Renz, der vor 2 Jahren, müde der Konkurrenzkampfs mit einem rücksichtslosen Gegner und der Zwistigkeiten unter den Renz'schen Erben, das Direktionsszepter niedergelegt, hatte keine Lust, von Neuem an die Spitze des Instituts zu treten, und so ist denn de» ruhmreiche Zirkus Renz endgiltig vom Schauplatz verschwunden.
20. Juli.
23.
22. Juli.
22.
23. Juli.
26.
Standesamt Kalrv
Geborene: ine Pauline, Tochter HilsSwärterS Heer.
des Ludwig
Getraute-.
Bauer, Mechaniker in Metzingen
Gestorbene:
Emma Rosa Schwämmle, Tochter des Gustav Schwäwmle, Ochsenwirts hier, 6»/- Monate alt.
Ernst Friedrich Kayser, Sohn des Georg Jakob Kayser, Bandagisten hier, 7 Wochen alt.
H »tteAdßenDte
am 9. Sonntag nach Trinit., 30. Juli.
Vom Turm: 347. Der Kirchenchor singt: 377, 1 und 7, „Mir nach", spricht Christus, unser Held. Predlgtlied: 397, Unverwandt rc. Uhr: Beichte. 9 Uhr: Vormittags-Predigt, Herr Dekan RooS.
Kein des heilige« Abendmahls.
2 Uhr: Nachmittags-Predigt, Herr Stadtpfarrer Schmid.
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