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Kronik.

Deutschland.

Berlin. Reichstag. Sitzungvom 24. April. Beim Etat der Militäroer- Wallung, in welchem die Mehrsorderung für l05, bezw. 9 und 8 neue Hauplleule in den 3. Militaretals Preußen, Sach sen, Württemberg viel von sich reden ge­macht, erhielt ein Redner das Wort, bei dessen Namensaufruf durch den Präsiden­ten das Haus wie elektrisirt erschien. Un­ter atheinloser Spannung des Hauses sprach der Abg. Graf Moltke. Auknü- pst-nd an frühere Einwendungen bemerkte er zunächst, daß alle Osfiziersstellen im Frieden nur b-stchen, well Offiziere im Kriege nolhwendig sind. Man weise hin ous den schwächeren Friedensetat der fran­zösischen Bataillone, vergesse aber die viel größere Zahl dieser Bataillone. Daß schwache Bataillone nicht wünjchensiverth seien, werde von französischen Militärs lheüw.erse selbst schon anerkannt. Aber wenn man mit 1092 Bataillonen in's Feld rücken wolle und davon 641 im Frieden unteihalie, könne man sie so stark nicht machen. Das französische Militärbudget übersteige mit seine» schwachen Bataillonen das deutsche mir starken um mehr als 150 Millionen, abgesehen von Mehrforderungen und einem exorbitanten Exlraordinarium.Ob eine Ration," fuhr Redner fort,wenn auch eine so reiche wie die französische, eine solche Last für alle Zukunft aus sich nehmen will, oder ob es nur geschieht für einen bestimmt vorhergesehcnen Zweck und »ur zu einem nicht ferne gesteckten Ziele, das mag dahin gestellt bleiben. Ich theiie die Hoffnung und den Wunsch nach dauerndem Frieden aber die Zuversicht lheile ich nicht. Glücklich werden die Zei­ten sein, wo die Staaten nicht mehr in der Lage sein werden, den größten Theic oller ihrer Einnahme» blos aus die Sicher­heit ihrer Existenz zu verwende», sondern 'wo auch die Völker und die Parteien sich überzeugt haben werden, daß seiest ein glücklicher Feldzug mehr lostet, als er ein« bringt. Denn materielle Güter mit Men­schenleben zu erkaufen, kann kein Gewinn sein. (Beifall.) Aber was diesem Fort­schritt der ganzen Menschheit entgegeustebt, das ist das gegenseitige Mißtrauen. Darin liegt eine stete und große Gefahr."Ich meine", so fährt der Netiur nach der weitern Begründung dieses Gedankens fort, die Friedensrendcnz Deutschlands liegt so auf der offenen Hand, ist so in der Nothwendigkeil begründet, daß nach­gerade die ganze Welt davon überzeugt sei» müßte. (Beifall.) Nichtsdestoweniger aber können wir nicht verkennen, daß na­mentlich bei unseren westlichen Na ch- barn ein starkes Mißtrauen gegen uns vorwaltet. Wenn Sie die sranzösiichlN Blätter lesen, selbst die lonan-eeoeichen, so finden Sie darin, gelinde ausgedrückt, eine große Abneigung gegen uns. Ich will nicht von Hohn, Spott oder Gering­schätzung spreche», die Ich darin lundgabeii, denn dajur lieg! kein vernünftiger Grund pvr, Was aber, die französische Pi esse

j nicht ausspricht und was die Wahrheit ist, das ist die Besorgniß, daß, nachdem Frankreich so oft und wiederholt dies ge- lhan, Deutschland auch ohne Grund und Anlaß einmal über Frankreich hersallen werde. Daraus erklären sich siele Thal­sachen, daraus erklärt sich die Riesenarbeit, die Frankreich gelhan hat, indem es i» einer kurzen Reihe von Jahren mit großer Sachkennlniß und größter Energie seine Armeeorganisati n durchgefnhrt hat; daraus erklärt sich, daß seit dem letzten Friedens schlusse ein u»verhäiln>ßmäßig großer Theil der französische »Armee zwischen P a r i s und unse r er G r e n z e stehl, namentlich Kavallerie und Artillerie, in einem möglichst gut vorbereiieten Staude; ein Berhältniß, das »ach meiner Auffassung früher oder später nolhwendig einmal eine Ausgieichliiigsmaßregel von unserer Seile herbeiführen muß (Bewegung.) Es ist dann doch auch ein beachtenswerther Um stand, daß in Frankreich, wo die Parteien, die sich ja in jedem Lande finde», wohl »och schärfer einander gegenüberstehen, als bei uns, daß, sage ich, alle diese Parteien vollkommen einig sind in Einem Punkte, einig darin, Alles zu bewilligen, was für die Armee geordert wird (sehr richtig), während wir hier mühsam jede kleine Elalsposilion retten müssen. In Frankreich ist die Armee der Liebling der Nation, ihr Stolz und ihre Hoffnung; man hat in Frankreich der Armee ihre Niederlage» längst vergessen. Ich will nicht sagen, daß man bei uns die Siege der Armee vergessen har, aber man sollte doch nicht so kärglich in Bewilligung derjenigen Mitlek sein, die dazu nöihig sind, daß die Armee sich unter jetzt schwierigen Verhältnissen forlentwickelt. Es schein! ja, daß unsere Nachbarn bei einem tünsligen Kriege den Erfolg in den Massen sehen, in einer über­wältigenden Anzahl, und das ist gewiß ein Moment, der ins Gewicht sälli. Wir verlassen uns mehr auf eine sorgsäliige Ausbildung unserer Truppe» und aus ihre iiiiieie Tuchlückeit. Die Franzosen sind uns ganz entschiede» Überiegen in Einem Punkte, darin, daß sie für alle ihre zahl reichen Formationen für den Krieg bereits im Frieden die Caores besitzen." Demnächst ging der Feldmaejchall zu einer kurzen technischen Begründung der fraglichen Mehr sorderung über, wUche gegen die Slinimen des E-Ntrums, Nr Fortschrittspartei und der Sozialdemokratie bewilligt wurde.

Darmstadt, 13. April. Die Passa­giere der M a i n - N e ck a r b a h n, die Gepäck mil sich führen, werden in Zukunft mit größerer Beqnemiichkeit reisen können, als bisher, den» es ist von Seiten der Direktion die Einlichtung gelroffcn, daß sie an der Aufgabestation auch die Adresse angeben lönmn, an welche das Gepäck abgeliefert werden soll, so daß sie bei ihrer Anknwt sich nicht mehr mit der Sorge um dasselbe zu belästigen brauchen.

Wurzb urg, 25. April. Gestern fand hiti eine große Versteigerung von Hvfkel terweinen statt und wurdet, derart hohe Preise erzielt bei ganz bedeutender K- uflusi, daß man sich keines

ko günstigen Ergebnisses aus früheren Zeiten erinnert.

Karlsruhe. Zu Schulhausbauten und Straßeiiverbesserungen hat die Stadt beschlossen, ein Anleben von 2 Millionen Mark lür die Sladikasse aufzunehmen.

Baden, 24. April. Der Bürger- ausschilß hat in seiner letzten Sitzung zu der vom Siadlralh beantragten Herstellung einer zentralen Wasserversorgung für die hiesige Siadtgemeinde mit einem Aufwands von 550000 v/L die Zustimmung erlheilt.

Eberbach, 22. April. In Rhein- Harbshausen hat man diese Woche ange- rangen, eine Erbölquelle auszuNcken. Der betreffende Unternehmer bat zu diesem Zweck sein Haus niederreiße» müssen und glaubt, mit Erfolg arbeiten zu können.

UHirltcmbcrg.

Durch Verfüg,lng des Finanzministeri­ums vom 26. d. M. sind die Kamecalamts- buchhailer Seeg er in Neuenbürg und Harlmann in Ludmigsourg ihrem Wunsche gemäß gegenseitig versetzt worden.

Stuttgart, 26. April. Bei den Grabarbeilen zu dem neuen Wasserreser­voir der Stadl Ludwigsbnrg ist man auf ein mit Stein überdecktes Grab gestoßen, in welchem ein vollständig erhaltenes, mäßig großes Skelett vocgefunden wurde. Dabei ein goldenes Stirnband, ein Schwert von Bronze, mehrere verzierte bronzene Gefäße und viele Kupierbleche in zierlicher ge­triebener Arbeit, sowie Ueberreste von vier Wagenrädern, die Naben von Kupferblech von ebenfalls getriebener Arbeit überzogen, ohne Zweifel aus altgermanischer Zeit. Schon am Tage daraus stieß man auf ein zweites Grab, das aber bis Abend nicht weiter aufgedeckt w:rden konnte. Man darf auf weitere interessante Funde gefaßt sein.

Reutlingen, 26. April. In den nahen Ohmenhausen wurde ein mögliches Unglück gnädig verhütet. Als der dor­tige Unterlehrrr Abends in seinZimmerging, brach die Treppe miter ihi» uno konnte er noch ungefährdet wegspringen. Denken wir uns aber, es wäre erst geschehen, wenn am Tage darauf die Kinder aus der Schule gehend sich über dieselbe hinabdrängten, welcher Jammer hätte hier entstehen können.

Neuenbürg, 28. April. Der Leich­nam des seit dem 13. d. M. vermißten Jak. Pfrommer van Waldrennach wurde vor einigen Tagen i» Mühlacker in der Enz gefunden und nach stattgehabler Legal- inspeklion in Dürrmenz beerdigt. Es hat sich also die erst auigetretene Vermulhung, er werde auf dem Heimwege ins Wasser gefallen sein, bewahrheitet.

W i l d b a d. Nach Veröffentlichung der Kgl. Badverwaltung beginnt die Saison am 1. Mai.

Ausland.

Ehe noch die Kosaken ihre Pferde in der Donau tränken können, scheint in Asien bereits der erste Schuß im Kriege gefalle» zu sein. Es wird abzu- warlen sein, ob das Gerücht sich bemahr- heiiet; verbürgt scheint jedenfalls die Mel­dung, daß die Russen bei Alexan­drop ol die Grenze Asiens überschritten haben.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me e h in Neuenbürg.