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S t u t t g a r t, 16. Febr. Der Einzug j der hohen Neuvermählten, des Prinzen Wilhelm und seiner Gemahlin, wird nach sten Donnerstag Nachmittag um hat'' 2 Uhr erfolgen. Zu deren Empfang werden die bürgerlichen Kollegien, umgeben von üder 200 weibgekleideten Festjung'rauen und einem zahlreichen Musikchor, sich im Bahn Hofe versammeln. Die Mitglieder der Schützengilde, das Studtreilerkorps, die Feuerwehr, die Turner u»o die Liederkranzmitglieder werden vom Bahnhaie aus bis an das K. R--stdenzschloß Ausstellung nehmen und Spaliere bilden. Nach der Ankunft begeben sich die hohen Neuvermählten in das Schloß, um den König und die Königin zu begrüßen, hieraus fahren sie in offenem Wagen durch die b, flaggte Staat, gefolgt von einer stattlichen Anzahl mit Schärpe« geschmückten Reiter.
Stuttgart. Iö. Febr. Aus Ai, laß der Vermählung Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm von Wärt temberg hat gestern bei Ihren Könialichen Majestäten ein Festoiner statlge funde», a» welchem der Prinz und die Prinzessin von Sachsen Weimar Theil nahmen und zu dem die Slaatsminister, der Departements-Chef des Kriegswesens, sowie die Angehörigen des Hofstaates eingeladen waren» S. M. der König trank auf das Wohl der hohen Neuvermählten und gab der Hoffnung Ausdruck, daß der geschlossene Bund Ihnen Selbst wie dem Lande zuin Segen gereichen möge.
Tübingen, 15. Febr. Für das in unserer Stadt lnrzustellende Wass-rwerk wurden s. Z. westlich von der Lindenallee Probelöcher gegraben, in denen man aller dings eine hinreichende Wasfermenge fand; dieselbe enthielt aber so viel fremdartige Vestandtheile, daß man von ihrer Benützung Umgang nehmen muß. Hierauf grub man in den Feloern, welche links von der He- chinger Straße, nicht weit von der Gas. fabrik entfernt liegen und traf hier ans eine große Menge ganz guten Wassers, das nur einen verschwindend kleinen Pro zeutsatz von beigemischten Stoffen enthält. Diebürgerlichen Collegien habe» nun in ihrer Sitzuttg am letzten Dienstag, welcher Herr Oberbaurath Ehemann anwobnle, beschlossen, dieses Wasser zur Versorgung de, hiesigen Stadt und der »erschieveneu Siaals- anstalten zu benützen.
Göppingen, 13. F br. Kürzlich fand in unserer Nähe ein Mann von 78 Jahren einen beklagenswerlhen Tod. Derselbe begab sich von seinem Wohnort Udingen nach Wangen, um dort mit Fleiich zu bau- siren. Abends, als er den Rückweg auge- ireien hatte, verirrte er sich vom Wege, gerieht auf durchweichte, lehmige A.ck.r, und verlor schließlich die Kraft zum Wej- tergehen. Zwei Tage darauf wurde er toet aufgesunden, und muß sein Tod lediglich dem Einflüsse der Witterung zugeschrie- den werden.
Reutlingen, 13. Febr. Die „Schw. Krzig." schreibt: Ihre Majestät die Könitz i n haben allergnädigst geruht, der Bitte des Kuratoriums der Fraueiiardeitsschule dahier um UebernaHme des Protektorats
über unsere Frauenarbeitsschule zu entsprechen.
Ausland.
Zur Situation im Orient sagt die Trib.: Unzweifelhaft Kat die russische Diplomatie in letzter Zeit alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen sicheren Rückhalt an Deutsch land zu gewinnen. Man hat in Petersburg gerade während des Verlaufs der jüngsten Conserenz die Ueberieugiing gewonnen, daß bei der innern Zerrüttung Frankreichs und der Hinterhältigkeit Englands nur auf dem gesicherten Boden des Dreikaiser-Bündnisses ein praktischer We.> zur Lösung der orientalischer Wirren zu finde» ist. Natürlich ist dieser Weg nur dann gangbar, wen» die russische Politik sich dem gemäßigenden Einfluß des deutschen Nachvarstaats in loyaler Weise anbequemt.
Philadelphia. (Pockenepidemie) Einer der schrecklichsten Pocke»ausbrnche, welche die Geschichte vielleicht aufznweisen bol, hat die Stadt Gemvic, eine Menno niten - Niederlassung von ungesähr 7000 Seelen an der Ostseite des Wenzypegsees, heimgesucht. Die Todesfälle erreichen die Höhe von durchschnittlich 180 im Tage. Ein Arzt befindet sich nicht am Orte, doch ist das Gouvernement von Manitoba bemüht, Solche dorthin zu lenden. Dasselbe Elend wüthet an d,r Westseite des Sees. Die Indianer in Fort Thunder sind demicirt durch die Krankheit, und Hunderte sind gestorben in den Niederlassungen amQu'Appel- strome. Die Indianer fliehen südwärts der Grenze zu. Der Pelzhandel ist im ganzen Nordwesten auf Befehl der Behörden sistirt.
Miszellen.
Aach schwerer Sitzung.
Humoreske von C. A. Paul.
(Schluß.)
Nach einer kleine» Pause fuhr er dann fort: „Ich suchte und fand Zerstreuung
— bei der Flasche. — Der Vater Ihres Gatten war mein bester Freund, mein steter Gesellschafter — und als auch der hinüberging vertrat seine Stelle sei» Sohn, der mich und meine Lau,-e durch den Pater ja binlanglich hatte kennen gelernt. — Er schenkte mir all-nn Manne —" bei diesen Worttn reichte er Henry, die Hand und iuhr dann sorl: „manche seine Abende, um mit mir, was man so in der gewöhnlichen Sprache nennt — zu — na zu kneipen!
— Diese ' wenigen Stunden bilden schon seit einigen Jahren die einzige Erbitterung meines Lebens — Es bangte nur vor seiner Verheirathung. Da trat endlich vor circa einem Jahre dieser längst geabnie und gefürchtete Moment auch ein. — Unsere Zu- sammenkünile — namentlich, was ich so eine schwere Sitzung nenne — wurden seltener, immer seltener — in die sem letzten Jahre schruwpnen sie sogar bis aus z-hn zusammen. O, ich habe Alles genau notirt. — Natürlich, je seltener das Wiedersehen — desto schwerer die Trennung.
— Aber sehe vollkommen — es darf nicht
länger mehr so setti. — Sitzeich von nun an bei meinem Glitte oder Flasche allein
— ich will auch diese Opfer bringen —- denn nimmermehr will ich den Stöientried des Glückes eines so lieben herzigen Weibchens sein! —"
Er erfaßte Jeannctte's Hand, welche er mit Küsten bedeckte, und Thrünen hingen an seinen Wimpern. Dann reichte er auch Dnpoitt die Hand, schüttelte ihm dieselbe herzlich und sagte mit Soldaleii-Nesigna- lion: „Henry Dupoitt — die heutige schwere Sitzung war die letzte unseres Lebens! Lebe wohl! —"
Er ergriff, nachdem er sich von Beiden losgerissen, Hut und Stock und wollte schnell duvonlaufen.
Jeannelte aber lief ihm »ach und ergriff seine Hand. „Bleiben Sie, bleiben Sie nur noch einen Aug-nolick, Herr Haupt- mann. — Glauben Sie, daß ich weniger Opfermntb besitze, als Sie? —" bei diesen Worten sch mle sie Maiseld in das biedere ehrliche Gesicht. „Mein Henry soll vor wie nach monallich einmal — gestatten Sie, daß ich von Ihrem gewählten Ausdruck gebrauche — zu K n e i p e n an dem allen, liebgewordenen Orte erscheinen. — Sie solle», lieber, alter Freund — erlauben Sie, daß ich Sie so nennen darf — meinetwegen Ihre letzten frohen Stunden nicht entbehren. —"
„Hol, mich der Teufel! Henry — Junge
— Du hast ein Weibchen, das muß Du Dir extra von da oben, aus dem Himmel nestohlen haben, denn so wahr ich lebe, hier unten ist mir so ein musterhaftes, hübsches, freundliches, liebes Exemplar noch nicht vorgekommen. Komm her Junge, in meine Arme und gib mir einen Kuß!—"
Der Haupttnnnn hatte die Arme weit geöffnet; Henry stürzte ihm an die Brust, und ein heißer Kuß, so glühend heiß, wie ihn ein Vater nur auf die Lippen eines Sohnes zu drücken vermag, flog auf seinen Mund. —
Da trat auch Onkel Fröhlich näher und sagte gemüldlich, indem er die silberne S > nnpttabaksdose zwischen den Fingern drehte: „Das löst sich ja Alles in lauter Liebe und Güre, Kinderchen. — Was wird denn nn» aus mir? — Ich glaube, ich kann jetzt ganz ruhig nach Hause gehen und zwar allem! — Oder gehst Du mit. Nett che»? —
„Nein Onkclchen, ich bleibe hier bei meinem Henry, denn hier ist mein Platz! —" mit diesen Worten flog sie dem geliebten Manne an die Brust und so endete ein Morgen nach einer schweren Sitzung! —
Zur algebraischen Aufgabe in Nr. 21.
Antworl:
1. Sorte preuß. Thaler,
2. „ österreichische Gulden,
3. „ südd. Gulden.
Anzeigen für den Hnzthäler vermitteln in H'forzyciV« Hr. Htto ItieLer; in Mkdöad: Hr. H. Schobert.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me e h in Neuenbürg.