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Württemberg.

Reichstagswahl.

Stuttgart, II. Jan. So weit vorlag, hatte Hölder in der Stadt 8222, Hlllmann 3440 Stimmen, auf dem Lande Hölder 4355, Hillmann 956 Stimmen. Zusammen also Hölder 12,577, Hillmann 4396 Stimmen. Bei der vorigen Neichs- taasabgeordnetenwahl am 23. September 1875 hatte Hölder 8428 Stiu-men. Social­demokratie und Volkspartei kämpften damals noch in getrennten Lagern und erhielt Hill­mann 3847 , Diefenbach 2398 Stimmen. Man darf wohl annehmen, daß die erheblich günstigeren Ziffern des gegenwärtigen Wahl­resultates dem Umstand zu verdanken sind, daß dem Volk über die Gefahren, die von Seite der Socialdemokratie drohen, allmälig die Augen aufgehen. Leider scheinen die Ergebnisse in den übrigen Wahlkreisen minder erfreulich zu sein und demjenigen der Landeshauptstadt wenig zu entsprechen.

Neuenbürg, 10. Jan. Zahl der Wähler 403. Abgegebene Stimmen: 269. Hievon Stalin 195, Chevalier 69, un­gültig 5.

Engelsbrand: Stalin 82, Bebel (Leipzig) 6.

(Den Herren Wahlvorstehern wären wir für weitere gefl. Mittheilungen dankbar.

Die Redaktion.)

Zur nächsten Kammersession. DemD. V." wird geschrieben: Die ein­zelnen Ministerien sind mit der Ausarbei­tung und Fertigstellung ihrer Etats beschäf­tigt. Die Feststellung des Hauptfinanzetals wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen, so daß die neue Kammer auf keinen Fall vor dem April einberufen werden kann. Als gewiß verlautet, daß der Etat ein nicht unbedeutendes Defizit aufweisen wird.

Stuttgart, 10. Jan. Dompräben- dar Bauer, Mitglied des Rottenburger Domkapitels, ist zum Altkatholizismus über­getreten und wird die altkatholische Pfarrei in Mannheim übernehmen.

Von der Baar, 2. Jan. Der Unfug des,, Neujahrschießens" hat in unserer Gegend wieder zwei junge Menschen un­glücklich gemacht. Ein reicher Müller von Oberflacht, welcher vor Kurzem nach dem Tode seines Vaters die Mühle als -Eigen- thum übernommen und sich demnächst ver­ehelichen wollte, hat sich die Hand weg- geschosseu, so daß ihm der Vorderarm noch amputirt werden mußte. Ebenso ging einem ledigen Burschen von Durchhausen, welcher beim Aufsetzen des Zündhütchens die andere Hand vor die Mündung der Pistole hielt, dieselbe plötzlich los, wobei ihm zwei Finger weggerissen wurden und weitere Folgen nicht erspart bleiben werden.

Vom Fuß der Achalm. Eine seltene Erscheinung ist gegenwärtig, frisches Gras von den Aeckern einsühren und eintragen zu sehen, wie sonst im April und Mai. Es ist jetzt mehr vorhanden, als in manchem Jahr in den genannten Monaten. Oesterreich.

Wien, 11. Jan. Die Orientlage ist gespannter als die ösfiziösen Angaben er-

> kennen lassen. Die gestrige Konferenz unter-

> blieb wegen Nichterscheinens der Vertreter der Pforte.

Ausland.

Dis Conierenzbevollmächligten scheinen in Constaulinopei türkische Gewohnheiten anzunehmen; namentlich scheint ihnen der bekannte Klugheilsschritt Muhamed's, der zum Berge ging, da der Berg nicht zu ihm kommen wollte, zum Vorbilde zu dienen. Da die Türken nicht nachgeben wolllen, sind die Conserenzbevollmächtigteu entschlos­sen, nachzugeben, , und ste gehen in ihrer Nachgiebigkeit soweit, daß die Würde Eu­ropas, die sie nnn einmal repräsenliren, ein Mehr kaum Verträge. Es schein!, als habe sich nicht Rußland allein über die Stärke, vornehmlich aber den Mmh der Türkei, einer Täuschung hingegeben.

Miszellen.

Das erste Veilchen.

(Von E. Wende.1

(Schluß.)

Noch raste der Kampf am Brückenkopf, wo die Dänen Alles aufboten, um einen Uebergang nach Atsen zu verhindern,, als unsere Compagnie auf dem Plateau von Schanze 4 sich sammelte. Schon glaubte man Alles gelhan, als dieser tückische Rolf-Krake noch einen letzten Versuch machte, eine andere Wendung in die Situation zn bringen. Seine Vollkugeln flogen planlos über das Land und eben wollte ich heran-, eilen, meinen Freund Aibert, der mit drei andern Chargirlen sich an einem Knick ge­fetzt hatte, zu begrüßen, als der aufge-' wühlte Erdboden die drei Kameraden ver­schlungen zu haben schien. Herzzerreißende Schreie ertönten und drei Menschen, eben noch frisch und hoffnungsreich, wälzte» sich zum Tove verwundet im Blute. Albert sah mich noch einmal mit seinen treuen Augen, legte die Hand aui's Herz und entschlief dann für immer. Eine Bollkugel hatte alle drei Kameraden gelobtet. Albert war die ganze rechte Seite zerschmettert worden.-

Tie erste Waffenruhe trat ein und in dieser Zeit wurden Beurlaubungen nach der Heimath vorgenommeu. Mich hielten andere dienstliche Obliegenbeilen noch zurück und so bat ich denn meinen Freund Franz E., das Couvert unseres armen Albert S., den so früh die Erde autuehmen sollte, sicher an seine Adresse in Berlin gelangen zu lassen. Auch er ist ein seelenvoller Mensch stets gewesen u:-:d m.it echt deutschem Handschlag gelobte er gern und gewissen­haft, den letzten Wunsch unseres lieben Freundes Albert zu erfüllen. Der ersten Waffenruhe folgte eine zweite. Franz E. nahm die Gelegenheit wahr, durch eine wohlbegründete Reklamation sich des Reser­vewerkes zu entledigen und ich habe ihn nicht wiedergesehen. Ein Brief an ihn kam zurück, da er verzogen' sei, ohne oaß man seinen Aufenthalt wisse. Wie so viele der Gefallenen, deren Angehörige es möglich zu machen vermochten, wurde auch die irdische Hülle unseres Albert S.

nach dem heimathlichen Boden überführt. Seine civilen oder familiären Verhältnisse

habe ich nie kennen gelernt.-

Zehn Jahre rauschten über diese Be­gebenheiten dahin. Ich war in dem Hafen ehelichen Glückes gelandet und eine ganz nette heitere Schaar von Kinder zeugt von dem Segen, welcher meine Ehe in dieser Beziehung begleitet. Vor zwei Jahren starb mir ein Kind und zufällig mar ich mit meiner Familie am 18. April früh hinausgegangen, um den kleinen Hügel zu schmücken. Wir waren bald fertig und schleuderten noch ein Wenig auf dem Kirch­hofe umher, uns freuend, wie überall liebe Hände bereit waren, den unter den Hügeln Schlummernden noch durch Ausschmückung desselben die Liebe über das Grab hinaus zu doeumenliren. Wie zufällig blieb ich stehen, um einem Mann zuzusehen, welcher eitrig bemübt war, ein großes Grab mit Veilchen zu bepflanzen, während eine Frau gesenkten Hauptts und mit gefalteten Hän­den stumm und still daneben stand. Ob ich an längst vergangene Zeiten dachte, ob die Veilchen mich daran erinnerten, daß sie einst das Wahrzeichen des Todes werden würden ich weiß es nicht mehr. Da erhob sich der Mann, sah auf, und wie zufällig mich an. Wie aus einem Munde erschollen die erstaunten Zurufe unserer Namen und herzlich die Hände drückend hielt ich meinen alten Freund Franz E. umschlungen. Eine gegenseitige Vorstellung der Frauen fand statt rmd beim Glase Bier, welches wir in der Nähe tranken, hörte ich die Geschichte meines Freundes. Er halte damals das Couvert prompt bestellt und auf vieles Bitten der Braut des Ver­storbenen diese öfter besuchen müssen, um ihr alle die Einzelheiten zu erzählen, die man so gern von einem verlorenen Gegen­stände hört. So war unbewußt eine Zuneigung entstanden, die in dem Herzen Franzens bald in die innigste Liebe sich verwandelte. Nachdem die Zeit der Trauer bei der Braut des Gefallenen vorüber war, trat Franz in bestimmter Form vor sie hin, um ihre Hanv zu erbitten ihr Herz hatte er bereits gewonnen. So ist das erste Veilchen hier der Stifter eines glücklichen und treuen Ehebundes geworden; nie aber wird der Tag vergessen, au dem der zu frühe Tod den Geliebten, welcher dieses Blümchen pflückte, ereilte, sondern immer noch an jedem 18. April früh schmücken die Eheleute das Grab Alberls S. mit frischen Veilchen.

Verschluß von Einmachglä­sern. Man verbindet die mit eingekochten Früchten gefüllten Gläser statt mit Thier- blasen oder Pergamentpapier. blos mit angeseuchietem weißem Schreibpapier, wel­ches kurz nach dem Verbände mit einer mäßig dicken Lösung von arabischem Gummi in Wasser überpinselt wird. Nach dem Eintrocknen der Gummilösung sind alle Poren des Papiers vollkommen verschlossen und ein Eindringen der Lust in das Glas ist somit unmöglich gemacht, was weder durch ihierisches nach vegetablisches Perga­ment erreicht wird.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me e h in Neuenbürg.