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werden nun zwei ander« verfolgt. Pfarrer Rilling befand sich bei dem Ueberfall offenbar in höchster Alteration, so daß er fast gar keine bestimmten An­gaben machen kann.

Rommelsbach, 13. Juli. Sehr un­liebsame Gäste durchziehen gegenwärtig unsere Markung. Seit zwei Tagen hält sich eine ca. 30- köpfige Zigeunerbande hier und in Sittenhausen auf und belästigt die Einwohnerschaft auf all« erdenkliche Weise. Wer seine Hausthüre zu schließen vergißt, ist der Belästigung und der Befiehlung dieses Ge­sindels ausgesetzt. Aber nicht nur im Ort selbst ist alles unsicher, die Feldfrücht« und Gartengewächse müssen natürlich auch herhalten. Schreiber dieses hat gestern abend selbst mit angesehen, wie diese Ge­sellschaft sechs Pferde frei umherlaufen und auf einer Wiese weiden ließ. Ein Hund verzehrte einen ganz frisch gefangenen Weißfisch und sind somit auch die Gewässer nicht sicher. Nachahmenswert wäre das Beispiel eines OrtSvorstehers auf der Alb, welcher beim Herannahrn einer solchen Bande die Feuerwehr Herausblasen ließ und sie unaufhaltsam über die Grenze trieb.

Konstanz, 12. Juli. Wie mitgeteilt, wurde der 37jährige Küfer Johann Georg HilS von Mitters­hausen (Württ), wohnhaft in Radolfszell, zu 4'/» Jahren Gefängnis und 3 Jahren Ehrverlust verurteilt. Die Verhandlung ergab derK. Z>" zufolg« folgendes: HilS heiratete 1887 und lebte anfangs mit seiner Frau zufrieden. Er arbeitete lange Jahre bei Herrn Weinhändler Kübler, war fleißig und sparsam und kaufte sich in der Marktstraße ein Häuschen. In den letzten Jahren gab es aber öfters Streit zwischen den Eheleuten, weil die Frau ohne Grund eifersüchtig war und ihrem Mann oft Vorwürfe machte. Die Streitigkeiten wurden immer ärger, da HilS, wie seine Frau, sich dem Trünke ergaben. Fast jeden Tag gab eS nun Wortwechsel, wobei HilS seine Frau mißhandelte, oft derart, daß sie nachts Hilfe bei Nachbarn und beim Arzt suchen mußte. Einmal warf er ihr einen Stuhl ins Gesicht, daß sie ein großes Loch in den Backen erhielt und ein andermal stieß er sie brutal vom Step, auf dem sie wusch, in den Bach hinter dem HauS. Auch versetzte er ihr einmal einen Stich in den Leib, der jedoch in Folge des Korsetts nur «ine unbedeutende Verletzung verursachte. Ein trauriges Ende nahm das Eheleben am Montag, 12. Juni. Als HilS nachmittags 4 Uhr heimkam, wollte seine Frau in die Festhalle gehen, wo am nachmittag des KriegerfesteS noch gewirtschaftet wurde. Hils sagte, sie solle sich lieber Kleider flicken, worauf die Frau schimpfte. Hils verlangte nun Wasch­wasser, welches sie ihm widerwillig gab mit der Be­merkung, das sei eine rechte Sau, die sich des Tages ein paar Mal wasche. Er spritzt« dann seine Frau mit Wasser, worauf sie ihm die blechene Waschschüssel an den Kopf warf und dar Zimmer mit der Drohung verließ, sie werde es den Leuten erzählen, wie er sie behandle. Als sie draußen war, steckte Hils an der GlaSthür im Gang den Riegel vor. Nun kehrte die Frau um, um durch das zerbrochen« GlaS der Thür den Riegel zurückzuziehen. Als Hils darauf die Thür mit dem Schlüssel schließen wollte, riß ihm die Frau denselben aus der Hand und kratzte ihn. Im Zorn zog nun HilS sein Messer und drohte, er werde sie stechen, wenn sie nicht von der Thür weg gehe. Die Frau aber drückte noch mehr gegen die Thür und schimpfte dazu, bis Hils blindlings zweimal durch das zerbrochene Glas stieß und die Frau traf. Ein Stich ging in di« linke Schulter, der andere, der mit großer Gewalt geführt wurde, drang durch den Herz­beutel in die Herzkammer. Die Gestochene flüchtete hilferusend zu einer Nachbarsfrau. Auf dem Weg brach sie zusammen. Als die Nachbarsfrau herbeieilte und die Verletzte aufheben wollte, rief HilS:Laßt sie liegen, dar Savmensch, sie verstellt sich nur." Als er aber sah, daß seine Frau nicht mehr aufstehen konnte, trug er sie in den Schopf der Nachbarin und wusch sie mit Wasser. Doch war jede Hilfe umsonst, die Schwerverletzte starb nach einigen Minuten. HilS besitzt 3 Kinder (Mädchen) im Aller von 8, 12 und 13 Jahren, welche in Radolfzell bei Familien unter- grbracht sind.

Aus Lothringen, 12. Juli. Ein 83jähr. Wilddieb wird wohl zu den größten Seltenheiten gehören. Im Walde der Gemeinde Alberschweiler wurde ein solcher NamenS Chevrirr aus dem Ge- birgSdorfe Walscheid von einem Förster beim Wildern

ertappt. Der Alte wollte sich aber nicht freiwillig ergeben, schlug das Gewehr an und drohte zu schießen. Ein gerade aus der Fabrik heimkehrender Glasar­beiter kam glücklicherweise dem Förster zu Hilfe und der Wilderer konnte entwaffnet werden. Im Ge­birge wird die Wilddieberei noch ziemlich häufig be­trieben; eS gehört aber zu den Seltenheiten, daß einer dieser schlauen Kunden einmal erwischt wird, denn verraten wird sein Treiben nicht, da die weit­aus größte Mehrzahl der Bevölkerung im Wildern absolut nichts Unrechtes sieht, vielmehr der Ansicht ist, daß unser Herrgott das Wild auch für den armen Mann geschaffen habe.

Berlin, 13 Juli Die Kaiserin ist mit den ältesten drei Prinzen heute Mittag gegen 1 Uhr in München eingetroffen. Auf dem Bahn­hofe hatten sich zur Begrüßung u. A. eingefunden, der Prinz Regent von Bayern, Prinz und Prinzessin Ludwig und der preußische Gesandte Graf MonS. Die Kaiserin setzte nach kw zem Aufenthalt die Fahrt nach Berchtesgaden fort.

Berlin, 13. Juli. Die Kaiserin ist gestern Abend mit ihren drei ältesten Söhnen in Berchtesgaden eingetroffen und wurde von den bereits dort anwesenden jüngeren Prinzen und der Prinzessin Viktoria Luise empfangen. Die Stadt war reich beflaggt. Vor dem Grand Hotel, in welchem dis Kaiserin Wohnung nahm, waren 200 Schulkinder, die in bayrischer GebirgStracht gekleidet waren, auf­gestellt, welche di« Kaiserin mit Gesang empfingen.

Potsdam, 12. Juli. Heute Nachmittag hat die Beisetzung des verstorbenen Oberpräsi­den von Achenbach stattgefunden. Im Aufträge deS Kaisers legte der General-Leutnant von Wessen einen prachtvollen Kranz nieder. Auch die Kaiserin, die Kaiserin Friedrich, sowie andere Fürstlichkeiten ließen Kränze nieterlegen.

Wien, 13. Juli. Wie das neue Wiener Journal aus Kreisen der russischen Kolonie erfahren haben will, soll der verstorbene Thronfolger von Rußland eine ihm morganatisch angctraute Gattin sowie drei Kinder hmterlassen haben.

Brüssel, 12. Juli. Einer Pariser Privat- Jnformation deS hiesigen Blattes Petit bleu zufolge, lautete das Programm für das Komplott, welches im März dieses Jahres ausgeführt werden sollte, wie folgt: 1. Besetzung des Elysee'S, 3. Auflösung der Kammer, 3. Referendum an das Volk zur Ernennung des Herzogs von Orleans zum Präsi­denten der Republik. Die nötigen Maueranschläge waren schon fertig gestellt. Die Ausführung des Komplotts ist durch das Ausbleiben des Generals Lamy, auf den der General Roget 10 Minuten lang wartete, gescheitert.

Paris» 13. Juli. Eine amtliche Mitteilung bestätigt dis Entdeckung eines ComplotteS zum Sturz der Republik. Es wurde ein Brief des Herzogs von Orleans aufgefunden, welcher da» Cvm- plott beweist Der Justizminister Monis beauftragte den Untersuchungrichter Boucaud, eine Untersuchung einzuleiten. Terou'Sde, Rochefort, Drumont, Beau­mond und die Generale Roget und Lamy sind in die Angelegenheit verwickelt.

Paris, 13. Juli. Die Untersuchung gegen Dupaty de Clam kompromittiert schwer Boisdeffre, welcher alle Fälschungen kannte. Auch Frau Dupaty de Clam, geborene Gräfin Ursel, ist in die Affaire verwickelt, da sie an mehreren Fäl­schungen teilnahm.

Paris, 12. Juli. Der Anwalt Demange, welcher Dreyfus gestern in RenneS besuchte, erklärt, daß DuyfuS mit dem Studium seiner Akten weit vorgeschritten sei. Demange ist der Ansicht, daß die Untersuchung des Kommandanten Carriöre zwischen dem 30. und 25. ds. beendet sein wird und daß der DreyfuS-Prozeß in den ersten Tagen deS August seinen Anfang nehmen werde.

Paris, 12. Juli. Ein amerikanisches Blatt, welches an Zola di« Bitte gerichtet hatte, er möge ihm einen Bericht über den DreyfuS-Prozeß in Rennes liefern, erhielt von Zola die Antwort, daß er die« nicht thun werde, selbst wenn man chm 10 Millionen Dollar dafür bezahlen würde.

Petersburg, 13. Juli. DieLeiche deS verstorbenen Großfürfien-Thronfolger dürfte im Laufe der nächsten Woche in Petersburg

eintreffen und in der Peter-Paul Festung beige- setzt werden.

Madrid, 13. Juli. Die Königin-Re­gent in hat dem Ministerpräsidenten mitgeteilt, sie verzichte zu Gunsten deS Staates auf eine Million Pesetas von der Civilliste.

Belgrad, 13. Juli. Di« Untersuchung gegen den Attentäter Knezevic wird nach den ZZ 41, 87, 185 deS serbischen Strafgesetzes wegenMordanschlagrS auf ein Mitglied des regierenden Hauses geführt. Auf diese» Vergehen steht die Todesstrafe. Fortgesetzt finden Verhaftungen von Angehörigen der radikalen Partei statt. Um diesen Verhaftungen ein Eide zu machen, hatte der Radikale E. Nicol c gestern eine Audienz beim Könige, in welcher er kategorisch dir Erklärung adgab, daß die radikale Partei, mit dem Attentate nichts zu thun habe. Die Untersuchung wird auf Befehl deS Königs beschleunigt, damit die Urteile, welche bei mehreren Personen auf Todesstrafe lauten werden, noch vor der Reise deS Königs ins Ausland gefällt und der Bestätigung des Königs unterbreitet werden können.

Srrurischlrs.

XVII. württemb. Landesschießen. Zur großen Freude der Schützen des ganzen Landes hat Seine Majestät der König von Württemberg zum XVII. württ. LandeSschießen in Heilbronn einen prachtvollen silbernen Pokal als Ehrenpreis gestiftet, der den ersten Preis auf der FeldscheideWürttem­berg" bilden wird, während die Stadt Heilbronn einen sehr schönen silbernen Pokal im Wert von 300 Mk. als ersten Preis auf die StandscheibeHeil­bronn" gespendet hat. Auch sonst sind viele Ehren­gaben eingclaufen. Die Schützengäfle haben sich zahl­reich angemeidet, so daß das Fest ein glänzendes zu weiden verspricht. Auch von hier aus ist alles ge­schehen, um den Gästen den Aufenthalt zu einem an­genehmen zu gestalten. Am Sonntag den 16. d. M. nach Uebergabe der Bundesfahne findet ein Wagen- Umzug durch die Stadt statt, der großartig zu werden verspricht. Obwohl das prächtig, hart an der Bahn nach Eppingen gelegene Schützenheim Sonnenbrunnen nur eine Viertelstunde vom Bahnhof entfernt liegt, hat die Schützengilde doch von der Generaldirektion der Staats-Eisenbahnen in entgegenkommender Weis« die Zusage erhalten, daß über die 3 Festtage zwischen dem Hauptbahnhof und dem Sonnenbrunnen in kurzen Zeitabständen Extrazüge geführt werden. Die Fahrt kostet 10 Pfg. Das Eintrittsgeld auf den Festplotz ist billig gestellt und an Unterhaltung wird es nicht fehlen, so daß alle Besucher des Fest«, auch Richtschützen befriedigt sein werden.

Großes Internationales Rennen in Biberach an der Riß (Württ.) Vorläufige Mitteilung. In Biberach, der Centrale des Ober- schwäbischen Radfahrer-Gaues, soll einem jüngsten Beschlüsse zufolge am 13. August ds. IS. ein großes internationales Rennen veranstaltet werden. Ist Biberach schon seiner geographischen Lage und seiner im weiten Umkreis günstigen Terrainverhältniffe wegen zu einer sportlichen Veranstaltung ersten Range» berufen, so fällt noch besonders der Umstand für diese Stadt in die Wagschale, daß sie eine in Süd« deutschland in Umfang und praktischer Einrichtung einzig dastehende Radfahrhalle und Rennbahn besitzt. Die Radfah,Halle Hot ca. 350 gm Bodenfläche 13 w tz öhe. Die Re nr bahn kreist mit 350 m. Mit dem Etablissement ist ein eigens hiefür eingerichteter stän­diger Gaflwirtschaftsbetrieb verbunden. Nirgends in schwäbischen Landen wird das Fahrrad relativ so schne ll und so zahlreich die Gunst der städtischen nicht nur, sondern auch der in Oberschwaben vorhandene» wohlhabenden ländlichen Bevölkerung sich errungen haben, wie eben hier. Ohne diese Thatsache wäre die Existenz des eigenen großen Radfahr-Etablisse- mentS nicht n öglich. Groß angelegt werden kann demnach das Sportsfest ohne weiteres und inter­national macht es die Nachbarschaft de« Boden- see-Uferstaaten Baden, Bayern, Oesterreich und Schweiz, denn die blühenden Uferflädt« dieser Länder werden ihre Radfahrer zu uns entsenden und sie werden das Contingent der württ. Radfahrer ver­stärken, di« sich gewiß so zahlreich wie nie zuvor ein- finden. Die Rennleitung hofft dies um so zuversicht­licher, als bei diesem Anlässe u. a. die Meister­schaft von Oberschwaben herauSgrfahren werden soll, wodurch die ganze Veranstaltung ein