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Die arabischen Blätter Indiens ver öffentlichen nach authentischen Mittheilun- gen folgende Proklamation:
„MosUms und Diener des Propheten! Erhebet Euch wie ein Mann und bringet dem Reiche des Padischah finanzielle Hilfe; denn er, der das Oberhaupt unserer Re ligion ist, wird jetzt von den Ungläubigen bedrängt. Eröffnet nun eine Subskription, damit es unseren Glaubensbrüdern möglich werde, den Ungläubigen die Köpfe abschnei den zu können, weil sie es gewagt haben, ihre ruchlosen Hände gegen jenen Fürsten zu erheben, der von Gott zu unserm geistlichen und weltlichen Oberhaupte eingesetzt wurde. Für ihn sollten wir auch kämpfe» und ihm wollen wir nun unser Vermöge» und unfern Wohlstand opfern. Moslims erhebet Euch nun!"
Vom Kriegsschauplatz.
London, 19. Sept. „NeutterS Bureau" wird aus Belgrad vom 19. ds. gemeldet : Die serbische Negierung hat gesten den Vertretern der Garantiemächte eine Note zugehen lassen, worin mitgetheilt wird, daß nach telegraphischer Meldung des Generals Tschernajcff die Türken trotz der Luspendirung der Feindseligkeiten in der Richtung aus die Ortschaft Bobowitsche vorrücken; die serbische Regierung müsse d.ßhalb auf Abschluß eines regelrechten Waffenstillstandes bestehen, habe indeß an Tschernajeff von neuem den Befehl erlaffen, auch weiterhin von jedem Vorgehen abzu stehen, ausgenommen wenn er angegriffen würde.
Auf dem Kriegsschauplatz herrscht „Waffenruhe", nicht nur thatsächlich, sondern auf zehn Tage, vom letzten Freitag an gerechnet, durch ein türkisches Jrade formell angeordnet. Die gleiche Verfügung ist von serbischer Seite ergangen. Als türkisches Motiv wird die „Erleichterung der Friedensverhandlungen" angegeben, wodurch von selbst schon die Frage angeregt wird, was denn für die letzteren durch die neue Phase der Tinge eigentlich gewonnen sei? Ein Brüsseler Telegramm vom Dienstag meldet: „Nach einer Pariser Depesche der Independente würde die Pforte ihre ursprünglichen Vorschläge auf folgende 4Fiiedens- bedingungen ermäßigen. I) Veriheilung der von Serbien zu zahlenden Krstgsrnt- schädigung auf 10 Jahre, 2) Besetzung zweier serbischer Festungen durch türkische Truppen bis zur vollständigen Zahlung der Kriegsentschädigung, 3) Anerkennung des Fürsten Milan ohue vorherige Investitur in Constantiiiopel, und 4) Bildung eines neuen serbischen Ministeriums".
Wenn die türkischen Staatsmänner auf diesem Wege sorlfahren, kommen sie bei dem nächsten Nachlaß aller Wahrscheinlich keit nach auf den Punkt, auf dem eine Zustimmung der Mächte erwartet werden kann. Es bedarf dazu noch des Vcrzichls auf das Besatzungsiecht der serbischen Festungen, das die Mächte als de» Keim für fortdauernde Unruhen übereinstimmend aus- geichloffen wissen wollen. Mit dstsem Schr tte rückwärts werden aber auch gleichzeitig zwei andere vorwärts gethan werden müssen, nämlich einmal bezüglich Montenegros end lich bestimmte Erklärungen abzugeben und
Redaktion, Druck >
sodann den Forderungen nach Garantie» für dauernde Herstellung der Ruhe gerecht zu werden.
Der Konstantinopeler Korrespondent der „D. Z." bestätigt, daß Derwisch Pascha in seinen Operationen ebensowenig vom Glücke begünstigt war, als sein Vorgänger Mahmud. Bei dem am 7. d. staltgehablen Kampfe waren 7000 Mann türkische regu läre Truppen im Felde. Dieselben gingen über die Moraca und fielen im Bezirk Pipen ein, woselst sich ihnen ZOOOMontene grincr entgegcnstelllen. Das gut genährte Feuer der letzteren wirkte so furchtbar au» die türkischen Truppen, daß dieselben mit einem Verlust von nahezu 2000 Man» in die Flucht geschlagen wurden. Derwisch Pascha war über die Feigheit seiner Truppen so empört, daß er dieselben durch st ine eigenen Kanonen beschießen ließ, wodnr.ch die Unordnung derarart gesteigert wurde, daß ca. 800 Mann in der Moraea ertranken.
Miszellen.
Abrntrurr rines Berliner Bürgers.
(Fortsetzung.)
Ein Berliner Bürger, so urplötzlich verschwunden aus der Milte seiner Mitbürger, war zu jener Zeit ein Ereigniß, und wirküch vergaß man darüber noch lange Zeit die Politik, kümmerte sich nicht um Frankreich und die Türkei, überall in den Wirthsstuben. kaunegicfferie man um den Fleischer Runge; in allen Schulen sprach der Lehrer zu den Kindern von Runge und sordeite diese auf, darauf Be zügliches sofort mitzutheilen. — Alles vergebens ! August Runge blieb verschwunden. Onkel.Schlossermeister übernahm nun niit Bewilligung der Behörde den Scharren „bis auf Weiteres", er bezog auch mit seiner zahlreichen Fam:lie die Wohnung in der MulackS gaffe — bis auf Weiteres, wo er seine Schlosserei sortbelrieb, während ein zünftiger Schlächtermeister — Kaulsuß war sein Name— ihn auf dem Hack'ichen Markte vertrat— Alles bis auf Weiteres.
Merkwürdigerweise fand man, als die Polizei die Wohnung in der Mulacksgasst visilirt und Kisten und Kasten ausgekramt Halle, auch nicht einen Pfennig baares Geld; was aber der ganzen Sache die Krone aussetzte, war. daß mit dem Meiste: und dem Gelbe auch der riesige Fleischer- Hund desselben spurlos verschwunden war. Dieser Hund gehörte zu der großen Art der dänischen Doggen und war außeror deutlich klug und seinem Herrn treu ergeben, er ging auf de» Mann und hatte sich schon einmal erprobt, als sein H^rr pn einem Einkauf auf dem Lande von 4, mulhmaßlich räuberischen Strolchen, in der Nähe von Spandau überfallen worden war, die ohne die Gutherzigkeit August's ihren Ueberfall theuer gebüßt hätten.
Die alte Wirthschafterin hatte nichts weiter angeben tönnen, als daß Meister Rpnge an dem Menta-e früher als gewöhnlich nach Hause gekommen wäre, einen Li ffel Suppe gegessen, dann die Wohnung verlassen hätte, nach einer Viertelstunde jedoch wieder erschienen sei und, nachdem er dem Hunde - der von seinem Herrn nd Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg. (M
den Namen Rino, nach einem Räuber aus einem Romane, erhalten hatte — gepfiffen, mit diesem abermals fortgegangen märe.
Es kann meine Aufgabe nicht sein, den verehrten Leset lange aus die Folter zu svannen und nach Auszählung süchtiger Dinge, die die Erzählung in die Länge ziehen, den Held derselben nach Jahren wieder erscheinen zu lassen; mir wollen ibm gleich folgen und sehen, was aus ihm geworden, wird ja doch im Verlaus der Begebenheiten das Interesse des Lesers vielfach wieder wach gerufen werden. —
A's Runge an jenem v-nhängnißvollen Montag Nachmittag seine Wohnug allein verlassen und die Ecke der Nosenlhalerstraße erreicht hatte, sprang ein junges Mädchen über den Damm und trat an ihn heran; er erkannte sofort das Dienstmädchen seiner Angebeteten. Sich vorsichtig umsehenv drückte sie ihm einen verschlossenen Brief in die Hand und entfernte sich, ohne ein Wort zu reden. Wie festgebannt stand Runge einige Augenbticke, er hielt das Ganze für einen Traum, doch überzeugte ihn endlich der Brief i» seiner Hand, daß dies mehr als ein Traum sei Er konnte den Brief nicht auf der Straße lesen, ohne Aufsehen zu erregen, und kehrte deßhalb in seine Wohnung zurück. Zitternd öffnete er hier den Brief und las wie folgt:
„Haben Sie jenen Muth, der allen edlen Menschen angeboren, und wollen Sie einem unglückliche» Mädchen zu ihrem Rechte verhelfen und sie schützen, so erwartet sie um Mitternacht eine Unglückliche, die Sie bereits kennen und die mit vollem Vertrauen zu Ihrer Rechtlichkeit und Ihrem Anständigkeitsgesühl Sie zu ihrem Beschützer und Retter macht. Verhehlen kann ich Ihnen jedoch nicht, daß Sie dieser Aufgabe Opfer bringen muffen, von welchen das erste Ihr Verschwinden aus Ihrem jetzigen Wirkungskreise sein muß. Jedenfalls hoffe ich auf Ihre Verschwiegenheit und erwarte Sie zur bestimmten Stunde. — Den Ort, wo ich mit Ihnen Zusammentreffen werde, erreichen Sie wie folgt: Sie finden sich um Mitternacht beim Schlöffe Bellevue ein, dort finden Sie eine kleine grün und weiß angestrichene Gondel, in weicher ein Ruder liegt; Sic durchschneiden in gerader Linie die Spree, ln festigen am jenseitigen User die Gondel; in derselben geraden Linie sehen Sie nur hundert Schritte vom Ufer entfernt ein einzeln stehendes altertbümliches Hans, dessen Fenster vermauert sind mit Ausnahme von zweien, rechts und links Neben einer festen eichenen Eingangslhür — beide Fenster haben feste herunkergelaffene grüne Jalousie», klopfen Sie dreimal gegen das Fenster rechts, dann dreimal gegen das links und es wird Ihnen die Thür geöffnet werden. Bitte den Brief, nachdem , Sie ihn gelesen, sofort zu verbrennen.
Eine Unglückliche."
(Fortsetzung folgt.)
Goldkurs der k Staattzkaffrn-Vrrwaltung
voin 8. Seplbr. 1876. 20-Fra>'.ke»stlicke . . . 16 20 ^
Anzeigen für den HnzthLkrr vermitteln in Pforzheim: Hr. Htto Miecker;
_in Wikdkad: Hr. H. Schobert. _
-kt- und Thalstr.)