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für den Abend seines Lebens erkoren hat, stolz darauf, die Ueberreste des theuren Mannes dauernd in unserer Mitte zu ha­ben, empfinden wir es als heilige Ehren­schuld unseres schwäbischen Stammes, den stillen Ort seiner letzten Ruhe, wie ihn die Natur mit ihren holden Gaben ziert, auch unsererseits mit liebender Hand zu schmücken und zu einem schönen Dichtergrab zu ge­stalten.

Ein würdiger Denkstein, der schlicht gediegenen Art des Dahingegangenen entspre­chend geformt und mit dem Abbild seines mächtigen Hauptes bezeichnet, soll noch in fernen Zeiten dem Beschauer künden, daß hier der edle Sänger schlummert, der in so herzergreifenden Tönen von den Wunder» ferner Zonen, von Freiheit und Männer­würde, von Lenz und heiliger Liebe gesungen.

Die Stadtgemeinde Cannstatt, welche die Sorge für das Allen werthe Grab im besonder» Sinne als ihr ehrenvolles Amt erkennt, hat die Unterzeichneten mit der Aus­gabe betraut, den schönen Gedanken in's Werk zu setzen, und voll überzeugt, daß ein Aufruf für Ferdinand Frriligrath freudigen Widerhall finden wird, wenden wir uns zunächst an die Bewohner unseres Landes mit der herzlichen Bitte, uns mit Gaben für den bezeichnten Zweck zu er­freuen.

Die Beiträge wolle man an den Kassier Carl Hartenstein in Cannstatt, oder auch einen der andern Unterzeichneten einsenden.

Cannstatts-Stuttgart, Itz. April >876. Prof- Dr. Wkum. Prof. Dr. I. H. Kischer. Wilhelm HanzHorn, Oberamtsrichter in Nek irsulm. Staatsminister Dr. Hokther, Vorsitzender. Hark Kartenstein, Gemein­derath in Cannstatt, Cassier. Dr. Wilhelm Kemfeir, Hofrath. Dr. Gdmund Köfer. Prof. Znkins Klaiver. Prof. Dr. W. Mßke Hark Mayer. Stadtschultheiß Itnpp in Cannatt. H. H. Schöne, Ge­meinderathin Cannstatt. Senvert, Oberst a. D. in Cannstatt. Dr- Wilhelm Kosimer, Kndwig Walesrode. A. Wunder , Ob­mann des Bürger-Ausschusses in Cannstatt.

Rronik.

Deutschland.

Berlin, 2. Mai. Der Kaiser hat einen eigenhändig geschriebenen, vier Seiten langen Brief an den ausscheidenden Prä­sidenten des Neichskanzleramtes Delbrück gerichtet, i» welchem er seinen Dank für die von Delbrück dem Reiche geleisteten großen Dienste ausspricht.

Die Prov. Korresp. hebt in ihrer Be­trachtung der Eisenbahndebatte im preuß. Abgeordneten-Hause vor allem die That- sache hervor, daß dieselbe ausklärend und beruhigend gewirkt habe.Zur Abweisung der aus anderen deutschen Staaten erhobe­nen Bedenken und Befürchtungen sagte Fürst Bismarck: dieselben hätten nicht laut werden können, wen» man abgewartet hätte, was die Regierung eigentlich wolle. Den andern Staaten wider ihren Willen ihre Staatsbahnen zu nehmen, liege weder in der Absicht, noch in der Möglichkeit. Tie Regierung werde übrigens in der Sache nichts übereilen, in keiner Beziehung drän­gen, nichts zu feindlichen Fragen zuspitzen, sondern die Sache als eine rein wirthschast- siche behandeln und einen gewaltsamen

Druck nach keiner Seite üben. In gleicher Weise hob der Handelsminister hervor, daß die preuß. Negierung lediglich in bun­desfreundlichem Sinne, unter Berücksich­tigung gerade der Interessen aller einzelnen Bimdesglieder, mit dem Vorschläge hervor- getreten sei, die preuß. Staalsbahnen auf das Reich zu übertragen. Durch diesen Schritt solle jede Spannung, welche etwa zwischen den verschiedenen Interessen ent­stehen möchte, ein für alle Mal beseitigt und kein Bundesstaat geschädigt werden. Auch der Finainmiinster betonte, wie es sich vor Allem darum handle, dem Reiche znm allgemeinen Wähle einen erweiterten Wirkungskreis zu geben, und sprach die Zuversicht aus, daß das schließliche Ergeb- » nicht ein weiteres Z rwürsniß, sondern ein Zustand befestigten Friedens sein werde.

Frankfurt, Mai. Nach den neue­sten Ermittlungen si-.llt sich der durch den Sturm vvm 12. März d. I. im Frank- furterWald angeri.üete Schaden auf 17,642 Raummeter Lanbholz und 30,382 Raum- Meter Nadelholz.

Bei der Schiffs-Explosion in NüdeS- heim sind, soviel bis jetzt sestgestellt, von den Passag ren des Dampfschiffes Luise 28 lebend gerettet, 5 todt gelandet, 4 wer­den vermißt und sind gleichfalls als todt anzunehmen, darunter ein fremder Reisender. Die Katastrophe hat, soweit ermittelt werden konnte, 9 Opfer gefordert, 7 Personen sind verwundet.

München, 1. Mai. An das Staats­ministerium des Aenßern, als Reffortmini­sterium für die Verkehrsanstalten, ist gestern eine mit 150 Unterschriften der ersten Holz­firmen Bayerns versehene Petition um Frachtermäßigung für Holztransporte ein­gelaufen. In dem Gesuche wird ausgesührt, daß die mirtbschaftlichen Verhältnisse der bayrischen Holzindustrie und des bayr. Holzhandels mir dann wieder gesund wer­den können, wenn ihnen die gleichen Hilfs­mittel, welche der ausländischen Konkurrenz zu Gebote stehen, auch gewährt werden. Demgemäß wird an das Ministerium die Bitte gestellt, im Verein mit 18 (in dem Gesuch aufgezählten nichtbayrstchen) Bah­nen einen externen Tarif aufzustellen, welcher bei einem einmaligen Zuschlag von 10 pr. Waggon einen Satz von 30 ^ pr. Kilometer und 10,000 Kilogramm nicht überschreitet. Als Ursache einer weiteren Schädigung, die der bayrische Holzhandel erleidet, werden die enorm hohen internen Frachtsätze bezeichnet, deren Fortdauer un­bedingt den bayrischen Zwischenhandel in München, Nürnberg und Cham ruiniren müsse zu Gunsten desjenigen in Mainz. Mannheim, Hellbraun und Ulm, gegen deren vereinigte Bemühungen der junge bayr. Zwischenhandel sich nur mit Mühe seine Existenz erringen konnte. Es wird deßhalb die weitere Bitte gestellt, eine Er­mäßigung der bestehenden Tarife, resp. des Zuschlags im internen Verkehr eintre- ten zu lasten. (S. M.)

Nürnberg, 3. Mai. Die Arbeiter- Entlastungen in den industriellen Etablis­sements nehmen leider immer weiteren Fortgang und, wie uns von den Besitzern größerer Etablissements mitgethcilt wird,

steke» noch wettere Entlassungen in Aus­sicht, da neue größere Aufträge zu den Seltenheiten gehören.

Die NotizA hlösung von S t r eu­re ch t r n in B a y c r n" auf Seite 215 der Nr. 52 ds. Bl. vom 2. Mai d. I. ist, wie es scheint, theilweise dahin aus­gelegt worden, als sei in Bayern bei der Berechnung des Ablösungskapitals ein Streuwerlh von durchschnittlich I I fl. 48 kr. in einzelnen Landestheilen sogar von 15 fl. 48 tr. bis 23 fl. 30 kr. pr. Wagen (5 Ster oder Raummeter) zu Grund gelegt worden. Dem ist aber durchaus nicht so, diese Zahlen gaben vielmehr das ausbezahlte Ablösungs-C a p i 1 a l pr. Wagen an. In Bayern erhielten also die Berechtigten für die Streu durchschnittlich pr. Wagen l 1 fl. 48 kr. Ablösungs -Capital, während in hiesiger Gegend pr. Wagen ein Capital von ungefähr 10 0 fl. bezahlt worden ist.

Württemberg.

Das Regierungsblatt Nr. 14 vom 4. Mai enthält eine Verfügung des Finanz­ministeriums, betr. die Kontrole des Ver­kehrs mit Wein zwischen Württemberg und Elsaß-Lothringen.

Stuttgart, 5. Mai. Die Kammer der Abgeordneten hat in zwei Sitzungen das neue Eiseilbahnbangesetz berathen und schließlich einstiiiimig angenommen. Eine gewisse Schwierigkeit bot die einzelne Linie, welche, ohne bisher durch Gesetz oder Staatsvertrag vorgesehen war: Kißlegg- Wangen. Die Mehrheit entschied f ü r den Bau einer Strecke, welche schon fünfmal zuvor bereitwillig von den Ständen zum Bau empfohlen worden war. Der vielleicht bedeutungsvollste Abschnitt des Kommissions- berichls war die Darlegung der Erwägun­gen, welche bei der bevorstehenden Abtre­tung eines Theiles der Bruchsaler Bahn in Betracht kommen. Da diese Frage vor einem Jahre in der Kammer nur leichthin berührt und damals allseitig zurückhaltend besprochen worden war, hatte die volks- wirthschaftliche Kommission, nachdem jetzt die Erläuterungen der Gesetzesmotive von hex Abtretung kurz sprechen, eingehend darüber berichtet, und ihresihcis sehr entschieden und einstimmig dahin sich ausgesprochen: bei einer nothweiidigen Abtretung Breiten zur Wechselstation zu machen, dagegen wo­möglich Pforzheim-Mühlacker in mürltemb. Betrieb zu erhalten, keinesfalls jedoch BretteN-Mühlacker gegen Pforzheim-Mühl­acker zu tauschen, endlich die aus dem 1850er Vertrag hervorgehenden Einwir­kungen ans den würltemk. Fahrtenplan, insbesondere die für die Heilbronner Babn lästigen Beschränkungen zugleich zu Ende zu bringen. Anträge hatte die Kommission nicht gestellt. Eine Debatte erhob sich nicht, die Summen, bei deren Erörterung jene Darstellung gegeben war, wurden genehmigt, Es ist volle Berechtigung vorhanden, zu sagen, daß die Kammer, indem sie Ange­sichts des bestimmte» Kommiffionsberichis sich weiterer Debatten über diese schwebend- Angelegenheit enthielt, damit ihre Zustim­mung zu den Ausführungen des Berichts ertheilte. (S. M.)