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Kronik.

Deutschland.

AuS der Gegenwart.

Der dem'che Kaiser hal sich am 19. April im besten Wohlsein nach seinem Schlöffe zu Wiesbaden begeben, nachdem »r in Begleitung des Kronprinzen der Königin Viktoria von Großbritanien und Irland in Coburg einen kurzen Besuch abgestattet hatte. Der Reichskanzler dagegen wird vorläufig Berlin noch nicht verlassen: es scheint, daß die orientalische Angeleg.nheit ihm für jetzt verbietet, den auswärtigen Geschäften den Rücken zu kehren. Die Session des bayerischen Landtages ist durch allerhöchste Entschließung bis zum 31. Mai verlängert worben. Die vorige Woche umgehenden Gerüchte, welche von einer bayerischen Ministerkffis wissen wollten, wurden inzwischen von verschiedenen Seiten demenlirt.

Wie verschiedene Blätter übereinstim­mend berichten, soll seit einiger Zeit von Seiten der conservatioen österreichischen Föderalisten- (Bundesstaats) Partei der Versuch gemacht werden, alle reichsfeind- lichen Conservative und Reaktionäre Deutsch­lands und Oesterreichs zu einer großen Föderalistenpartei zu vereinigen. Haupt­sitz des Agilationscomitees soll Prag sein; an der Spitze desselben sollen der Prinz Heinrich von Hanau, der Professor Con- stantin. Frantz und ein Herr v. Schimmel- pseng stehen. Auch czechische Führer sollen demselben angehören und der Kardinal Schwarzenberg zu ihm in Beziehung stehen. Wir glauben nicht, daß diese neue Partei sonderlich gute Geschäfte machen wird, ob­wohl seil Auskommen der Neichseisenbahnide- en die föderalistischen Wogen in Deutschland wieder höher gehen, als es längere Zeit der Fall war.

Die Bonapartisten haben in letzter Zeit viel Pech gehabt. Eine ganze Reihe ihrer Wahlen, selbst die kouker8 in ^jjaceio wurde cassirt; sie mußten sich in der letzten Sitzung vom Minister Ricard vor aller Welt sagen lassen, daß sie eine doppelt und dreifach abgesetzte Partei seien, und soeben ist ihr Hauptverlagsbuchhändler Schulden halber mit überaus wichtigen Aktenstücken durchgegangen, drohend, daß er die die Bonapartisten compromittirenden Papiere veröffentlichen würde, wenn man ihm nicht sofort mit Geld auf die Beine helfe. Die Bonapartisten scheinen nun aber kein Geld zu haben und von Chislehurst langte die Nachricht an, daß man nicht helfen könne. In Algerien rcbellirte ein arabischer Stamm; derselbe soll jedoch niedergeworfen worden sein.

- Die balkanischen Wirren stehen wieder in schönster Blüthe und die orientalische Frage befindet sich wieder vollständig auf der Tagesordnung. Aller Verhandlungen mit den Insurgenten ungeachtet, ferner trotz­dem der russische Commissär Wesselitzki sich nach Wien aufgemacht hat, um Oesterreich für diemaßlosen" Forderungen der In­surgenten zu gewinnen, ist der Kampf wieder in energischer Weise entbrannt. In Bosnien und türkisch Kroatien wachsen

jdie Nebellenbanden aus der Erde. Die serbische Armee unter General v. Zach steht marschbereit an der bosnischen Grenze. Schon jetzt sollen die Aufständischen von serbischen Offizieren commandirt werden und dem genannten General gehorchen. Jeden Tag kann die Nachricht kommen, doß die serbische Armee die Grenze über­schritten hat.

Aus Nassau den 18. April. Ganz Canb ist in Aufregung; ein neuer Berg­rutsch droht; der Berghang soll bereits seit gestern über I Meter gerutscht sein. 30 Familien in 15 Häusern wurden polizeilich aufgefordert, ihre Wohnungen zu verlassen.

Unter den für den Nundreiseverkehr im südd. Eisenbahnverbande allgemein gelten­den Bestimmungen werden von jetzt ab in Stuttgart auch Billete 2. Kl. für eine Nundtour Nr. 103 StuttgartReutlingen Tübingen NottweilVillingenTry- bergHausachOffenburgStraßburg Karlsruhe Psorzbeim Stuttgart oder umgekehrt zum Preise von 26 ^ 15 L und für die Rundtour Nr. 107: Stuttgart AalenCrailsheim oder Nördlingen Nürnberg Bayreuth Negensburg München Ulm bezw. NördlingenStutt­gart oder umgekehrt zum Preise von 46^L 5 ailSgegeben. Bemerkt wird, daß Billete der Tour 103 gegen vorherige Bestellung und Erlegung des Fahrpreises auch von Billetkassen in Reutlingen, Tübingen, Horb und Nottweil, auf welchen Stationen die Rundreise ebenfalls begonnen werden kan», zu beziehen sind.

Württemberg.

Von der K. Negierung des Schwarz­waldkreises wurde nnterm 18. April Mathäus Stickel, Weber und Gemeinde­pfleger von Waldrenn ach, zum Schult­heißen dieser Gemeinde ernannt.

Stuttgart, I8i April. Vor einigen Tagen sind sechs junge Leute von hiernach Kiel abgereist, um als Schiffsjungen bei der deutschen Neichskriegsmarine einzutre- len. Jetzt dienen schon els unserer jungen Landsleute bei der Kriegsflotte.

lieber die nachtheiligen Wirkungen des Frostes am 13. und 14. d. M. wird von mehreren Landestheilen geklagt. So liegt uns eine Mittheilung aus dem Unter­land vor, wonach Aprikosen, Pstrsische, Kirschen, Birnen und Frühäpfel gelitten haben. Auch der Weinstock scheint nicht ohne Schaden davon gekommen zu sein; insbesondere sind frühe Lagen, wo das Schneiden schon im Winter vorgenommen .. orden ist und manche Sorten ihre Frucht­augen schon ziemlich vorgeschoben hatten, beschädigt; in niederen, späteren Lagen, wo die Neben bezogen waren, ging der Frost spurlos vorüber; nicht bezo­gene Reben aber dürften auch hier nicht unbeschädigt geblieben sein. An den Klee äckern und Wiesen hat gleichfalls da und dort die Kälte Spuren zurückgelaffen. Die Erfahrungen der letzten Jahre lehren aller­dings, daß die nachtheiligen Wirkungen des Frosts anfänglich leicht überschätzt werden; insbesondere sind die Weingärtner als Pes­simisten bekannt; schon öfter sind derartige Elementarschäden durch eine in Folge

günstiger Witterung eingetretene rasche Entwicklung wieder verwischt worden. Hof­fen wir auch für Heuer, daß ein baldiger warmer Regen, der namentlich auch für das Wachstbum der Saaten sehr erwünscht wäre, der Vegetation zu Hilfe kommt und etwaige Frostschäden zur Ausgleichung bringe. (St. Anz.)

Göppingen, 18. April. In den letzten Tagen possirte bei Ottenbach fol­gende ergötzliche Geschichte. Ein Mann mit einer Meßstange fuhr, eifrig des WegS daher messend, mir einer Stange in das Haus eines Bauern hinein, dem erstaunten Hausbesitzer eröffnend: hier an die Stelle seines Hauses komme der Bahnhof für die längst projektirte Verbindungseisenbahn zwi­schen Nemslhal und Filsthal. Der Bauer, sehr vergnügt über den ihm dadurch be­vorstehenden Gewinn, nahm den müden Mann nunmehr srenndlichst auf, und da derselbe auch Hunger und Durst hatte, so regalirte er ihn auf's Beste. Wohl gesättigt entfernte sich der vermeintliche Eisenbahn- geomeler, um baldigst sammt seiner Stange zu verduften. (N. T.)

Wildbad, 18. April. Laut Pub­likation der K. Badverwallung beginnt die Saison am 1. Mai und wird zum Besuch unserer rühmlichst bekannten Ther­men srenndlichst eingeladen.

Schweiz.

Fischer von Montilier haben dieser Tage im Murtner See einen sog. Salut (eine Wels-Art) von 180 Centimeter Länge und 80 Pfd. Gewicht gefangen; sie lassen den raren Fisch für Geld sehen, ehe sie ihn verkaufen.

Ausland.

London, 18. April. Das Schiff Humboldt, welches mit 350 Auswanderern von Hamburg nach Brasilien fuhr, stran­dete heute Vormittag bei Aarmouth. Kein Paffagier ist verunglückt.

London, 19. April. Der Dampfer Humboldt ist mit dem Hochwasser wieder abgebracht und auf die Rhede von Uarmuth bugsirt worden. Der Schaden ist anschei­nend gering.

Miszellen.

Aus der Kunstausstellung.

(Fortsetzung.)

So ganz unbemerkt bleibt er jedoch nicht.

Ein etwa 35 Jahre alter, elegant ge­kleideter Mann, dessen Haltung aus den gewesenen Militär schließen läßt, steht schon nahezu eine halbe Stunde einige Schritte weit vom alten Herrn entfernt, und der Eifer, mit dem dieser das Por­trät betrachtet, scheint ihn in hohem Grade zu interessircn.

Er tritt jetzt näher und hört nicht undeutlich etliche halbe Sätze, die der alte Mann ohne Rücksicht auf den Ort, wo er sich befindet mit außerordentlicher Hast vor sich hin spricht.Sie ist's! Das Auge der Mutter! Der kleine süßlächelnde Mund! Ach, das bleiche, bleiche, magere Gesicht! Die Grübchen fehlen! Aber ihr Haar! So hat sie die Locken immer getragen! Es ist kein Phantasiebild-. Nein, sie hat dem Maler