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Das Schloß zerfiel; es ward daraus
Ei» leicht gezimmert Försterhaus;
Doch schonet sein des Windes Stoß,
Meint, es sei noch das alte Schloß!
Schwab.
Dieses Jägerhaus behielt den Namen Lich- teusteiner Schlößchen bei und diente Jahrzehnte lang mancher lebensfrohen Gesellschaft zum Tummelplatz.
Graf Wilhelm von Württemberg erkaufte dasselbe im Jahr 1838, und ließ in den Jahren 1840 und 1841 aus dem alten breiten Grundgemäuer die Burg nach Heidcloffs Plan im gothischcn Style des fünfzehnten Jahrhunderts prachtvoll wieder aufbanen.
Dank dein Kunstsinn und dem ritterlichen Geiste des hohen Erbauers steht jetzt ein herrliches Schloß aus den grauen Felsen, das durch geschmackvolle Ausführung und eine der Idee des Ganzen entsprechende Einrichtung und Ausstattung im Innern die meisten neuen Burgen im alten Styl übcrtreffen dürfte.
Der Buchstabe H an die deutsche Nation.
Sehr gecrte Nation! Mit cnamicr Hand, Tränen der Wemut in den Augen, schreibe ich Dir den Scheidebrief. — Eine rcchlschreiberische Ilmsturzpartei stellt mir den Süll vor die Tür! TwS ist der Lon für meine tauiendjarigeu Dienste. Wele-n! iw i.en'.c weinen Abschied, nichts mer w.u im Dir sein, als ein Hauchlaut, der die kalen Felder Deiner Sprache kert, doch mit heißen Zaren wirst Du Dich dereinst nach mir zurücksenm, wenn ich Dir erst seien werde. ^
Ich bin überzälig, sagt man, und gibt Dir die Manuug, mich nicht mer zu wülen. Gut! tue den Felgrisf, feurige Kolen aus Dein Haupt! Einst wirst Du von dem holen Wan meiner Ent- berlichkeit zurückkcren. Wer gab erst dem Wort den rechten Ton? ich war cs, der es lang deute, und ihm dadurch erst zu einigem Ansehen verhalf. Bei „auf Ere" schrieb mich der Lieutenant einmal, aber er sprach mich dafür dreimal. Und jetzt auf einmal soll ich aller Ere bar werden? Bisher schwur der Soldat ans die Fane; wird er nicht künftighin bei seinem Eide an eine „Fanne" denken? Was half ich dem Unteroffizier bei seinem „Gewcr aus" das Kommando in's Unermeßliche dehnen, daß es die lange Bahn des Verständnisses vom Ohr bis zum Gehirnkasten seiner Untergebenen gemächlich zurücklegen konnte! Wird es ihm fürder one mich nicht in der Kele stecken bleiben und der Gemeine dann dafür in Arrest kommen? Und erst in der Wachstube, im Teater, im Konzert, wie half ich mit meinem gebeuten Gäneu den Geplagten den Feind der Langweile abweren!
Das Alles gilt heute Deinem Freunde Scherer nichsseindlich und gesärlich. Auch das Verdichten der Worte macht man nur zum Verbrechen. Raubt man aber damit nicht dem Tron seine wcrthvollste Stütze? Der Tat die Kraft und dem Tee seinen Duft? Ist es nicht der wäre Hon, mir das Dichten verbieten zu wollen? Und siegt wol darin eine Bone von Konse
quenz, wenn man mich bei der Kuh und allem Vieh stehen und bei dem Tier gehen heißt? Wenn man mich von der Ere trennt und bei dem Ruhme wohnen läßt? Freilich geschieht Letzteres in der Besorg- niß, der Held der Zukunft könne sonst in der Fedc Ruhm mit Rum verwechseln, und letzterem den Vorzug geben. Holer Wan! Betrugen sich nicht sonst beide Begriffe wol mit einander, erzeugten nicht beide, unmäßig genossen, den Rausch?
Mich dauern nur die armen Schulkinder. Wer wird künftig Deine kleinen Söne und Töchter leren, auf welcher Ban sie künftig farcn, in welchem Farwasser sie mit ihrem Kan segeln sollen, wenn sie lesen: „Der küle Früling kert in das Land. — Die Mule im Tal malt das Mel. — Dem Han feit das Hun."
Deine Vorfaren gingen nicht ser wirtschaftlich mit mir um, das ist war; sie „mahlten in Oehl" und „bothen Guth und Blnth" für mich dar; dafür waren sie aber auch wohlgenährt und ihre Lauthe wuchtig; wir aber „malen Mel" und unsere Sprache wird windig, unsere Not groß und die Miete teuer — und alles das, nur weil man mir den Rücken kert.
Und graut Dir bei aller „Schererei" nicht vor dem falen Bannstral der Verleger, die vor Gram auf die Bare sinken werden, wenn ihre alten Auflagen, um Rache schreiend, sich gen Himmel türmen; fürchtest Du nicht die Wut der Söne Gutenbergs, welche, ihre Manen schüttelnd. Dir ihre alten Sie reotypplatten aus die Seele wälze» werden daß Du vor Augst zu nachtschlafender Zeit laut stönen wirst; erbarmt Dich nicht die Not der Schreiber und Schulkinder, die sensüchtig nach mir rufen werden, wenn sie verwaist und ratlos dastehen?
Aber dies ist erst der Anfang aller Not. Hat man erst die Axt an mich gelegt, so kommt nachher die Reihe an meine Mitkonsonanten; und ist auch die Schrift von allen ce, ie und aa gereinigt, kerst Du wol noch gar zur Fingersprache zurück!
Fare wol, deutsche Nation, lebe künftig one mich; doch schaue in diesem Spiegel Deine Zukunftsschrift und verzeihe diesen Scherz einer reichsrechtschreiberischen Stilübung Deinem alten in den wolvcrdienten Ruhestand tretenden II Konsonant Spiritus »spar a. D.
Grausame Probe. Das „N. Wieiwr Tgbl." erzählt: Die Frage, ob die Frau ein AmtSgeheimniß zu bewahren verstehe, ist schon sehr oft aufgeworfen und auch schon sehr oft in verneinendem Sinne beantwortet worden. Der nachstehende Fall jedoch stellt speziell einer Dame vom Apparat, einer Telegraphistin, ein glänzendes Zeug- niß ihrer Enthaltsamkeit aus. Vor wenigen Tagen war es, da trat in ein Telegraphenbureau des zweiten Bezirkes ein Dienstmann und gab folgende Depesche auf:
„G - - - - H., Millergasse, Wien.
Worum bist Du gestern nicht gekommen, sehnsüchtig Deiner geharrt — böser, böser Man». Heute 8 Uhr Kursalon. Tausend Küsse. Ewig Dein. Bertha." Die junge Dame vor dem Apparate nahm das Konzept zur Hand, aber kaum hatte sie die ersten Worte gelesen und sofort schoß das
Blut in ihre Wangen und die schöne Hand, die bereits am Taster lag, fuhr erschrocken zurück. „Das soll ich telegraphiren? Niemals!!" rief sie aus. Dann aber erinnerte sie sich ihrer Dienstpflicht, und während Thränen in die schönen Hellen Augen traten, arbeitete der Apparat und der elektrische Strom brachte ihrem Bräutigam tausend Küsse von einer Änderen!! Als das letzte Wort — der Name der Rivalin — dem Drahte überantwortet war, verließ das Mädchen das Bureau, da inzwischen die „Ablösung" gekommen war, und eilte thronenden Auges heim, um vor der Mutter hinzusinken und ihr den Wortlaut ihres Telegramms mitzutheilen. Das Ganze löste sich alsdann in Freude auf, als es sich herausstellle, daß ein Freund des beneidens- werthcn Bräutigams den „Spaß" in Scene gesetzt hatte, um die Verschwiegenheit unserer „Telegraphistinnen" zu prüfen.
Die Gleichgültigkeit der Menschen in geistigen Dingen trägt mit die Schuld, daß gegenwärtig mit der Schriftenkolportage ein höchst verderblicher Unfug getrieben wird. Es ist nicht zu berechnen, welche Verheerungen die kol- portirte Giftlitcralur in den Seelen von Jünglingen und Jungfrauen schon angerichtet hat. Gar oft entzündete sich die Lust an einem unsittlichen Bild, Album, Buch, und diese entstiegen der Schachtel eines Kolporteurs; oben lag Andacht, in der Milte Unterhaltung, unten Schweinereien. Auch au Eisenbahnliteratur stellt mehr wie ein Buchhändler in den Bahnhöfen Zeug aus, darüber er, zur Rede gestellt, erröthet. Aber dieser giftige Fusel wird eben mit Vorliebe getrunken — er kratzt so angenehm. Ein Buchhändler zu Köln am Rhein-, wo es nach Heine 300 Kirchen und Kapellen hat, verbreitet solche Schmutzliteratur durch fünfhundert Kolporteure und setzt den Leuten, die sich durch sein Gift an Leib und Seele verderben lassen, dafür noch Prämien aus. Ein anderer verdiente sich auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege in Kurzem ein Vermögen voneinigen Hunderttausenden. Würde das Publikum für geistige Dinge mehr Ernst und tieferes Interesse zeigen, dann könnte der gerügte Unfug wohl noch vor-, aber nicht mehr fortkommen.
Der Civiltrauungshut. Die Mode ist schlagfertig genug, um stets den Ansprüchen der Zeit gerecht zu werden. Kaum ist bei uns die Civilehe obligatorisch geworden, so sorgt die Mode auch schon für eine dafür geeignete Coiffure. Die bräutliche Myrte will die Braut erst vor'm Altar in ihren Locken tragen, ein gewöhnlicher Hut wird aber doch auch nicht als der Feierlichkeit des Moments angemessen betrachtet — was nun? Für diese Eventualität hat die Mode den Civiltranungs- hut geschaffen, eine anmuthige diademför« mige Coiffure aus weißem Tüll mit langen, vorn zusammengeknüpften Schleierenden; den Schmuck des Hutes bildet ein Myrtenkranz, der so darauf angebracht ist, daß er sich leicht herabnehmen läßt, um dann bei der kirchlichen Trauung als Brautkranz Verwendung zu finden.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.