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Zwei Jahre später machte ich an einem schöne» Hcröstlaae (es war etwa drei Monate später nach der Geburt nniers dritten Sohnes) mit meiner Frau einen Spaziergang auf der Chaussee bei St. nahe der rassischen Grenze, wo ich zehn Jahr als Steuer Inspektor domizilirt war. Eine Viertelstunde entfernt von St. fanden wir am Bord des Chonsseegrabens sitzend eine Frau in ärmlichster Kleiduno, ihren ebenso dürftig gekleideten Säugling näbrend. Abgezehrt und dürftig, wie die säugende Mutter, war auch das Kindlein, und boten Beide das Bild tiefsten Elends aus Nahrungsmangel dar. Ueberwältigt von dem fchiucrzlichen Anblick stürzt meine Frau auf die Bettlergestalt, entreißt ihr das Kind und ehe die bestürzte Unglückliche den Vorgang begreifen kann, saugt in wonniger Begier der arme Säugling an der Brust meines Weibes in vollen Zügen die kräi rige reichliche Nahrung ein. Herr! dies Bild verläßt mich »rein Lebtage nicht Noch in meinen letzten Stunden wird es in seiner ganzen Herrlichkeit mir vor der Seele stehen: Das Bild meiner Frau mit dem Säugling einer Bettlerin am Busen, die erschüttert von einer so hochherzigen ihr bis dahin unbekannten Handlungsweise, «ns die Kniee gesunken ist. und, wie zu einer Gottheit, dankend die Hände erhebt, während mein unvergleichliches Weib mit freudig glänzenden Augen mich anschaut, dabei dem Kinde das wirre Haar von der Stirn streicht, sich seines lebhaften Genusses freut und spricht: „Ach, Du liebes armes Kind, so gut ist es Dir wohl lange nicht geworden!"
Herr, ich bin kein Mucker und der Mattherzigkeil Hot mich nie ein Menschenkind geziehen; ich habe im Kugelregen gestände» und nie wankten meine Kniee — doch hier, bei diesem Anblick übcrkam mich ein Zittern in den Gliedern und ich sank nieder zu den Fuße» meiner Frau neben der Bettlerin. War mir es doch, als wäre der Inbegriff alles Guten und Edlen in diesem Weibe verkörpert mir erschienen, und dürste ich Unwürdiger nur in Ehrfurcht zu ihm auszublicken wagen. Erschreckt durch mein Benehmen gegen sie, zog meine Frau mich schnell mit der dargereichteri Hand an ihre, vom Hochgefühl edelster Freude bewegte Brust und erbat sich von mir die Erlaudmß, auch ferner für die armen Findlinge sorgen zu dürfen. Natürlich willigte sich mit Freuden ein und wir zogen nun, wie im Triumphe, mit unserer Beute heim.
Tie aufgesundene Dulderin erzählte uns, daß sie die Wittwe eines beim Aufstand in Polen gefallenen Gutsmeiers sei, und da der hartherzige Gutsherr ihr Wohnung und Unterhalt versage, so wollte sie sich mit ihrem Kinde zu einer im Posen'- fchen wohnenden, jedoch auch nnr in kümmerlichen Verhältnissen lebenden Schwester begeben. Rur die Liebe zu ihrem Kinde batte ihr den Muth gegeben, manchmal die Mildherzigkeit oft roher Menschen anzuflehen, doch hatte sie auf ihrer weiten Fußwanderung die schrecklichsten Entbehrungen und Strapazen auszustehen gehabt! und sicher wäre ihr und ihres Kindes
Untergang durch allmählige Erschöpfung ihrer Ruhe herbeigeführt worden, wenn, wie sie befürchtete, ihre Schwester oder deren Mann nickt Willens oder im Stande gewesen wäre, ihre Zuflucht und Stütze zu gewähren. Unser rechtzeitiges Zusammentreffen mit der Frau halte ihrem und des Kindes Elend ein Ende gemacht. Die Frau erholte sich schnell und blieb »enn Jahre bis zu meiner Versetzung hierher bei uns. Meine Frau hatte an ihr die fleißigste und zuverlässigste Wirthschatls- gehülfin, die in dankbarer Liebe nnS zuge than blieb. Das Kind, ein Mädchen, wuchs mit meinen Kindern ans und genoß mit denselben die gleiche Erziehung. Jetzt nach ihrer Verheiralhung mit einem braven und geachteten Manne lebt sie mit ihrer nun auch schon bejahrten Mutter einer sorgenfreien Zukunft entgegen. So oft sie nach P. kommt, schmückt sie das Grob ihrer zweiten Mutter mit einem Blumenkranz. Das „Freund" sind Züge ans dem Leben meiner Frau. Als sie nach kurzen, Krankenlager, mit Segenswünschen auf den Lippen starb, da war mir's, als versänke ich in Nacht und Graus.
Der Steuerrath leerte nach diesen Worten hastig sein Glas und mit dem Ausrufe : Heute habe ich wieder Feststunden verlebt, drückte er mir zum Abschied die Hand und ging — wohin? ich vermuthe nach dem Grabe seiner Frau.
Ich verstand den bittersüßen Schmerz des alten Herrn bei der Rückschau auf ein Eheleben mit solcher Gattin. Hatte ich doch selbst den Verlust einer Schwester zu betrauern, deren ganzes Leben eine Kette von treuer Arbeit, edler Menschenliebe und stets offenbereiter Theilnabme für leidende Mitmenschen bildete. „Für Jeden halte sie ein freundliches Wort; sie kannte keinen Feind, und Jedermann sah gern auf sie;" Diese Worte der Grabrede klingen noch bent, nach Jahren, wie schwermuthsvollcr Abschiedssang in meiner eele nach. (N. D. R.-Zlg.)
Die höchste Stellung unter den Fürsten Europas nehmen gegenwärtig doch wohl die Könige von Griechenland und von Spanien ein. Beide sitzen wie der Vogel auf dem Dache. (B. W.)
— Rosenblüh: Sag' mal, Joel, was bedeute» denn diese vier Ist in unserer Turnhalle? — Heineman»: Dummer Junge, das weißt Du nicht? Frisch, fromm, froh und — fergnügt.
8sii«88vn-KruveI.
Das muß ich sogen: der Bericht Ans Frankreich paßt mir wirklich nicht. Denn der Franzos, noch N'cht versöhnt, Hat sich die Erbswurst angewöhnt.
Auf Order des Herrn Max Mahong Hat sie den Namen S o z i z o n g,
Und G r ü w e l heißt sie außerdem,
Ob Grüivel Erbs heißt, ist thulmehm.
Doch die französische Wurst ist gar« nicht anders als die unsre war,
Es sind dieselben Sachen drin,
Weshalb ich auch so wüthend bin.
Denn wen» ich überlege nun,
Daß wir einmal erbeuten thnn Die Grüwelwürste, na ich dank'
Dann wär' ich lieber nicht mit mang.
Ich kriegte dann zum Döjönö,
Zn Mitlag und zum Nochtsupö Zwei Sorten Erbswurst, ach Herrje! Die dculsche und französische.
Das ist ein mäßiger Genuß,
Doch weil ich jedenfalls mit muß,
So wünsche ich mir Friedenszeit
Von nun an bis in Ewigkeit. K»We.
(B. W.)
Ljttlaörmg Ml "WortttEöttL auf öes HrrMA'er
für das dritte nnd vierte Quartal 1873.
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