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ob er mir den Text sür den Messias liefern sollte, und als ich ihn darauf ruhig fragte, od er mich denn für einen Heiden halte, der die Bibel nicht kenne, oder ob er glaube, es besser machen zu können, als es in der heiligen Schrift stehe, da drehte er mir zonüg den Rücken und schilderte mich am Hose als einen rohen undankbaren Menschen. Aber morgen gehe ich zum Fürsten Bedford und Ihr sollt den Messias hören, wenn sich auch alle Heuchler der drei Königreiche dagegen auflehnen sollten."
Seinem Entschlüsse getreu suchte Händel am andern Morgen den Fürsten auf.
Seine Gnaden gaben gerade ein großes Dejeuner, und der halbe Hof war anwesend, als der Komponist gemeldet wurde.,
Der Fürst liebte es ungemein, sich als Beschützer der schönen Künste zu zeigen, besonders dem Hof gegenüber, von welchem Händel nicht verbannt war, wie Frau Betty glaubte, sondern sich absichtlich entfernt hielt, da sem stolzer starker Charakter sich nicht den strengen Formen und Ceremo- nien unterwerfen mochte, die damals unerläßlich waren. Sein Oratorium „Saul" halte ihm das Herz des Königs gewonnen, der Hof wußte das, und der Fürst beeilte sich daher, Händel mit der größten Zuvorkommenheit zu empfangen. Letzterer dankte jedoch für die Einladung, in den Festsaal zu treten, sondern zog den Fürsten in deffen Sludirzimmer, wo er ihm seine Bitte vortrug: Seine Gnaden möchten ihren ganzen Einfluß aufbieten, um die Hindernisse zu beseitigen, die der Lord Mayor, sowie der Erzbischof der Aufführung des Messias entgegensetzten.
Der Fürst hörte ihn aufmerksam an und versprach das Seinige zu thun, bat uu» aber Händel recht herzlich in den Saal zu treten, „nm so mehr, da ich Ihnen einen Landsmann vorstellen möchte, den ich in meine Dienste genommen habe, sein Raine ist Kellermann und er bläst die Flöte ganz vortrefflich."
„Ist der wackere Junge in London!" ries Händel erfreut, und trat rasch mit dem Fürsten in den Saal.
Groß war das Aussehen in der erlauchten Gesellschaft, als der Gefeierte plötzlich unter sie trat, und nur Augen zu haben schien für seinen Freund Kellermaun, dem er die Hände schüttelte und leis und herzlich mit ihm sprach. Doch schon räusperte sich und hustete bedeutungsvoll der damalige Abgott der Londoner fashionablen Welt, der Sänger Farinelli und Kellermann eilte ans Piano um ihn zu begleiten. Süß trillerte der Italiener in affektirter geschmückter Weise, die dem gewaltigen Händel ein wahrer Gräuel war, doch immer höher stieg das Entzücken der Gesellschaft: „himmlisch, einzig," flüsterten die Damen und legten die Hand aufs Herz! Endlich schloß der Säuger unter rauschendem Beifall. und der Fürst beeilte sich, Händel demselben vorzustellen. In gebrochenem Englisch redete der Italiener den Compo- nisten an, indem er sagte: „Jk habe gehört, daß rt 8j§nor haben componirt
vHara! U ückoWia, ist in dieser axera
eine Parthie zu singen für den berühmten Farinelli, ich meine sür mich?"
Händel sah herab auf den kleinen, par- sümirten, mit Gold und Juwelen geschmückten Mann und sagte mit seiner tiefsten Baßstimme: „Xo, Lignora!"
Unter dem schallenden Gelächter der Versammlung verließ Händel den Saal.
(Schluß folgt.)
Weibliche Koljeil.
(Von W. Salzmann.)
Der alte stattliche Steuerath K. und ich saßen an einem heißen Nachmittage vorigen Jahres in einem Zimmer eines der beliebtesten Bier-Lokale zu P. einander gegenüber. Wir gcriethen bald, aus Veranlassung eines Zeitungsartikels, in ein Gespräch über die unpraktische, den realen Verhältnissen der Jetztzeit, sowie der Ge- müthsbildung meistens blutwenig Rechnung tragende Erziehung des weiblichen Geschlechts, die so unendlich viel Familienruin, unglückliche Ehen und Ehenlosigkeit verschuldet.
Der Steuerrath, ein witziger, und durch sein joviales Wesen in Gesellschaftskreisen sehr beliebter Mann, wurde während des Gesprächs merkbar unruhig und man sah cs dem eisernen Mann an, daß ihm ei» Kanips mit den schwachen Augenlidern nicht leicht ward. Endlich platzte er heraus: „Herr so einen Engel von Frau, wie ich sie die ineinige nannte, giebt es freilich nicht mehr unter der Sonne !" Den kurzen, zum Aussprechen dieser wenigen Worte uöthigen Zeitraum hatten nun die widerspenstigen Augenlider zum Ausstellen von Vorposten in Gestalt zweier, von den langen Augenwimpern beschatteten Thränen- perlen benutzt. „Sie ruht jetzt, fuhr er fort, schon seit zehn Jahren im Grabe, diese engekgleiche Frau, aber ich glaube nicht, daß ich vor meinem Lebensende ein eben so vollkommenes weibliches Wesen werde kennen lerne»."
O, Sie hochbeglückter Mann ! erwiderte ich lebhaft, beneidenSwerth glücklich gewesen im Besitz solchen Schatzes, sind Sie noch glücklich zu preisen im Genuß so schmerzlichsüßer Nückerinnerung.
Ja Herr, ward mir zur Erwiderung, Sie haben Recht! das Andenken an mein treues, liebes, gutes Weib ist. nebst der Liede zu meinen. Gott sei's gedankt! recht ivohlgerothenen vier Kindern, der einzige Balsam für meine, dem Grabe zuneigenden Lebenslage. Doch, wenn Sie es erlauben, so erzähle ich Ihnen Einiges aus dem Leben meiner Frau.
Sie kommen meinem Wunsche dadurch freundlichst entgegen, war meine Antwort und er erzählte: Meine Frau war die einzige Tochter eines altadeligen Rittergutsbesitzers im Großherzogthum Posen. Ich war als junger Steuerrevisor in B. stati- onirt und lernte sie im Hause ihres Vaters, der seit einigen Jahren Wittwer war. bei Gelegenheit einer mit ihm amtlich zu führenden Verhandlung kennen. Das bild
schöne, achtzehnjährige Mädchen mit dem sittigen, bescheidenen Wesen machte auf mich einen tiefen Eindruck, und, da auch der alte Herr offen und freundlich mir begegnete, so suchte ich recht häufig Gelegenheit, bei Herrn v. K. einzusprechen. Um kurz zu sein: meine Neigung wuchs zur Leidenschaft, ward enviedert und ich armer Steuerrevisor kielt eines Tages bei dem hochadeligen Herrn v. K. mit dem mir eigenen, leider von meinen Vorgesetzten Behörden oft mißdeuteten Freimuthe, um die Hand seiner Tochter an. Doch dieser Mann hatte bei seinem sonst praktischen Verstände und seiner, für seinen Stand verhältnißmäßig liberalen Gesinnung so wenig das, in den letzten Decennien mit feurigen Zungen und Donnerhall durch ganz Europa verkündete Capitel von den natürlichen Menschenrechten studirt, daß ihm mein Antrag platterdings nur duich Annahme einer mich betroffenen Geistesstörung erklärlich schien, er anfangs wie versteinert vor mir stand und endlich mir theilnahmsvoll den Rath ertheilte, bei der Behörde nm einen mehrmonatlichen Urlaub einzukommen, um mein, durch übergroßen Amtseifer in einen bedenklichen Krankheitszustand gerathenes Nervensystem unter ärztlicher Beihülfe wieder in den normalmäßigen Zu'iand zu bringen.
(Fortsetzung folgt.)
Ameisen-Vertilgung. Ein Sachverständiger hat uns hierüber Folgender mitgelheitl: Haben sich Ameisen in einem Schrank eiiigenistet, so stelle man eine Lösung von Cali earb. auf einen fluchen Teller in denselben, worauf die Thierchen alle sich dort den Tod trinken werden. — Ameisen auf oder unter dem Fußboden lassen sich durch Campher oder Aloe Lösung vertilgen. — Ameisen - N e st e r werde« zerstört durch Uebergießen mit Aloe-Auszug oder durch Bestreichung eines Bindfadens mit Fiiegenleim. der um das Nest gelegt wird, worauf die Ameisen hängen bleiben und der Bindfaden verbrannt wird. — In Ke Iler räumen lobtet man Ameisen durch Bestreichen der Wände mit Petroleum, oder durch Einbringung frischer Knochen, welche sie benagen, worauf man kochendes Wasser auf sie ausgießt. — In Gärten, an Blumen und Pflanzen werden sie vertilgt durch öfteres Bespritzen der Pflanzen mit einer Lösung von Schwefelleber (2: 1VOO) oder durch etwas Erdöl.
Bei den letzten großen Rennen um die goldene Friedenspalme erschien einmal wieder die Fuchsstute „Alten gl and" (von „Vielgeschrei" und Wenigwolle") am Pfosten. Trotzdem sie glücklich ablief, blieb sie doch weit hinter „Erwartung" zurück und wurde mit Leichtigkeit von „Blamage" erreicht. Als sie endlich, begleitet von „Phrase" und „Ex- Prestige", am Ziel anlangte, war der „Friede" längst als Sieger mit großem Jubel empfangen worden. Man sieht in dem Jockeyclub „Dimes" ruft Schrecken ähnlichen Lerbytagen entgegen. (B. W.>
Redaktion, Druck und Perlag von Jak. Meeh in Neuenbürg,