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kele, von ihrer schiefgestellten Direktionsrinne aus, über das Kasernenschiff Barbarossa, welches das bedrängte Fahrzeug vorstellte und etwa 100 Schritt von dem Ab- feurungsort lag. Glücklich wurde die dünne aberstarke erste Verbindungsleine von dem eisernen Raketencylinder mit hinüber gezogen und ermöglichte nun den „Bedrängten" das Nachholen eines sehr starken Taus. Dies wurde beiderseits straff gespannt und konnte jetzt als Leitung für den Rettungskorb dienen, einen Schwimmring mit hosenartigem Sackfortsatz, der sehr komisch aussah, aber recht praktisch scheint und wirklich zwei Leute »ach einander von dem Mast des Barbarossa glücklich ans Land beförderte. Allerdings dürfte der zu Rettende wenigstens an unseren flachen deutschen Küsten und bei stürmischer See unterwegs in seinem Korb noch gehörig von den Wellen, die ihr Opfer nicht lassen wollen, überschüttet werde». Nach diesen Manövern wurden zur 'Erprobung der Schußweite zwei weitere Raketen ohne Leine abgefeuert. Hellleuchtend fuhren sie durch den dicken, für ein Schiffbruchwetter recht natürlichen Nebel bis auf die respektable Entfernung von wohl 1 Kilometer. Sehr interessant ist der kompen- diöse Raketenwagen, der alles zu seinem Gebrauch Nöthige hübsch bei einander mit sich führt. Einer Feuerspritze sieht er wohl trotz des genau entgegengesetzten Zwecks am ähnlichsten; vorn drei leicht laufende Rollen für die verschiedenen Seile, hinten drei Kästchen je mit einer sehr sinnreich gelegten, störungslos abwickelbaren Schußleine, unten der verschließbare Mu- nilionskasten. Die friedlich humane Absicht des Letzteren offen zu dokumentiren, weist der Wagen auf allen Seilen das rothe Genfer Kreuz, das hier in der Thal gegenüber dem rohen Straddrecht früherer Jahrhunderte eine rühmliche Errungenschaft der Neuzeit deckt. (S. M.)
Tilsit, 20. Nov. Heute früh ex: plodirte in der Sarfaß'schen Dampfschneidemühle der Dampfkessel. Das Kesselhaus wurde vollständig zerstört und der Kessel 300 Schritt in den Memelstrom auf ein Holzfloß geworfen. Ein Arbeiter wurde getödet, fünf schwer beschädigt.
München, 19. Nov. Aus der Landesunterstützungskaffe der bayr. Feuerwehren, welche ihre Thätigkeit am 1. August 1872 begann, wurden bis zum 3. Sept. 1874unterstützt: 254 Mitglieder für 10.947 Krankheitstage mit 9466 fl., für Kurkosten mit 1723 fl. Von diesen Mitgliedern gingen 12 mit Tod, ab wofür 1200 fl. bezahlt wurden, sohin wurden für den eigentlichen Zweck vorausgabt 12,589 fl. Die Verstorbenen hinterließen zusammen 4 Wittwen, 8 Kinder und 6 Ellernpar- thien, welche für die Zukunft eine jährliche wiederkehrende Unterstützung beanspruchen können.
S tra ß b ur g, 18.Nov. DieSchwur- gerichtsverhandlung gegen den 20jährigen Müllerburschen Geier endete mit dessen Verurtheilung zu 15jähriger Zuchthausstrafe. Die Verhandlungen, bei denen die Oeffentlichkeit ausgeschlossen war, stellten die volle Schuld des Angeklagten, der
übrigens seiner That geständig blieb, heraus. Während des Versuches, das 12jährige Mädchen Maria Schwitzgäbel zu vergewaltigen, suchte er das Schreien seines Opfers durch Würgen am Halse zu unterdrücken, wobei nach einigen kurzen Zuckungen der Tod des armen Kindes eintrat.
Mannheim, 20. Nov. Der Rhein ist bereits zwei Fuß gewachsen und wird voraussichtlich rasch noch mehr wachsen, so daß in wenigen Tagen die Schiffe ihre Fahrten auf dem ganzen Rhein bis nach Rotterdam wieder ungestört werden aufnehmen können.
Eisenbahn auf denMerku- riusberg. Der „Köln. Ztg." wird aus Baden-Baden vom 13. Nov. geschrieben: Mit dem Bau einer Eisenbahn aus den Merkuriusberg wird nun voller Ernst gemacht. Der Bürgerausschuß hat nämlich in seinen letzten Sitzungen 1600 Thlr. zur sofortigen Aufstellung der betreffenden Pläne und Voranschläge bewilligt. Die Konzession zur Ausführung des Projekts wurde von Seiten der Regierung einem Hrn. v. Baaten ertheilt, welcher die Gesammtkosten auf 2 Millionen Reichsmark berechnet, die er durch 4000 Aktien L 500 Mark aufzubringen versprach.
Statistik der Eisen bah »Unfälle in Deutschland. Der deutsche Reichsanzeiger enthält eine im Reichs-Eisenbahnamt aufgestellte „Nachweisung der auf den Eisenbahnen Deutschlands (excl. Baierns) im Monat September vorgekommenen Unfälle." Danach kamen vor 63 Entgleisungen, 57 Zusammenstöße und 19 sonstige Betriebs-Ereignisse, wobei im Ganzen 173 Personen verunglückten, und zwar 9 Passagiere (2 getödet, 7 verletzt), 143 Vahnbedienstete (26 getödet, 117 verletzt) und 31 fremde Personen, (13 getödet, 8 verletzt); außerdem suchten und fanden 9 freiwillig den Tod auf den Eisenbahnen.
Württemberg.
Stuttgart. Der evangelische Sy- nodus ist am 17. Nov. zu seinen jährlichen Berathungen zusammengetreten.
Stuttgart, 18. Nov. Dem Vernehmen nach werden am 2. Dez., dem Erinnerungstage der zweiten Schlacht von Villiers-Champingy, den neuerrichteten Füsilierbatallionen der 8würt- lembergischen Jnsanterieregimenter von S. M. dem Könige Fahnen verliehen werden. An demselben Tage werden die vorhandenen älteren Fahnen und Standarten theils mit dem eisernen Kreuz, theils mit dem Bande der Kriegsdenkmünze für 1870—71 rc. dekorirt werden.
Leonberg, 18. Nov. Gestern Nacht ist zum 3. Mal in einer Scheuer gegenüber dem Rößle Feuer eingelegt worden und es ist nur der Wachsamkeit der Bürger zu verdanken, daß dasselbe nicht weiter um sich griff. Die Bestürzung und die Angst, von der die Einwohnerschaft ergriffen ist, erklärt sich von selbst.
Freuden st ad t, 18. Nov. Das ununterbrochene prachtvolle Herbstwetter kam dem Landmann sowohl, als auch namentlich unfern Bauhandwerkern sehr zu Statten. Der 11. Nov., der Martinstag, brachte
uns, wie schon seit 8 Jahren, den ersten, wenn auch spärlichen Schneefall, der aber nach orkanartigen Stürmen in der Nacht vom 15. auf den 16. d. M. derart sich einstellte, daß seither Wald und Flur mit einer dicken Schneedecke überzogen ist. Der Schneefall dauert ununterbrochen fort.
Calw, 19. Nov. Auf dem hiesigen Bahnhofe ereignete sich vorgestern ein Fall von Kohlendampfvergistuiig. Zwei Heizer erschienen Morgens nicht zur gewohnten Stunde, und als man nach ihnen sah, lagen beide bewußtlos im Bett. Die vorgenommene Untersuchung ergab, daß die Ofenklappe zugefallen war. Durch sofort angewandte ärztliche Hülfe gelang es, Beide zu retten und konnten sie schon im Laufe des Vormittags als außer Gefahr befindlich erklärt werden.
Bopfingen, 19. Nov. Der Kraulmarkt dahier naht seinem Ende. Es wurde das Hundert für 5—10 fl. verkauft. Die Kartoffeln, welche gut und in großer Menge gerathen sind, stunden seit vielen Jahren in keinem so niedrigen Preis wie gegenwärtig, wo das Sri. 18 kr. kostet.
Kirchheim u. T., 18. Nov. Die Kraut- und Holzbauern kamen am letzten Marktag ganz eingeschneit hier an. Während die ersteren wenig Absatz hatten, das 100 Stück Kraut konnte um 3 st. keine Abnehmer finden, so wurde dagegen daS Holz (4 Raumeter zu 28 fl.) schnell aufgeräumt.
Heilbronn, 20. Nov. Der Wasser» stand des Nekars ist um 16 Zoll gewachsen. Fahrwasser 34 Zoll.
Aus dem Bezirk Besigheim, 19. Nov. Eine vom Kgl. Oberamt geschehene Zusammenstellung des heurigen Herbster- lrags in unserem Bezirk rechnet eine Ziffer heraus, wie eine solche in dieser Höhe noch nie da war und vielleicht auch nicht sobald wieder kommen wird. Darnach beträgt der Geldwerth des im Bezirk erzeugten Weines nicht weniger als 1,018,607 Gulden, übersteigt also eine Million. Dieser Erlös ergab sich als Ertrag einer als Weinberge angelegten Fläche von 2572 Morgen, aus denen 39,277 Hektoliter Wein geherbstet wurden. Der Preis bewegt sich zwischen 19—37 fl.; der Durchschnittspreis berechnet sich auf 26 fl. pr. Hektoliter. (S. M.)
Viberach, 18. Nov. Diesen Nachmittag spielten zwei Knaben im Alter von 8 und 9 Jahren in einem Hause der Ried- linger Vorstadt. Das Verhängniß lockte beide in eine Kammer, wo Aepfel aufbewahrt sind, wo aber auch ein geladenes Gewehr hängt. Der Jüngere, das einzige Kind des Obsthändlers W. greift nach dem Gewehr, dasselbe entladet sich, die Kugel trifft das Kind, welches todt auf der Stelle blieb. (N. T.)
Biberach, den 19. Nov. Der gestrige Viehmarkt war ziemlich stark befahren, sowie auch viele Händler anwesend waren. Allein der Handel ging nur flau und die Preise sanken, wie man, sagt, um 10—12 fl. pr. Stück. Für die Milchschweine hatte man 12—18 fl. pr. Paar zu bezahlen.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg,