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Fried,ichShafen, 25. Apri!. Die Kir- fchrnblüis, dir infolge der regnerischen Witterung hintangchalten war, Hai sich nun entfaltet. Dis Gegend um Betznau, Hemigkofen, Wasserburg sieht in voller Blütenpracht und lockt viele Ausflügler an. — Zwischen Friedrichshasen und der Luftballonstation Manzell verkehren seit einigen Tagen für das technische Personal der Gesellschaft für Förderung der Luftsch>ffahrt das Daimler'schc Motorboot „Württemberg" und ein kleines Luftschraubrmnotorboot. Ein weiteres Daimler'sches Motorboot wird in 14 Tagen emtreffen und von einer hiesigen Motorboot- gesellschast dem allgemeinen Personenverkehr übergeben werden. — Die Pläne und Kostenvoranschläge für Erbauung einer Quai-Straße vom Hafen bis zum K. Schloß, ausgearbeitet von Prof. Maurer in Stuttgart, liegen derzeit auf dem hiesigen Rathaus zur Einsichtnahme für die Bürgerschaft auf. Demnächst wird eine Bürgerversammlung zu dem Projekt Stellung nehmen. Der Kostenvoranschlag beträgt für das laufende w 362,37 Die Längs der Straße ist 1213 m. Der Gondelhafen ist innerhalb der Quaistraße beim Kaisrrdcnkmal vorgesehen.
Lind-au, 22. April. Heule Nachmittag V-4 Uhr ertönte der Ruf: Der Rangierbahnhof steht in Flammen." Letzterer befindet sich bekanntlich eine Viertelstunde außerhalb der Stadt und ist den mit der Bahn von Bregenz kommenden Reisendes als „Station Lindau Nangierbahn- hos" bekannt. Im Mittelraum der ziemlich langen, ganz aus Holz erbauten Zoll- und Güte, Halle war, vermutlich auf dem Dachboden, auf noch unaufgeklärte Weise Feuer ausgebrochen, das so rasch um sich griff, daß in kurzer Zeit nicht nur der dir Dienftzimmsr der bayrischen und österrcich. Beamten enthaltende Mittelbau, sondern auch der anstoßende Westflügel, die bayrische Zollhalle, ein Flammenmeer war. Die rasch herbeigeilten Fruerweh.abteilungen aus Lindau und den benachbarten Gemeinden richteten erfolgreich ihr« Hauptthärigkeit auf Erhaltung des Osiflügels, der Österreich. Zollhalle. Der ausgedehnte Holzbau wurde im Jahre 1874 bis zu der im gleichen Jahre erfolgten Eröffnung der (damals noch so benannten) Vorarlbergerbahn Lindav-Bludenz aufgeführt.
Berlin, 25. April. (Reichstag.) Auf der T.-O. steht heute dir 1. Beratung des Antrags Ln Hermann v. Sonnendsrg u. Gen. betreffend die Betäubung der Schlachttisre. Auf den Tisch des Hauses sind Instrumente zur Betäubung (Hammer und Maske), die der Berliner Tierschutzverein zur Verfügung stellte, niedergelegt. Vielhaben (Antisemit) begründet den Antrag, der im Wesentlichen verlangt, daß beim Schlachten aller Tiers, ausgenommen beim Federvieh, eine Betäubung vorausgehrn soll, und zwar beim Rindvieh unter Benützung der SchlachtmaSk--, und daß Schlachtungen nur von durchaus kundigen Personen arrsgeführt werden sollen, und zwar in Räumen, die dem Publikum nicht zugänglich sind. Redner weist auf die vielfach vorkommmd-n
Quälereien bei Schlachtungen hin. Im Ausland Habs man längst vernünftige Gesetzesbestimmungen. Redner geht dann auf die jüdischen Schächtvorschriften ein. Die einsichtigen Juden geben auch zu, daß diese Vorschriften keinen idealen Grund haben, dagegen ein Mittel bilden,, um die Juden eng aneinander zu gliedern. Präsident Graf BaIlestrem bittet, da das Haus sehr unruhig ist, ihm daS Verstehen des Redners nicht unmöglich zu machen. Vielhaben fortfahrend: Auch die sächs. Regierung fei nach eingehender Prüfung trotz jüdischer Eingaben zu der Ansicht gekommen, daß dir jüdischen Vorschriften einseitig und unberechtigt seien. Bei der Schächtung kämen die unerhörtesten Grausamkeiten vor. Bei dem Strecken des Halses können Rippenbrüche und andere schwere Verletzungen cintreten. Eine Reihe von ersten Autoritäten sei darin einig, daß die Schächtung eins Tierquälerei sei.
Berlin, 25. April. Der Vvssischen Zeitung wird aus London telegraphiert: Nach Berichten des gestern in Liverpool von Westafrika angekommenen Postdampfer Boma wurde ein allgemeiner Aufstand der schwarzen Truppen in Kamerun durch promptes Einschreiten der deutschen Militärbehörde verhindert. In der Station Buea im Kamerunaebirge verhinderte der deutsche Offizier die Meuterei der Negertruppen durch Anwendung einer List. Er erschoß vier Meuterer, dis übrigen wurden verhaftet und nach Kamerun gebracht.
Wien, 25. April. In militärischen Kreisen gilt es jetzt als feststehend, daß der Knegsnrinister eine Umgestaltung der Artillerie und die Einführung von Kanonen nach den in Deutschland und Frankreich bestehenden Systemen durchführen und von den Dels» gationen die nötigen Geldmittel verlangen wird.
Brüfsel, 25. April. Die gestern abend fest- gestellte Gesamrntzahl der ausständigen Bergleute in den vier Kohlen-Bezirken beträgt 60000, also etwa 50 Prozent der gesommten Bergleute. In MonS werden Ausschreitungen befürchtet. Infolgedessen ist dorthin Militär abgegangen.
Paris, 25. April. Wie der Figaro berichtet, habe der Hauptmann Freystätter, nachdem er dem Kossaticnshofe bargt legt hotte, daß er aus den Zeugenaussagen Henrys seine Ueberzmgung von der Unschuld des Dr-yfuS geschöpft habe, ferner in unzweideutiger Weise ohne Aufforderung und ohne in Einzelheiten einzugehen, seine Bestürzung und Unruhe darüber ausgesprochen, daß er als Mitglied des Kriegsgerichts von 1894 Teilmhmer an einer Un- grsetzlichkeir gewesen sei. — Das Echo de Paris will aus guter Quelle erfahren haben, daß der Kassationshof das Urteil noch vor dem 20. Mai fällen werdr.
London, 25. April. Reuters Bureau meldet aus Washington: Der deutsche Botschafter legte gestern namens der deutschen Regierung bei dem Staatssekretär Hoy formellen Protest gegen die Asußerungen des KopitänS Coghlan in dem Urion Lrague Club ein. Hoy erwiderte, daß der Kapitän Coghlan seine
Rede als Privatmann in einem privaten Club gehalten habe; dieselbe könne weder als offiziell oder offiziös angesehen werden, in dem Sinne, daß sie zu einer Aktion des StaaSsekretärs berechtigte. DaS Departement sei jedoch vollkommen befugt, solche Maoßrcgcln zu ergreifen, wie sie der Fall zu erfordern scheine. Der betreffenden Meldung zufolge, soll sich Staatssekretär Holleben damit zufrieden erklärt habe».
KsrMfchLss.
Lebensversicherungsbank für Deutschland in Gotha. Dis Grschäftsergebmffe der Gothaer Lebensversicher urigS bank, der ältesten und nach der Versicherungssumme größten unter den deutschen Anstalten di ser Art, sind auch im Jahre 1898 wieder recht günstig gewesen. Neue TodeSfallversicherunzen — schlechthin auf Lebenszeit oder mit Abkürzung auf ein bestimmtes Lebensjahr — wurden im Betrage von 43 282 500 -A verschlossen: es ist dies der höchste Jahreszugang seit Bestehen der Bank. Insgesamt waren Ende vorigen Jahres 90909 Personen mit 752 871860 versichert. Dis thalsächliche Sterbesallausgabe von 13311420 ^ blieb um 2 704484 hinter dem erwartungsmäßigen Betröge zurück, Der reine Jahresüderschuß stellt sich auf 8787627 ^ und ist ebenfalls der höchste, den die Bank bisher erreicht hat. Zu diesem ' Ergebnis hat neben dem Gewinn aus unterrechnungsmäßiger Sterblichkeit und neben dem überrechnimgs- müßigen Zinsertrag besonders der Umstand beigetragen, daß die Verwaltung; kosten auf dem außerordentlich niedrigen Satz von nur 5,06 °/° der Jahresemnahme gehalten werden konnten. Dre Fonds der Bank erreichten die Höhe von 240980039 worunter sich die als Sicherheitsfonds zurückgcstellten Ueberschüffe der letzten Jahre mit 38339286 ^ befinden. Hiervon kommt gemäß den Bestimmungen der Bankver- foffung im Jahre 1899 eine Dividende von 8376330 Mark zur Austeilung, an welcher die einzelnen Bankmitglieder je nach Art und Alter ihrer Versicherung mit 30 bis 137°/» der im Jahre 1894 eingezahlten Jahres-Normalprämie teilnehmen. Im ganzen hat die Bank während ihrer nun 70jährigen Wirksamkeit bereits 328 Millionen Mar! an fällig gewordenen Versicherungssummen «usgezahlt und 166 Millionen Mark als Dividende an ihre Versicherten zurückgewährt. Vertreter: F. Kübler, Calw.
Kandm. Kezirksverri«.
Am Mvntag, den Z. Mai d. I, Nachm. 2 Uhr, findet im Lauim in Neuweiler eine landw. Vereins-Versammlung statt, wobei Hr. Professor vr. Sieglin von Hohenheim einen Vortrag über Schweinezucht Hallen wird.
Jedermann ist hiezu freundlichst eingcladen. Calw, 22. April 1899.
Der Verrinsvorstand Obsromimann Voelter.
„O nicht doch, ich fühle mich stets wohl in dem Hause meines Gouverneurs, besonders seit in ihm Ihre Anmut in so liebenswürdiger Weise das Scepter führt."
„Halt — Hali, Herr Admiral," rief Anny lächelnd, „man sagt doch, Seeleute besäßen den schönen Vorzug, nicht schmeicheln zu können. Ei — ei, Sie sind auf dem besten Wegs diese gute Meinung zu vernichten."
„Wenn man so vielem Liebreiz gsgenübersteht, wird man unwillkürlich gezwungen, seiner aufrichtigen Verehrung Worte zu verleihen, cs ist also keine Schmeichelei, sondern nur Wahrheit. Glauben Sie mir Anny, ich würde die größten Freuden opfern, um mit Ihnen, so wie jetzt, wenige Augenblicks allein zu sein, und wenn," dieses für immer sein könnte, würde ich Alles — Alles hingeden. O Anny, lassen Sie es mich in diesem Augenblicke sagen, wie mein Herz nur allein für Sie schlägt, mit aller Hingebung, mit aller Verehrung, deren ein gereiftes Männerherz nur fähig ist. — Anny, Anny, ich flehe Sie an, erhören Sir mich, werden Sie mein Weib."
Man konnte es an dem Beben der Stimme hören, von welcher furchtbaren Bewegung das Innere des Admirals ergriffen wurde. Der Mann, der gleich- giltig oft genug Hunderte von Eingeborenen wegen geringfügiger Vergehen hatte hinmorden lassen, den Schmerz und Seelenpein Anderer vollständig unberührt ließ, hier in diesem Augenblick pochte sein Herz in qualvollen Schlägen und seine Blicke ruhten mit bangem, ängstlichem Ausdruck auf Anny.
DaS Antlitz Lady Whieltown'S hatte sich zwar bei den Worten TartarS entfärbt, doch unterbrach sie die Werbung nicht. Erst als Jener ausgesprochen «ntgegnete sie in festem, aber nicht unfreundlichem Tone:
„Ich weiß ihr Geständnis vollständig zu würdigen, Herr Admiral, ich achte
gewiß ihre Erfühle nach jeder Richtung hin, um so schmerzhafter ist es für mich. Ihnen sagen zu müssen, daß ich außer Stande bin, diese Neigung zu erwidern."
„Ich konnte nicht hoffen," antwortete Tartar gepreßt, „daß Sie mir schon gleich ein liebendes Herz entgegenbringen würden, das wäre zu gewagt gewesen, aber lassen sie mir wenigstens die Hoffnung, in einiger Zeit eine zusagende Antwort zu erhalten."
„Auch das darf ich nicht! Mein Herz hat schon gewählt. Grollen Sie mir nicht, Herr Admiral, sondern lassen Sie uns wie gute Freunde weiter zusammenleben. Tie Zeit wird gewiß die Wunde, die ich Ihnen heute vielleicht schlagen mußte, vernarben lassen. Und nun," fügte Anny gemessen hinzu, „gestatten Sie wohl, daß ich mich entferne." —
Als die Nichte des Gouverneurs, ohne Antwort abzuwarten, Tartar verließ, machte dieser eine Bewegung, als ob er folgen wollte.
„Anny," kam es wie ein unterdrückter Angstschrei aus seiner Brust, „Anny — erhören Sie mich !* Einen Augenblick blieb der Admiral noch wie im Kampfe mit sich selbst stehen, dann aber schritt er wieder in das Dunkel des ParkeS zurück, wo er sich auf eine der Bänke niedersetzte.
«Ihr Herz hat schon gewählt," stieß Tartar hervor, „abgewiesen — abgewiesen für immer ohne Hoffnung!" Und vom Schmerz übermannt schlug er beide Hände vor fein Antlitz, während aus feiner Brust krampfhaftes Stöhnen sich Bahn brach.
Durch die nächtliche Stille hörte man eine kurze Zeit später schnelle, energische Schritte und zugleich darauf erschien Lister in Offizier-Uniform.
(Fortsetzung folgt.)