580

in dem durch die Eyach, Steinlach, und den Neckar beschriebenen Dreieck genom­men zu haben. Ein dumpfes Rollen vor und nach der Erderschütterung war deut­lich vernehmbar, dauerte aber nur wenige Sekunden.

ff Wildbad, 28. Nov. Zu Ehren des nach Stuttgart beförderten Hrn. Bahn­hof-Inspektor Hörner hatte gestern im Gasthaus zumkühlen Brunnen" ein solenner Abschied statt, wobei alle Stände des Enzthales vertreten waren. Der scheidende Beamte, welcher auch in weiteren Kreisen durch seine Liebenswürdigkeit und Herzensgüte bekannt ist, verläßt nach mehr als vierjähriger Thätigkeit die hiesige Stadt, um seinem Wunsche gemäß die Bahnhof-Jnspektorsstelle in der Residenz zu übernehmen. Durch Leutseligkeit, wie durch seine reichen Erfahrungen auf ver­schiedenen Gebieten stand der Scheidende bei Hoch und Nieder des Enzthales in Achtung und Ansehen; die ihm speciell untergebenen Beamten und Diener sehen seinen Abgang nur ungern, da er durch humanes Handeln und strenge Rechtlichkeit ihre Liebe und Zutrauen in seltenem Maße sich erworben.

Der ganze Abend verlief in schönster Harmonie; es wechselten Musik und De­klamationen in dem geräumigen Saale bis Mitternacht. Jedem Besucher wird der schöne und genußreiche Abend noch lange in angenehnier Erinnerung bleiben.

tz Stuttgart, 27. Nov. 1872.

1,500,000,000 Franken oder

700,000,000 Gulden

werden berechnet als die Summe, die jähr­lich nach Paris floß, als jene Hauptstadt der Mode vor dem Kriege noch ihre unbe­strittene Herrschaft über die Welt be­hauptete. Diese Summe floß nach Paris, weil man es dort verstanden, den auf der ganzen Erde in großartiger Progression sich steigernden Wohlstand tributär zu machen, indem man ihn mit jenen Bedürf­nissen versah, die so viel zum Schmucke des Körpers, der Wohnung, des Lebens, und zur Erhöhung des Lebensgenusses beitragen. Die kunstgewerblichen Artikel, mit denen wir Zimmer u. Salon, Wände und Böden, Schreibtisch und Corridor, Tafel und Schränke u. s. w. ausstatten, sind für den Wohlhabenden unentbehrliche Bedürfnisse geworden; und sie werden immer mehr Bedürfnis und gesucht, in je weiteren Kreisen sich der Wohlstand ver­breitet. Der Käufer fragt nicht nach dem materiellen Werth; er betrachtet nur die künstlerische Bedeutung, die Wirkung auf das Schönheitsgefühl, die Gefälligkeit der Form, kurz den Geschmack. Nicht der materielle Werth, nur die Eleganz, die kunstvolle Arbeit kommt in Betracht und wird bezahlt; daher der große Gewinn für die Produzenten. Das ist eine kauf­männische Wahrheit, die von den praktische» Engländern vollkommen begriffen wurde, als im Jahre 1851 die erste moderne, von den Eisenbahnen ermöglichte Industrie- Ausstellung in London zu Stande gekommen. Wir müssen, sagten sich die Engländer,

unseren Geschmack verbessern, den der Consumenten, wie den der Produzenten. Und die Engländer griffen das Werk mit der ihnen eigenen Thatkrafl an; sie er­richteten für kunstgewerbliche Zwecke das Kensington-Museum; ein deutscher Künstler hat den Plan dazu entworfen, es ist Gotik. Semper, jetzt in Wien. Das Kensington- Museum wurde mit Zeichnungs- und Künstler-Schulen in Verbindung gebracht und erfüllte seinen Zweck so vollkommen, daß ans der Pariser Ausstellung von 1867 die Engländer als die ebenbürtigen Kon­kurrenten der Franzosen erschienen. Jetzt erst ging in Berlin, in Wien ein Licht auf. Wollen wir, so begann man dort zu erwägen, nicht den Engländern und Franzosen jährlich mit ungeheuren Summen für Luxus-Gegenstände zinspflichtig werden, so müffen wir ihrem Beispiele folgen. Es kostet ja nur eine geringe Anstrengung;

es kostet ja nur den einmaligen Auf­wand von ein paar Millionen, um unge­heure Summen dem Lande zu erhallen und um noch größere Summen als Ge­winn dem Gewerbestande zuzuwenden und in zweiter Linie die Rente der Landwirth- schaft rasch und bleibend zu erhöhen. Daher die Errichtung der beiden großen Gewerbe - Museen in Berlin und Wien; daher die Errichtung von Schulen, die den württembergischen Fortbilduugs - Schulen wie ein Ei dem anderen ähnlich sehen. Nur eine charakteristische Erscheinung 'er­lauben wir uns als Beleg anzuführen. In den gegenwärtigen Tagen findet, von dem Stuttgarter Kunsthändler Gutekunst unternommen, eine bedeutende Auktion von Ornament-Kupferstichen in der Lieder­halle zu Stuttgart statt. Es sind das meistens Blätter, die für das Kunstgewerbe von hohem Werthe sind. Zur Beiheiligung an der Auktion wurde Prof. Hermann Weiß mit einem Kredit von 50,000 Thlr. im Aufträge des Berliner Museums hier­her beordert. Er bringt seinen Kredit fast vollständig wieder nach Hause, weil er nicht wagen durfte, die Prelle zu bieten, die von englischen Agenten des Londoner Museums geboten worden. So lebhaft ist der Werth klassischer Vorbilder erkannt!

Württemberg ist das Land, dessen Ju­gend vielleicht unter allen europäischen Staaten die beste theoretische Schulbildung gewonnen. Die Wirkungen davon liegen bereits jedem Auge offen da; in allen größeren Städten des Landes hat das Kunstgewerbe seine ersten Keime getrieben und Wurzel geschlagen; in einzelnen Städten, so in Stuttgart, Eßlingen, Gmünd, Heidenheim, Geißlingen, Ulm u. s. w. hat das Kunstgewerbe bereits eine gewisse Entfaltung, zum Theil schon einen hohen Grad von Blüthe erreicht. Es kostet nur eine kleine Anstrengung, es kostet einen für die heutigen Verhältnisse nur unbedeutenden Aufwand und der geistige Samen, der in den gewerblichen Fortbildungs-Schulen mit so großem Flciße und mit so schönem Erfolge ausgestreut worden, geht auf zu herrlicher Entfaltung, zu unermeßlichem Segen für das ganze Land.

Miszellen.

Die KonsrreuM )U Donchäry.

(Fortsetzung.)

Einen Augenblick lang herrschte die größte Stille; man merkte sofort die Ver­legenheit des Generals Wimpffen wegen Eröffnung der Unterhandlungen, indessen brachte ihn die kaltblüllge Ruhe und Un­empfindlichkeit des Generals Moltke bald dazu, die Diskussion zu beginnen.

Ich wünsche", sagte General Wimpffen, die Kapitulations-Bedingungen kennen zu lernen, welche Seine Majestät der König von Preußen uns auszuerlegen beabsichtigt."

Moltke:Sie sind sehr einfach. Die ganze Armee ist kriegsgesangcn mit Waffen und Bagagen, man beläßt den Offizieren die Waffen *) als einen Beweis der Ach­tung für ihren Muth, doch werden dieselben in gleicher Weise kriegsgefangen sein wie die Truppen."

Wimpffen:Diese Bedingungen sind sehr hart; cs scheint mir, daß die franzö­sische Armee wegen ihrer Tapferkeit Besse­res verdient hätte, als das, was ihr ge­boten wird. Ware es nicht möglich, eine Kapitulation unter nachstehenden Beding­ungen zu erlangen: Man übergibt ihnen die Festung mit ihrer Artillerie; Sielassen aber die Armee mit ihren Waffen, Fahnen und Bagagen unter dem Vorbehalte ab- ziehen, daß dieselbe während dieses Krieges nicht mehr gegen Preußen dient. Der Kaiser und die Generale verpflichten sich für die Armee, und die Offiziere für ihre Person schriftlich zu denselben Bedingungen, nachher soll diese Armee nach einem von Preußen in der Kapitulation näher zu be­stimmenden Gebietstheile Frankreichs oder aber nach Algerien abgeführt werden, um dort bis zum Friedensschlüsse zu ver­bleiben."

Wimpffen sagt dann weiter:Ich kam vor zwei Tagen aus Afrika und zwar aus dem entlegensten Theile der Wüste, hatte bisher stets einen tadellosen militärischen Ruf; da überträgt man mir inmitten der Schlacht ein Kommando, und ich werde verhängnißvoller Weise hierdurch gezwungen, meinen Namen unter eine unglückliche Kapitulation zu setzen und für dieselbe alle Verantwortlichkeit zu übernehme», ohne die Schlacht selbst, von der diese Kapitulation nur die Folge ist, eingeleitet zu haben. Sie, der Sie gleichfalls Gene­ral sind, wie ich es bin, müssen besser, als irgend ein Anderer die ganze Bitter­keit meiner Lage begreifen: Ihnen ist es gegeben, diesen Schmerz zu mildern, sobald Sie mir ehrenvollere Bedingungen ge­währen; warum thun Sie nicht der­gleichen? Sollten Sie übrigens mir keine besseren Bedingungen gewähre» können, als diejenigen, die mir zuvor geboten wurden, so muß ich dieselben zurückweisen. Ich werde an meine Armee einen Appell er­lassen und einen Durchbruch erzwingen, oder aber in Sedan mich vertheidigen."

(Fortsetzung folgt.)

Redaction, Druck und Verlag von Jak.

*) Diese erste Zusage des Generals Moltke

wurde später zurückgenommcn. __

Me eh in Neuenbürg.