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Herrenberg, 23. Olt. AmKirchweih- „mittag wurde auf hiesigem Ralhhanse durch zz.^rrn Oberamtsrichter Römer nach eurer feierlichen Ansprache an die Beiheiligteu die erste Civiltrauuug vollzogen. Der Handlung wohnten nur einige Zeugen, ohne größeres Interesse von Seiten des Publikums, an. —JmHopsenhaudcl herrscht eine wehmüthige Stille, welche besonders die Gemeinde Nufringen, wo noch 100 Ctr. gute Wnare vorräthig sein soll, auffallend trifft. (St.-Anz.)
Blaubeureu, 23. Oktbr. Tausend und abertausend Unglucksfälle vermögen es nicht, die Arbeiter vorsichtiger zu machen. Wie viele haben schon in Lehm-, Sand- und Kiesgruben und in Steinbrüchen wegen mangelnder Vorsicht durch Verschütten ihren Tod gefunden! Ein solcher Uuglücksfall ereignete sich auch heute Vormittag in der Kiesgrube zwischen dem nahen Weiler und hier, wo mehrere Leute mit Ausladen von Kies beschäftigt waren. Die unterhöhlte Last löste sich ab und das herabstürzeude Kies schleuderte eine sunge, erst feit Kurzem verheirathete Frau so gewaltig au die Wagenachse, daß sie augenblicklich das Leben aushauchte und entseelt aus der Kiesmasse herausgegraben wurde. Die Arbeiter retteten sich. (2. M.)
Eilfinger Berg, 22. Okt. Der gestrige Verkauf des Weininost-s war nur von sehr wenigen Liebhabern besucht. Posthallcr Haberinaas von Maulbronn und Gasthofbesitzer Thudinm von Calw erhielten die besseren Sorten von weißem Burgunder und Riesling zum Preise von 33—32 fl. gw. Hektol.
O e st e r r e t ch.
Wien, 17. Okt. Die Volkszählung am 12. Oktober hat ergeben, daß Wien mit den Vorstädten 901,000 Bewohner hat.
A u s l a n d.
Zu der glücklich beseitigten Alabama- srage ist nun ein zweiter Streitpunkt, der mehr als einmal den Frieden zwischen John Bull und Bruder Jonathan bedroht hat, in das Fach der erledigten Akten niedergelegt worden. Die Insel San Juan ist vom deutschen Kaiser, der von den streitenden Theilen als Schiedsrichter angerufen worden, den Vereinigten Staaten zuerkanut worden. Damit hat dieses die Herrschaft über die Durchfahrt von britisch Columbien zmn Ozean umgekehrt. Im Jahr 18-16 hatten die beiden Nachbarn zu Washington einen Greuzvertrag abgeschlossen, der nur von einem Kanal als Grenzlinie spricht, während zwei Kanäle in dieser Gegend vorhanden sind.
Paris, 22. Okt. Der ehedem kaiserl. Minister Gramout ist gefährlich erkrankt; Ach sein Kollege Marschall Leboeuf soll I>ch in einem solchen Zustande der Aufregung befinden, daß seine Freunde für seinen Verstand fürchten. (Es war schon vor dem Kriege für den Verstand dieser Herren zu fürchten.)
Aus Holland wandern gegenwärtig! viele Arbeiter nach Elaß-Lothriugen eine In letzterem Lande sind die Löhne 5—6
Mal so hoch als in Holland, und finden daher diese Arbeiter hier zu Lande eine weit bessere Existenz als zu Hanse.
Miszellen.
Ein Priellcr-Geheimnis).
(Von Di-. B —e.)
(Fortsetzung.)
Der Aufenthalt meines Oheims bei meiner Mutter neigte sich zu Ende; ich hatte viele Mühe, mich von den kleinen Abschiedsfestlichkeiten fern zu halten, welche mehrere unserer Freunde ihm zu Ehren veranstalteten; meine Cousine Nelly machte mir oft wegen meiner Abwesenheit Vorwürfe, die ich nicht immer mit guter Art aufnahm, und einst, da ich durch ihre Klagen bedrängt, ihr eine übellaunige Antwort gab, sah ich Thräuen in ihren Augen schwimmen, und bereute sogleich meine Heftigkeit.
„Ach!" rief sie, „ich sehe wohl, daß du mich verabscheust."
„Ich, Nelly, im Gegentheil, ich liebe vich sehr, und werde niemals vergessen, wie oft du dich gegen mich so liebenswürdig gezeigt hast!"
„Und doch bist du so wenig liebevoll, so lang ich hier bin. Ach! wie schnell du mich vergessen wirst, wenn ich fort bin!"
„Dich vergessen!" O, niemals! Fürchte das nicht, gute Cousine."
„Wenn du mich ein wenig liebst, warum bist du daun so kalt gegen mich, Henry; hast du nicht gesehen, daß du mir oft wehe gethan hast, wie heute?"
„Ach!" sagte ich ihr, hingerissen von Ver Hingebung, die sie mir bewies, „du mußt mir deshalb nicht böse sein, Nelly, denn ich bin unglücklich, denn ich leide..."
Ich vercieth ihr beinahe meinen Schmerz: die Gegenwart meiner Mutter hielt mich ab, sie rief mir alle Gefahren eines Bekenntnisses in's Gedächtnis) zurück.
„Ich verstehe dich, Henry," sagte sie, mir die Hand drückend.
Ich sah im Gegentheil, daß sie sich täuschte und meinen Worten einen Sinn zuschrieb, den ich nicht in dieselben hatte legen wollen. Aber wiesle davon abbringen? Zum Glück sollte sie abreisen, und ihre Entfernung befreite mich von aller Verlegenheit.
Sie reiste wirklich ab, und da sie in der That reizend war, und mir eine ganz besondere Zuneigung bezeugt hatte, umarmte ich sie beim Abschied mit einiger Bewegung; sie wurde es gewahr und brach in Thräneu aus, indem sie sich wiederholt mir an den Hals warf.
„Nun, nun," sprach mein Oheim, indem er sie am Arme nahm, um sie in den Wagen zu führen, „wir gehen nicht nach Indien, und Rouen ist nicht der Antipode von Toul; deine Tante und ihre Kinder kommen nächstes Jahr auf Besuch zu uns, das ist abgemacht."
„Nelly lächelte durch ihre Thräiuu.
„Ist es wahr?" fragte sie meine Mutter, mit einem Blick ans mich.
„Allerdings, allerdings," wiederholte meine treffliche Mutter, indem sie selbst ihrer Nichte das hübsche Gesicht trocknete.
„Eine bethaute Rose," sagte mein Bruder, auf sie deutend.
„Ein schönes, gutes Mädchen," antwortete meine Mutter, sie zärtlich in ihre Arme schließend.
Der Wagen setzte sich in Bewegung, mau warf sich durch den Schlag noch Küsse zu, und als er um die Ecke der Straße uux Havres bog, sah ich das Taschentuch meiner Cousine, das mir noch ein letztes Adieu zuwinkte.
Einige Tage nach dieser Abreise war ich in das Seminar zurückgekehrt, als eine unbekannte Hand ein Schächtelchen unter meiner Adresse abgab; es enthielt ein Etui mit einem goldenen Ringe, auf welchem ein Myosotis, die Blume der Erinnerung, fein eingegrabeu war. Unten auf dem Etui fand ich ein Stückchen Band, worauf mit geschickter Hand die Worte gestickt waren: Vergiß mein nicht!
Ich dachte sogleich an meine Cousine, und diese Kundgebung ihrer Gefühle, welche ich allzu keck fand, verdroß mich und mißfiel mir; ich warf Schächtelchen, Ring und Etui in eine Schublade, und versprach mir nie mehr an meine Cousine zu schreiben, und nie nach Rouen zu gehen. Ich war -Nelly sehr böse, daß sie solcher Art die Pflichten des geistlichen Standes, dem ich mich bestimmte, vergaß, und dachte in meiner Ungerechtigkeit nicht einmal daran, daß Paula mein Herz erfüllte; aber in seiner Selbstsucht ist der Mensch voll solcher Jnconsequenzen!"
Ein halbes Jahr nach diesem Vorfall starb Vater Charpin, und so war ich des Glücks beraubt, welches ich empfand, wenn ich Paula's Namen hörte.
Es ist beinahe ohne Beispiel, daß eine Leidenschaft ohne Nahrung lange Zeit denselben Grad von Intensität behält; die Abwesenheit erkältet alle Herzen, und die Unmöglichkeit ist ein Stillmittel für alle Organisationen. Ich hatte für mich diese beiden heroischen Mittel; ich hatte überdies die Herrschaft meiner Pflichten, und jene andere Leidenschaft für Wissen und Studium, welche von Jahr zu Jahr mich mehr in Anspruch nahm.
Es kam ein Zeitpunkt, wo der Gedanke au Paula nur die süßeste und erregendste meiner Erinnerungen war; sie erschien mir durch Raum und Zeit hindurch wie eine himmlische Gestalt, unter deren Ausruf ich meine Lieblingsträumereien stellte. Sie mischte sich selbst unter meine Sehnsucht nach dein Priesterthum, nicht das Bedauern und Hinderniß, sondern ich fand eine gewisse Süßigkeit darin, das Opfer dieser reinen, erloschenen Liebe Gott darzubringen.
Ich befand mich am Vorabend des Zeitpunktes, da ich durch unauflösliche Lande mich verpflichten wollte, als die Jnlirevo- lution ausbrach.
Meine Mutter zählte unter ihre Freunde Monseigneur *"x, dessen erhabener, wohlwollender Geist tiefe Erinnerungen in der Diöcese znrückgelassen hat. Er hatte mir oft Beweise einer ganz väterlichen Zuneigung gegeben, und gefiel sich darin, selbst meine Studien zu leiten.
An einem der ersten Tage des Augusts 1830 ließ er mich in sein Kabinet rufen.
(Fortsetzung folgt. >