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gestern das Modell hiehergesendet hat. Die Vorbereitungen für den Guß haben bereits begonnen.
Stuttgart, 23. Oktbr. Heute ist die volkswirthschaftl. Kommission der Kammer der Abgeordneten zur Berathung der Eisenbahngesetze zusammengetreten.
Gmünd, 23. Ott. Montag Nachmittag war der Marktplatz hier, auf welchem des Kirchweihjahrmarktes wegen eine große Menschenmenge ahnungslos sich bewegte, der Schauplatz eines beklagenswerthen Un- glücksfalles. Es rannten 2 scheugewordene Bauernpferde sammt einem Wagen mitten in den Marktverkehr hinein, und es wurden hiebei eine Frau und zwei Kinder überfahren, sowie mehrere Marktbuden umgeworfen.
Ausland.
Die Ersatzwahlen in Frankreich sind, soviel bis jetzt bekannt, zu Gunsten der Republikaner ausgefallen. Nur in Morbihan hat der klerikale Candidat Martin gesiegt. Die Bouapartisten sind trotz ihrer republikanischen Wahlmanifeste unterlegen. Im klebrigen streiten sich die Zeitungen noch, ob der Sieg den radikalen oder den gemüßigten Republikanern gehört.
Miszellen.
Ein Priester-Geheimiliß.
(.Von vr. B —e.)
(Fortsetzung.)
Wahrend er so sprach, begann er die, Läden zu schließen und mit eisernen Stangen zu befestigen.
„Das ist Panla's Zimmer," sagte er, auf ein in den Garten gehendes Gemach deutend.
Ich sprang, wie von einer Feder in Bewegung gesetzt, auf und trat hinein.
Es war ein ländliches Zimmer, worin sich Weiß und Blau zu einem harmonischen Ensemble vereinigten; ein großes Piano nahm beinahe den ganzen Hintergrund ein. Ich trat naher, und legte mechanisch eine meiner Hände aus die Tasten; der Accord, den ich hören ließ, weckte in mir eins ganze Welt von Erinnerungen, ich schloß die Augen, mich an jenen Schwingungen erfreuend, als ob sie mit mir von Paula geredet hätten. Die Stimme des alten Hausmeisters entriß mich dieser zugleich peinlichen und süßen Erregung.
„Wenn Sie einmal da sind, HerrHenrp," sagte er zu mir, „so könnten Sie wohl ein wenig mit Hanv anlegen, um die Ein- gangSthür zu schließen, die Riegel sind sehr schwer und meine Arme nicht mehr zwanzigjährig."
„Ich schickte mich an, dem ehrlichen Alten zu folgen, aber ehe ich Paula'S Zimmer verließ, überschaute ich es mit einem letzten Blick; das Bett war eingedrückt, das weiße Kopfkissen, etwas bei Seite geschoben, bewahrte noch den Druck ihres Kopses, ein Reis von geweihtem Buchsbaum war ohne Zweifel im Augenblick, wo eine fromme Vorsorge den Zweig losgemacht hatte, um ihn mitzunehmen, ans das Kopfkissen gefallen; ich wollte di seS geringe Uebcrbleibselin meinenBesitz bringen
und fand, indem ich mich auf die leere Stelle bückte, jenes unbestimmte Parfüm wieder, das ich oft, wenn Paula an mir vorbeiging, eingeathmet hatte; ich glaubte mich einer Ohnmacht nahe, und mein Schluchzen erstickte mich fast. Ich riß mich endlich von diesem Orte los, indem ich das Buchsbaumreis, ein kostbares Andenken an Paula's Zimmer, wohin ich nie mehr wiederzukehren glaubte, an meiner Brust verbarg.
Ich sollte es Wiedersehen, und unter welchen Umständen, großer Gott!
„Ich kehrte, ohne bemerkt zu werden, in das Haus meiner Mutter zurück: ich brachte eine grausame Nacht zu, das Hn'z von einem Schmerz erfüllt, allzulebhaft, um auf die Nathschläge der Vernunft und Pflicht zu hören; die Fähigkeit zu leiden, sprach so laut in mir, daß sie Alles beherrschte; es gab damals nur einen deutlichen Punkt in meinem Geiste: die Verzweiflung, Paula verloren zu haben. Dieser Zustand verlängerte sich; Alles wurde mir traurig und herb, mein Charakter verbitterte sich, meine Freunde und meine Lehrer erkannten mich nicht mehr; meine Seele war wie gelähmt, und einen Augenblick kam es mir vor, als könnte ich nichts mehr lieben. Die treuherzige Erzählung meiner Illusionen und Schmerzen könnte jenen frühreifen jungen Leuten, welche von früher Jugend an die Erfahrung und Erschöpfung leidenschaftlicher Gefühle haben, ein Lächeln erregen. Um mich zu verstehen, muß man sich erinnern, daß Herz und Phantasie bei mir mit achtzehn Jahren so rein, wie sonst mit zwölfen waren, und daß meine Liebe zu Paula die Explosion aller Kräfte einer liebenden Natur bildete, die bis dahin von einem strengen, im Schooße einer frommen Familie und im Schatten eines Seminars zugebrachten Leben znrückgehalteu worden waren.
(Fortsetzung folgt.)
Ein Dienstmädchen, demManches nicht paßt. Zu dem Kaufmann Cas- per in Berlin war am 4. April d. I. Friederike Gcabert in Dienst gezogen; dieser Dienst war jedoch nur von kurzer Dauer, denn schon am 14. desselben Monats hatte er sein Ende erreicht. Am letzgenannten Tage war Friederike ohne Abschied, ohne Lohn und ohne Gesindebnch abgegangen, um daun am Abend in Gemeinschaft ihres Cousins, des Schankwirths Friedrich Näthe und der Wirthschafterin Wilhelmine Müller in dem Laden des Casper zu erscheinen und die sofortige Herausgabe des Dienstbuchs zn verlangen. Die drei Personen traten sehr entschieden aus und Näthe fuchtelte sogar, als Casper die Aushändigung des Dienstbuchs verweigerte, diesem unter Drohungen mit einem Stocke unter der Nase herum. Vergebens wurden sie von Casper wiederholt aufgefordcrt, den Laden zu verlassen, und es bedurfte erst der Intervention eines Schutzmannes, um sie zu entfernen. Die Folge war eine Anklage wegen gemeinschaftlich begangenen Hausfriedensbruches gegen die drei genannten Personen, welche kürzlich vor der siebenten Criminal-Deputation verhandelt wurde.
Friedericke Grabert, die Hauptperson in der ganzen Aftaire, hatte Behufs ihrer Vertheidigung ein Schriftstück zu den Akten reichen lassen, dessen Inhalt darin gipfelte, daß die Herrschaft ihr mannigfachen Grund zur Unzufriedenheit gegeben hatte. Diese Vertheidigung führte sie im Audienz-Termin mündlich mit großer Zungenfertigkeit aus. Da war zuerst die Anzahl der Kinder, die nach Friederiken's Ansicht das gebührende Maß überschritt. „Frau Caspar" — so ließ die Angeklagte sich hören — „sagte, als sie mir miethete, sie habe blos fünf Kinder und das sind vor'n einzelnes Dienstmädchen gewiß genug; als ich mi aber zuzog, waren aus die fünfe schon sieben Kinder geworden. Nann bitte ich Sie, sieben Kinder, die passen mir doch nicht. Aber das war noch nicht Mens. Herr Casper verlangte von mir, ich solle Stiebeln putzen und das paßte mir doch nicht. Aber hören Sie weiter. Frau Casper sagte, als sie mir miethete: „Friedericke, Du hast alle vierzehn Tage Deinen Sonntag zum Aus- gehen. Gut. Nu wird es Sonntag und wird wieder Sonntag. Also will ich mir anziehen zum Ausgehen; da schickt mir Herr Caspar durch seinen Sohn die Stiebeln zum Putzen. Na, das paßt mir doch nicht. „Was?" sag' ich, „heute will ich mir putzen, aber keeue Stiebeln putzen, heute ist mein Sonntag." Was aber sagt die Herrschaft: „Friederike," sagt sie, „Du hast alle vierzehn Tage Deinen Sonntag; am 4. April bist Du zugezogen, heute ist der 14. April, also bist Du noch nicht vierzehn Tage hier und kannst noch keinen Sonntag haben." Na, das paßt mir doch nicht. Ick sage: „Stiebeln putze ich überhaupt nicht, des habe ich schon gesagt und heute ist mein Sonntag." Wie aber der Nachmittag und die Zeit zum Ausgehen kommt, da gibt mir Frau Caspar Windeln zu waschen. Na, das paßt mir doch nicht. Also und weil das Alles nicht paßte, bin ich meiner Wege gegangen."
Friederikeus Versuch, sich von aller Schuld frei zu mischen, mißlang; auch die Windelwäsche konnte dabei vor den Richtern nicht in die Wagschale fallen. Alle drei Angeklagten wurden zu der niedrigsten Strafe, die das Strafgesetz für einen gemeinschaftlich begangenen Hausfriedensbruch kennt, zu einer Woche Gefängniß verur- theilt. Mit den Worten „Das paßt mir doch nicht" verläßt Friedericke den Gerichtssaal.
Weizen in Kalifornien. Der Ueberschuß an Weizen in Kalifornien belauft sich in diesem Jahre auf 10,000,000 Bnshel, d. i. zweimal soviel als in irgend einem Jahre seit 1865. Die Qualität des Getreides ist eine vorzügliche.
LT* Für die Monate November und Dezember nehmen sämmtliche Poststellen, im Bezirk auch die Postboten, Bestellungen auf den
„Enzthälc r"
zu 2/s des Qnartalpreises an.
RedaeUon, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbü