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Gmünd, 7. Okt. Nachdem schon vor Vr Jahre der Professor am hies. kath. Schullehrer-Seminare Hang in den Reichsdienst übergetreten und ins Elsaß abgegangen, ist demselben heute der Schullehrer Vetter von hier gefolgt. Ersterer ist Semeuardirektor in Schlettstadt, letzterer Schulinspektor in Nappoldsweiler.
Heilbronn, 5. Okt. Obstmarkt. Der Verkauf ging auch heute wieder sehr lebhaft uud wurde das zu Markt gebrachte Quantum mit ca. 1000 Ztr. rasch verkauft. Preis 3 fl. 24 kr. bis 4 fl. 42 kr. pr. Ztr.
Heilbronn, 5. Okt. Kartoffelmarkt. Die heutigen Zufuhren betrugen ca. 50 Ztr. Bei raschem Absätze stellten sich die Preise von 1 fl. 27 kr. bis 1 fl. 50 kr. pr. Ztr. (S. M.)
Tübingen, 5. Okt. Trotz der starken Zufuhr zum gestrigen Obstmarkt sind die Preise abermals höher gegangen. Es wurden 7 fl. 30 kr., 8—9 fl., für Mostbirnen sogar bis 10 fl. per Sack bezahlt; auf dem Bahnhof kostet Schweizer Obst 6 fl. 48 kr. bis 7 fl. per Sack von 5 Simri. — Kartoffeln galten 4 fl. bis 4 fl. 36 kr. u. 48 kr. per Sack. — In den Hopfenhandel will immer noch kein rechtes Leben kommen. Es kommen zwar täglich einzelne Käufe für Bierbrauereien vor, allein der Handel im Ganzen bewegt sich in der Stadt in engen Grenzen, wogegen in einzelnen Orte», besonders im Ammerthal, ganz aufgeräumt wird. Die Preise stellen sich je nach Qualität auf 42, 44, 45, 48 u. 50 fl., einzelne bis 55 fl. (T. K.)
Oesterreich.
Der Süden Ungarns geht einem traurigen Winter entgegen. Wie man der Presseischreibt, beträgt im Toroutaler Komi- tat allein der heurige Ernteansfall anderthalb Millionen Bietzen. Viele Gemeinden haben nicht einmal daS nöthige Saatkorn und werden ohne Negierungs-Unterstützung den Winter nicht überdauern können. Deni entsprechend verhält es sich mit dem Eingang der Steuern. Die Stenerrückstände sollen in diesem Komitate über sieben Millionen befragen und Torontal ist einer der fruchtbarsten Komitate des Landes.
Ausland.
Zwischen Thiers und Gambetta ^ scheint der offene Krieg ausgcbrochen zu ^ fein. Gambetta, der sich längere Zeit zu- I rückgehalten, scheint sich nicht mehr haben ^ zügeln zn können. Auf seiner Rundreise im Süden Frankreichs hat er, nachdem der Gedanke, daß die Republik in Frankreich enstiren müsse, siegreich durchgebrochen zn sein scheint, plötzlich die verhängnißvolle Frage, „welche Republik", aufgeworfen. Da er natürlich die radikale Republik vcr- ^ tritt, so heißt das so viel als der konservativen Republik des Herrn Thiers den Handschuh hinwerfen.
Miszellen.
Ein Priester-Geheimnis.
(Von vr. B — e.)
(Fortsetzung.)
„Vater Charpin faßte, wie man sich leicht vorstelleu kann, eine lebhafte Freundschaft für mich, und während er mit Dankesbezeugungen und seinen Kriegsgeschichten mich fast erdrückte, schaute ich durch ein kleines, niedriges von Jungfernreden und Aristolochien halb verdecktes Fenster, von dem aus man die Lindenallee vor Augen hatte.
„Es traf sich beinahe immer, daß ich Paula aus- oder eingehen sah; zuweilen ging sie sogar unter den alten Bäumen mit einem Buche spazieren; ich folgte mit Entzücken den Bewegungen ihrer feinen und geschmeidigen Gestalt, welche mich an die Wellenbicguugen einer jungen Palme erinnerten. War es eine Illusion? Es schien mir, ihr Schritt verkürze sich, wenn sie auf mich zukam; einige Male drehte sie sich halb um und warf einen Blick nach dem Häuschen von Vater Charpin. Sah sie mich? Errieth sie mich? Entschlüpfte Etwas aus dem Innersten meines Herzens, was sie beunruhigte oder verwirrte? Wer weiß es? . . .
„Diese Fragen drängten sich meinem Geist auf, ohne mein Glück zu ändern; zu lieben genügte mir; geliebt zu werden, war für mich nur der Reiz einer fernen Hoffnung; ich wußte damals nicht, daß diese süßen Eindrücke nicht lange für das Herz des Menschen ausreichen; doch fühlte ich mich auf Augenblicke von einem geheimen Verlangen beherrscht, von Paula bemerkt zu werden, und Alles begünstigte mich in jenem glücklichen Zeitraum so sehr, daß die Gelegenheit sich von selbst darbol, um meinen innigsten Wunsch zu befriedigen. '
„Das Ende des Schuljahrs näherte sich. Man beschäftigte sich viel um mich herum mit Vertheilung der Preise. Es ist immer ein Ereigniß in einer kleinen Stadt, und dis Gegenwart zweier Bischöfe sollle es dieses Mal noch feierlicher als sonst machen. Der Gebrauch wollte damals in unseren Seminarien, daß ein Zögling der Rhetorik bei diesem Familienfeste einen Vortrag hielt; ich wurde durch die einstimmige Wahl meiner Mitschüler und meiner Lehrer dazu ausersehe». Ich dachte sogleich an meine Mutter und an Paula; in den Träumen meiner Einbildungskraft sah ich voraus die Stirne meiner Mutter vor Glück strahlen, uud das reizende Gesicht Paula's zu meinein Triumphe lächeln. Ich suchte ängstlich nach einem Thema, über das meine Seele sich ergießen uud ihr Inneres aus- lasscn konnte: ein sehr trauriges Ereigniß lieferte dasselbe.
„Mitten in seinem eifrigen Wirken raffte ein plötzlicher Tod den ehrwürdigen Pfarrer an der Kathedrale hinweg. ES war ein Mann, den man wegen der Ueber- legenheit seines ^Geistes überall bewundert hätte; aber seine mannigfaltigen Kenntnisse, die beredte Kraft seiner Worte, das Ausgezeichnete in seinem Benehmen verloren sich in einem Sirahlenschein von Tugenden,
in einer evangelischen Nächstenliebe, welche ihn zum Vater und zur Vorsehung für Jedermann gemacht hatte. Von den Neichen ausgenommen, von den Armen angebetet, hatte er in dieser Welt jene Ehren- und Freudenkrone empfangen, welche die Segnungen der Armen geben. Sein Tod war ein öffentliches Unglück; die ganze Stadt begleitete ihn an sein Grab. Ich hatte ihn gut gekannt, sehr geliebt, ihm beschloß ich eine Lobrede zu halten, und fühlte, daß mein Schmerz und das allgemeine Bedauern mich beredt machen würden.
„Der Erfolg übertraf alle meine Erwartungen. Erhoben von meiner Liebe, von der Gegenwart meiner Mutter, von dem Anblick Paula's und ihrer Familie; ermuntert durch die wohlwollenden Blicke, welche meiner Jugend zuzulächeln schienen, gehalten von einem Gegenstand, der ein Echo in allen Herzen fand, überließ ich mich mit jugendlicher Zuversicht und Wärme dem raschen Strom meiner Eindrücke und meiner Ideen; ich fühlte mich entzückt von der stets zunehmenden Sympathie meines Auditoriums, und als ich bei den Tönen meiner von Rührung gebrochenen Stimme Thränen aus allen Augen fließen und Schluchzen die Brust Paula's heben sah, zitterte mein Herz vor unsäglicher Freude.
„Ich stieg von der Rednerbühne herab: der ganze Saal erhob sich, um mir gleichsam in die dunkle Ecke zu folgen, wohin ich mich zurückzog, um in meinem Glück mich zn sammeln. Bald vertheilte man die Kränze; mein Name, zehnmal genannt, wurde von theilnehmendem Beifallrusen begrüßt, weniger süß meinem Ohr, als die melodiöse Stimme, welche in der Tiefe meines Herzens sang; damit nichts zu dem schönen Tage fehle, sah ich nach vollendeter Ceremonie den Blick Paula's, der noch von Thränen verschleiert sich senkte, als er dem weinigen begegnete, während eine flüchtige Nöthe ihre schöne Stirn mit Purpur bedeckte.
„Als ich mich meiner Mutter wieder anschloß, war sie von alle» meinen Freunden umringt, welche herbeigecilt waren, ihr Glück zu wünschen; sie sagte mir nichts, aber sie drückte mich so zärtlich an das Herz, daß ich wohl fühlte, sie sei glücklich! am Abend nahm sie mich, wie gewöhnlich, zu einem Spaziergang mit; mit einem feinen Gefühl der Schicklichkeit vermied sie die viel betretenen Wege und verlor sich mit mir unter die einsamen Schatten.
,„Nun'. Henry/ sagte sie zu mir, pvas willst du dieses Jahr mit deiner Vakanz anfangen; du wünschest feit langer Zeit ein wenig zu reisen; willst du einen Monat bei deinem Oheim in Rouen zubringen? Er wird entzückt sein, dich zn scheu?
„Nein, Mutter, ich wünsche bei dir zn bleiben.
,„Zwei Monate, das ist sehr lang, mein liebes Kind; jetzt, da du beinahe ein Mann bist, gibt es hier wenig Zerstreuungen für dich.
„Mit meinen Freunden, meinen Büchern und dem Glück, dich alle Tage zn sehen, werden sie im Gegentheil bald vorüber sein.
(Fortsetzung folgt.)