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Formulare zu «Vorladungen sind dm Ortsvorstehern zugegangen. Die Eröffnungsur­kunden sind dem Oberamt spätestens bis 4. März d. I. vorzulegea.

5. Die G-meindebehörben können von der Ge­stellung nicht entbinden. Wer durch Krankheit ver­hindert ist, zu erscheinen, hat ein ärztliches Zeugnis einzmeichen, weiches von der Gemeindebehörde be­glaubigt sein muß, wenn der betreffende Arzt nicht amtlich ongestellt ist.

Gemütskranke, Blödsinnige, Krüppel u. s. w, dürfen auf Grund eines derartigen Zeugnisses von der Gestellung durch das Oberamt befreit werden.

6. Di« Militärpflichtigen haben mit rein- gewaschem-m Körper und reiner Wäsche zu erscheinen. Diesenigen, welche an Schwerhörigkeit zu leiden behaupten, haben das Innere des Ohrs gründlich zu reinigen, um eine Untersuchung zu ermöglichen; auch haben sie, wenn möglich, amtlich beglaubigte Zeugnisse ihrer Lehrer, Geistlichen rc rc bei- zubrmzen, desgleichen solche, welche stottern oder schwachsinnig oder stumm oder taub sind. Wer an Epilepsie zu leiden behauptet, hat auf eigene Kosten drei glaubhafte Z-ugcn zu stellen oder ein Zeugnis r'nes beamteten Arztes beizudringen.

7. Die Ortsvorsteher haben sich mit den Stammrollen von 1897. 98 und 99 zu der bezeichnet»» Zeit im Musterungblokal zur Musterung emzufinde», bei der Losung dagegen nicht. Die Stammrollen werden bei der Musterung ergänzt; di« Losnummern sind auf Grund der Losungsscheme, wenn diese vom Oberamt den Ortsvorftehsrn behufs Ausfolge an dis Pflichtigen zugesendet werden, einzutragen.

Die Ortsoorsteher sind dafür verantwortlich, daß die Pflichtigen der der Musterung vollzählig und rechtzeitig sich einfindm. Denselben ist zu bedeuten, daß alles Lärmen und jede Störung der Verhandlungen strenge bestraft werden wird. Auch haben die Ortsvorfüher darauf zu s hcn, daß die Militärpflichtigen sich in den Ortschaften rnhig und anständig aufsühren, und ist gegen j den Unfug nachdrücklichst eivzuschrciten.

8. An- und Abmeldungen von Pflichtigen sind alsbald dem Oberamt anzuzeigen, bei Anmelvungen unter Anschluß der LosungSscheino.

9 Anträge auf Zurückstellung oder Befreiung vom Militärdienst (Rektamatiousgesuche) sind spätestens im Musterungstermin, womöglich aber bis zum 1. März einzureichen und wird hiewegen auf die oberawtl. Bekanntmachung vom 30. Januar d. I, Wochenbl. Nr. 14, verwiesen. Die Verhandlungen hierüber, sowie über die Klassifikation der Mann­schaften der Reserve rc. finden Heuer sämtlich auf dem Rathaus in Calw am Mittwoch, 15 . März, statt.

Calw, den 21. Februar 1899.

K. Oberamt.

Voelter.

Tagesnruigdriten.

Stuttgart, 15. Febr. lieber die Lage der Landwirtschaft in Württemberg entwirft das Mitglied der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, Oekonomierat Stirm in derSchw. Chr." auf Grund von Gutachten hervorragender Sach­verständiger ein ausführliches Bild. Trotz des im

Ganzen befriedigenden letzten Ertragsjahres ist hiernach die Lage unserer Landwirte keine beneidenswerte. Zwar haben die Körnererträge der Halmfrüchte, welche immer noch nahezu */- des gesamten Ackerlandes einnchmen mit Ausnahme der Gerste den langjährigen LandeS- mittclrrtrag in 1898 etwas überschritten. Ebenso waren die Futtererträge durchaus mittlere und die Rübsnerträge haben sogar den Durchschnitt bedeutend überragt. Stroh gab es in Menge. Die Preise für die Tiere und ihr» Produkte waren günstig. Nur dis Kartoffelernte zeigte ein starkes Defizit. Für die Weingärtncr war das verflossene Jahr eines der ge­ringsten, ja für viele ein Fehljahr. Und was die bäuerlichen Kreise beklagen, sei der Umstand, doß die Getreidepreise immer noch nicht auf derjenigen Höhe stehen, welche den Produktionskosten entsprechen würden. Im Hinblick auf die Dienstbotennot, die geringeren Leistungen, die vermehrten Ansprüche der Leute dränge sich Jed-m, der fremde Arbeitskräfte braucht, die Frage auf: Wo will es noch hinaus? Nur mit schwerer Sorge könne der Landwirt in die Zukunft schauen: Pflanzen- und Tierkrankheiten und schädliche Naturereigmsse schmälern die Erträge, Löhne, Steuern und Abgaben aller Art steigen, so daß der Reinertrag von Grund und Boden notwendigerweise fallen muffe, wenn der Staat nicht durch genügende Schutzzölle in's Mittel trete und überhaupt die Nationalpolitik darauf gerichtet sei, zur Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden Bauernstandes alles Mögliche zu thun. Auf die beachtenswerten Wmke der Sachverständigen bei Be­trachtung der Lage in den einzelnen londw. Zweigen» hauptsächlich der Tierzucht dürfte gelegentlich noch einzugehen sein.

Stuttgart, 17. Febr. Heute früh 7" Uhr ist in einem Lampengeschäst in der Tübingerstraße eine Gasexplosion entstanden, wobei an dem Gebäude 5 Schaufenster zertrümmert und ein Gesamt- schaden von ca. 1500 ^ verursacht wurde. Verletzt wurde niemand. Die alarmierte Hauptfeuerwache kam noch in Thätigkeit. In dem Lokal befand sich ein automatischer GaserzsugungsapparatHelios", welcher alsabsolut gefahrlos" empfohlen ist. Unter­stützung ist eingeleitet.

Stuttgart, 19. Febr. Die Kosten des Landtags sind für di« folgenden Etatsjahre auf je etwa ^ 288000 veranschlagt. Hierunter stehen neben den Gehältern der Präsidenten und Beamten je ^ 23 000 für Diäten der Ständsmitglicder und zwar 105 300 für die zweite Kammer und 17 700 ^ für die erste Kammer, deren Mitglieder bekanntlich ebenfalls befugt sind Diät-n anzusprechen. Die 4 be­ständig anwesenden Ausschußmitgli.der erhalten eine Vergütung von je 21000 Auf die Staatsschulden­kaff?, deren Aufwand ebenfalls aus der ständischen Kaffe bestritten wird, sind pro Jahr gegen 140 000 exigiert. Neu in diesem Spezialität ist die Anstellung von Kammerstenographen als Beamte unter dem Vor­behalt ^jähriger Kündigung. Man hält dies für nötig mit Rücksicht darauf, daß die Bestellung der erforderlichen Stenographen immer schwieriger geworden ist. Es mußten Stenographen von München, Berlin, Dresden, ja selbst Wien mit teilweise großen Kosten verschrieben werden und trotzdem gelang die Voll-

ständigmachung des Stenographenbureaus nicht immer rechtzeitig. Der Nachwuchs an brauchbaren ParlamentS- stenographen entspricht dem gesteigerten Bedarf nicht und die nicht zahlreichen der Sachs hinreichend Mäch­tigen streben alle nach festen Stellungen. Der Reichs­tag besitzt 7 pensionsberechtigte Stenographiebeamte mit Gehalten von 36000 Verschiedene Bundes­staaten sind diesem Beispiel gefolgt. Bisher erhielt in Württemberg während der Session ein Stenograph ein Taggeld von 1215 ausnahmsweise 18 ^5, künftig sollen zunächst 3 Stenographiebeamte der zweiten Kammer mit 1200 ^ und einer Zulage von 8 ^ pro Sitzungstag angestellt werden. Nach dem Durch­schnitt der letzten 5 Jahre berechnete sich die Sessions­dauer des würlt. Landtags auf 85,4 Tags. Der für 1899 eingestellte Etatssatz von 19693218 ^ (2 705 005^) entspricht dem nach dem Entwurf des Reichshaushaltetats sich ergebenden Matricular- beitrag Württembergs für 1900 ist in Ermangelung von bestimmten Anhaltspunkten für eins anderweite Schätzung die gleiche Summe eingestellt. Dem reinen Matr'cularbcitrag stehen Uebeiweisungen aus der Reichskaffs von 18978470 gegenüber. Der Aufwand an Po stporto für die Staatsbehörden wird um 20 000 auf 530000 ^ erhöht. Die Veränderungen im Etat bieten für das allgemeine Publikum nichts Interessantes.

Berlin, 17. Febr. Der Kaiser sandte an die Witwe des Präsidenten Faure ein Beileids- t«l e g r a m m und beauftragte den Botschafter Grafen Münster, der französischen Regierung seine Teilnahme auszufprechen und «inen Kranz am Sarge nieder­zulegen.

Berlin, 17. Febr. Bei Eröffnung der heutigen Reichstag-Sitzung ergriff Reichskanzler Fürst Hohenlohe das Wort, um dem Hause die Mit­teilung von dem Ableben des Präsidenten der fran­zösischen Republik zu machen. Der Reichskanzler fuhr dann fort: Ich bin gewiß, daß die Vertretung des deutschen Reiches sich eins mit seiner Majestät dem Kaiser und den verbündeten Regierungen weiß, in dem Ausdrucke warmer und herzlicher Sympathie«» für die französische Nation, welche den Heimgang eines Mannes beklagt, der als Staatsoberhaupt unentwegt die großen Interessen des Friedens, der Eintracht und der Wohlfahrt gefördert hat. (Beifall.) Eingedenk des gemeinsamen Bandes, welches alle Völker umschließt, geben auch wir unserer Trauer Ausdruck, über den Verlust den das französische Volk erlitten hat. Sämt­liche anwesende Mitglieder hatten sich bei den Worten des Reichskanzlers von ihren Sitzen erhoben.

Berlin, 18. Febr. (Deutscher Reichstag.) Am Bundesratstische niemand. Zunächst wird ein schleuniger Antrag auf Einstellung eines gegen den Abgeordneten Stadthagen schwebenden Strafverfahrens für dir Dauer der Session der GeschäftS-Ordnungs- Commission überwiesen. Es folgt Fortsetzung der Besprechung der Interpellation Johannsen. Abg. Lenzmann (frs. Vp.) kritisirt das Verhalten der

Laß es begraben sein zwischen uns, Lothar," bat der Kaufherr, den die zunehmende Fieberglut im Antlitz des Patienten ängstigte,niemand weiß um das unselige Geheimnis; besser es bleibt vergessen."

Albrecht, ich sagte Dir noch nicht alles," stöhnte Trahlow, die Faust an die Stirn pressend,sie hat sich zur Verbrecherin gemacht sie hat mit durchstochenen Karten gespielt."

Entsetzt, als habe er falsch gehört, starrte der Senator seinen Schwager an, ein halbunterdrückter Ausruf wollte sich ihm entringen, da ging plötzlich leise, ganz leise die Thür des Nebenzimmers Nora stand auf der Schwelle.

Albrecht Du hier verzeih," stammelte sie, unschlüssig, was sie thun solle, aber der hohe, stattliche Mann erhob sich sogleich und erwiderte ruhig, wenn auch mit leicht vibrierender Stimme:Bleibe ruhig hier, Nora, ich wollte nur noch nach Lothar sehen, vor daß ich mich zur Ruhe begebe. Gute Nacht."

Er streckte ihr die Hand hin, und sie legte leise die ihrige hinein: einen Moment schien es, als wolle sich sein Arm um sie schlingen, als wolle ihr Köpf­chen an seine Brust sinken, dann aber traten sie zurück.

Gute Nacht, Albrecht."

Er hörte die süße Stimme fort und fort an sein Ohr klingen, er fühlte die weiche Hand in der seinen und als er in seinem Zimmer anlangte; da lehnte der starke Mann das Antlitz an die kalten Fensterscheiben und weinte wir

ein Kind. Hatte er die Geliebt» wirklich zum letztenmal« gesehen?

* *

Trüb und grau dämmerte der Januarmorgen herauf. Nora hatte die ganz« Nacht kein Auge geschloffen, hat gekämpft und gerungen, bis sie endlich den Entschluß gefaßt, hier zu bleiben und nicht mit hinauszugehen. Der alte Diener teilte ihr ganz ihrem Wunsche gemäß mit, wenn der Herr Senator ge­

weckt weiden und frühstücken wollte, auch daß ein anderer Herr ihn abholen käme; ach, jedes Wort schnitt wie ein scharfes Schwert in ihre Seele! Ihr Kopf schmerzte, ihre Pulse flogen, und trotz aller Anstrengung kamen die Thränen doch wieder in ihre Bugen; sitzt ging die Thüre drüben, der Sekundant war jedenfalls gekommen, Albrecht machte sich bereit zum Fortgehen.

Sie öffnete die Thür, welche auf den Korridor führte, richtig, da stand er vor ihr, ganz als habe er soeben anpochen und eintreten wollen; sie rang nach Atem, sie wollte reden und konnte es nicht, der Senator kam ihr zuvor."

Wie geht es Lothar heute früh?" frug er, ohne in das süße, blaffe Ge- sicht zu blicken,grüße ihn von mir wenn er aufwacht. Adieu, Nora."

Lebewohl," hauchte sie und ehe sie es verhindern konnte, brachen heiße, unaufhaltsame Thräncnströme aus ihren Augen,vielleicht wirst Du einst­mals erfahren daß ich Dich dennoch liebte!"

Die Thür fiel in's Schloß, drinnen sank die junge Frau auf der Schwelle zusammen in unendlichem Jammer und draußen strich van der Huylen mit der Hand über die Stirn, wie um ein Traumgebilde zu verscheuchen. Sie hat gesagt, zum erstenmale in ihrem Leben, daß sie ihn liebe! Aber nein, es konnte nicht sein, es war ein Abschiedswort gewesen; sie liebte ja den, der ihm noch in dieser Stunde mit der Waffe gegenüberstehen würde I Langsam, schweigend, in tiefe Gedanken versunken verließen beide Herren das Senatorenhaus und schritten der Brücke zu, in deren Nähe das Duell stattfinden sollte. Es war ein rauher Morgen, die Bäume, mit RauheiS bedeckt, streckten ihre kahlen Zweige gen Himmel, krächzend flogen Dohlen und Krähen auf, und hier und da ging bereits ein Mensch an die Arbeit.

(Fortsetzung folgt.)