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Lagesneuigknten.

* Calw, 13. Jan. Am letzten Freitag fand die Beerdigung des zwar schon längere Zeit leidenden, aber zuletzt doch unerwartet schnell ver­schiedenen Hrn. Profess. Staudenmayer statt. Mit dem Dahingeschiedenen ist ein Mann auS dem Leben geschieden, der zwar nicht oft in die Oeffenllich- keit getreten ist, der aber doch vermöge seiner amt­lichen Stellung und seines erfolgreichen Wirkens in der Schule und im Stillen, verdient, daß seiner auch an dieser Stelle noch öffentlich gedacht wird. Vom Jahr 1871 bis zum Jahr 1896, also volle 35 Jahre war er in der hiesigen Lateinschule und später an dem Reallyceum in treuester Weise als Lehrer thätig. Er war ein tüchtiger Gelehrter, ein vortrefflicher Erzieher, ein wackerer Mann ohne Falsch, ein auf­richtiger gerader Charakter, ein frommer Christ und ein warmer Vaterlandsfreund. Von der Liebe und Verehrung, die dem edlen Manne auch nach dem Tode noch dargrbracht wurde, gab das ehrenvolle und zahlreiche Geleite zur btzten Ruhestätte, die ergreifende Gedächtnisrede des Geistlichen und die tief empfundenen Dank- und Abschiedsworte des Hrn. ReklorS vr. Weizsäcker das beredteste Zeugnis. An dem Trauergeleite beteiligten sich die Verwandten und Freunde, die Kollegen und frühere Schüler des Dahin- geschiedenen, sowie einige Klaffen des Rrallyceums.

* Calw, 14. Febr. Gestern wurde in der Nähe der Handelsschule von einem Landjäger ein junger Mensch zur Anzeige notiert, der auf einem kleinen Wägelchen ein Kalb so hineingezwängt hatte, daß es nicht die geringste Bewegung mehr machen konnte, außerdem lag neben und teilweise auf dem Kalb noch ein Füßchen.

* Calw, 15. Febr. In letzter Woche wurde «in Mädchen von Kentheim beim Nachhausegehen von hier am Kentheimer Staigle abends von einem un­bekannten Mann, wahrscheinlich von einem Handwerks- burschen, in schlechter Absicht angegriffen und blutig geschlagen. Auf die Hilferufe des Mädchens eilten vom Oeländerle Leute herbei, konnten aber des An­greifers nicht mehr habhaft werden, da derselbe schnell entfloh.

Calw, 15. Febr. Etwas schwierig gestaltete sich gestern für die beteiligten Gerichtspersonen dis Untersuchung in einem Simmozheimer Fall. Ein von dort gebürtiger deS Diebstahls bezüchtigter Mann, befindet sich gegenwärtig hier in Untersuchungshaft und da «in Hauptzeugr in Simmozhrim wegen schwerer Er­krankung nicht vor Gericht erscheinen konnte, so begab sich letzteres an Ort und Stelle um dort die Unter­suchung zu führen. Nun weigerte sich aber der in Haft befindliche Angeschuldigte aus verschiedenen Gründen den Weg von hier nach Simmozheim zu Fuß zu machen und so blieb nichts anderes übrig, als zum Transport ein Gefährt zu benützen. Unter Bewachung von einem Landjäger fuhr nun der Ge­fangene zur Gegenüberstellung mit dem Zeugen fröh­lich nach Simmozheim und wieder hieher zurück.

Calw, 15. Febr. (Seltene Jagdbeute.) Forst­wart Wiedenmann in Möttlingen schoß gestern im Staatswald, Abteilung Aichelgarten, einen Uhu. Derselbe mißt 1 m 80 om Flügelspannweite und ist somit eines der größten Exemplare, die je erlegt wurden.

Stamm heim, 13. Febr. (Egsdt.) Gestern Abend feierte der hiesige L i e d e r k r a n z sein F a st- nsachtSkänzchen im Gasthof z.Rößls." Dasselbe darf als wohl gelungen bszeichnetwerden. Die Männer­chöre wurden gut vorgetragen, und es fanden namentlich die Lieder:FrühlingSmusikanten."Z' Berg am Neckar" und dasPotpourri" ungeteiltes Lob. Dir humoristischen Nummern erzielten großen Heiterkeits­erfolg und wurden die Darstellenden wiederholt mit stürmischem Beifall belohnt. Wir gewannen den Ein­druck, daß die Leitung des Vereins in guten und bewährten Händen liegt. Gemeindepfleger H a u g und Gemeinderat Weiß brachten zum Schluß den wohl­verdienten Dank der Zuhörer an den Dirigenten Herrn Schullehrer Bickel zum Ausdruck und wünschten dem Verein für die Zukunft fröhliches Gedeihen.

Stuttgart, 14. Febr. Mit einer einzigen Ausnahme haben sich bis jetzt die bürgerlichen Kol­legien der größeren Städte des Landes, welche Fleisch­steuer erheben, für die Forterhebung derselben aus­gesprochen. Die Folge davon scheint zunächst darin zu bestehen, daß die Metzger-Innungen verschiedentlich zu einer Erhöhung der Fleischpreis« schreiten wollen.

Stuttgart steht im Begriff, den exportierenden Fleisch- und Wurstwarengeschäften durch Rückvergütung de, Verbrauchssteuern entgegenzukommen. Es sollen 3 -rZ pr. für die ausgeführten Flrisch- waren zurückerstattet werden, die Hälfte des Satzes für die Einfuhr. In den größeren Geschäften wird zur Kontrolle für die Steuerbehörde ein Versandbuch angelegt werden und die kleinen Exporteure erhalten dir Rückvergütung von Fall zu Fall durch das Zsntral- bureau auSgehändigt. Die Einfuhr von Fleischwaren nach Stuttgart beträgt ca. 13 Millionen Kilo, wovon von Metzzern und Privaten wiederum ca. 1,200,000 Lx. ausgeführt werden. Sämmtliche dem Württbg. Fleischerverband angehörigen Innungen haben sich biS heute für die bisherige Form der freiwilligen Organisarion ausgesprochen nur die Backnanger Meister wollen auf Grund des neuen Handwelker­gesetzes eine Zwangsinnung gründen. Der Vor­sitzende des deutschen Fleischerverbandes hat die Backnanger zu diesem Entschluß telegraphisch beglück­wünscht.

Berlin, 14. Februar. Einige deutsche Zei­tungen haben der angeblich von Newyorker Blättern verbreiteten Behauptung Aufnahme gewährt, die freundliche Haltung der deutschen Politik gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika sei auffor­melle Vorstellungen" zurückzuführen, welche der hiesige amerikanische Botschafter, White, in den letzten Tagen gemacht habe. Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung stellt fest, daß kein derartiger Schritt von amerikanischer Seite geschehen ist.

Berlin, 14. Febr. Die Opinione erhielt nach einem römischen Telegramm des Berliner Tage­blatt von erster Seite aus Alexandria Einzelheiten über das bekannte angebliche Attentat gegen den deutschen Kaiser. Hiernach hat die Ratskammer des italienischen Consulargerichts die Anklage auf ein ge­plantes Attentat wegen Mangel aller Beweise that- sächlich fallen gelaffen und erhebt nur Anklage wegen gewöhnlicher anarchistischer Umtriebe. Daß die auf­gefundenen Bomben von einem in diesem Metier be­wanderten Lockspitzel angefertigt und dem Wirt Pinelli insgeheim ins HauS geschmuggelt wurden, ist gleichfalls konstatirt, ja der Verhaftete hat bereits ein diesbezügliches Geständnis abgelegt. Die Akten des auf eine ganz minimale Bedeutung reducirten Prozesses wurden, wie bereits bekannt, dem Appell­hofe in Ancona übermittelt.

Berlin, 14. Febr. Der in Hast befindliche Graf Egloffstein ist wegen Verschwendung seitens des Gerichts entmündigt worden.

Prag, 14. Februar. Ein deutscher Couleur- Student betrat gestern Abend ein tschechisches Re­staurant und bedrohte die anwesenden tschechischen Gäste mit seinem Stocke, welche mit Revolverschüffen antworteten. Der Student wurde schließlich von der Sicherheitswache entfernt.

Paris, 14. Febr. Eine neue wichtige Ent­deckung wurde gestern Abend in der Dreyfus-Ange- legenheit gemacht. Der Cassationsrat Dumas hat dem Präsidenten deS CaffationShofes, Löw, einen Brief zugesandt, worin er erklärt, daß der Brief, welchen Beaurepaire gebrauchte, um die Verleumdung gegen ihn aufrecht zu erhalten, eine Fälschung sei. Es handle sich um einen Brief, datirt aus Roubaix, worin Dumas beschuldigt wird, sich, trotzdem er kein Vermögen habe, das Geld zum Ankauf eines Hauses vom Juden-Syndikat erhalten zu haben.

Paris, 14. Febr. Mehrere Drcyfus feindliche Blätter setzen ihren Feldzug gegen den CaffationShof fort und erklären, das Urteil dieser Gerichtsbarkeit habe keinen Wert mehr. Da« Land fordere die Ein­setzung von neuen unparteiischen Richtern.

London, 14. Febr. Alle Schiffe berichten über furchtbare Stürme auf dem atlantischen Ozean. Das Kabel nach dem Continent ist gebrochen. Von dem Kieler Dampfer Adeo, der im Kanal schei­terte, sind 11 Leichen bei Portsmouth ans Land ge­spült, 3 fehlen noch.

London, 14. Febr. Nach einer Depesche aus Newyork wurde in Dankten das Irrenhaus ein Raub der Flammen. 17 Geisteskranke ver­brannten.

Newyork, 11. Febr. Die Polizeistationen sind in nächtliche Asyle für Obdachlose ver­wandelt. Nach dem bestehenden Rechte darf nämlich eine Newyorker Polizeifiation einen Obdachlosen nur

im Sommer, aber nicht im Winter abweisen. Wenig­stens brennt dort in der Mitte des SouterainS ein Kohlenfeuer. Die Hospitäler sind von Leuten ange­füllt, die an Frostbeulen leiden. Es können gar nicht alle behandelt werden. Mehrere Milchleute, welche ihre Milch in der Nacht nach Newyork bringen, sind gestern erfroren, die Zügel chrer Pferde in der Hand haltend. Die Hälfte der Straßcnreiniger mußte den Dienst einstellen. Einer Menge sind Arm« und Beine rc. erfroren. Dabei blieS der Wind gestern Nacht mit einer Geschwindigkeit von 50 engl. Meilen die Stunde. Im Staate Newyork schwankte der Wärme­messer zwischen 10 und 40 Grad unter Null Fahren­heit. Der Hudson, welcher bei Myack eine Breite von 3°/< englischen Meilen hat, ist dick zugefroren. In der Bai von Newyork schwimmen Eisschollen her­um, welche auch den stärksten Schiffen gefährlich sind.

Gheck- und Jusgleichsverkehr bei der Uostverwallung.

Diese von der Reichspostverwaltung geplante Einrichtung wird wie der Vorgang von Oesterreich- Ungarn zeigt, wo dieselbe schon seit dem Jahr 1883 besteht, den Geldoerkehr der Geschäftswelt nicht nur bequemer, sondern auch materiell nützlicher gestalten, eS ist deshalb auch von der württ. Postverwaltung in Er­wägung gezogen, ob nicht der gleiche Verkehr ein­geführt werden soll. Die Handels- und Gewerbe­kammer Calw hat in ihrer Sitzung vom 10. ds. be» schloffen, die Einführung des Check- und Ausgleichs­verkehrs bei der württ. Post zu befürworten und teilen wir in Kürze die Grundzüge dieses Verfahrens mit:

Für je mehrere Ober-Postdirektionsbezirke wird ein Postcheckamt errichtet, bei welchem Jedem auf seinen Antrag gegen Einzahlung einer unverzinslichen Stammeinlage von 300 ^ ein Check­konto eröffnet werden kann. Als Sitz je eines Post­checkamts sind in Aussicht genommen Berlin, Breslau, Danzig, Hamburg, Hannover, Köln, Frankfurt, Straß­burg, Leipzig. Auf das Konto des Teilnehmers können bei sämtlichen Postanstalten des ReichS-Post- gebietesGeldbeträge sowohl vom Kontoinhaber als von anderen Personen eingezahlt und von dem angesammelten Guthaben seitens des Konto­inhabers jederzeit mittels Checks Beträge zur sofor­tigen Zahlung an sich selbst oder an eine beliebige andere Person oder zur Gut­schrift auf das Konto eines anderen Teilnehmers angewiesen werden.

Einlagen im Checkverkehr können gemacht werden 1. mittels der neu einzuführenden Zuschriftkarten, 3. mittels Postanweisungen, Nach- ncchmepostanwcisungen und Auftragspostanweisungen, 3. durch Gutschriften im Ausgleichsvrrkchr.

Zunächst soll das Checkverfahren ohne Verzinsung eingeführt werden.

Die Gebühren für die Benutzung des Chcckverkehrs der keinerlei Stempelabgaben unterliegt, sind so zu berechnen, daß die durch das Ver­fahren entstehendenKosten voll gedeckt werden. Die Verrechnung wird in der Weise zu erfolgen haben, daß für die Einlagen, Auszahlungen, Gutschriften und Lastschriften bis zu einem bestimmten Betrage die Gebühr in dem Preise für die Zuschrifts- karten und Checks enthalten ist und bei höheren Be­trägen die Gebühren auf den Zuschriftskarten und Checks durch Freimarken verrechnet werden.

Als Vorteile eines derartigen einfach ge­stalteten Postcheck- und Ausgleichsverkehrs werden aufgeführt:Jedem Geschäftsmann, Land­wirt und Beamten ist Gelegenheit zu einer regelmäßigen Bankverbindung in derselben Weise wie den großen Geldleuten geboten. Die Versendung und Aufbewahrung von Bargeld wird auf das unbedingt Notwendige eingeschränkt und der Einzelne von allen Gefahren befreit, die mit der Uebernahme, Uebergabe und Aufbewahrung von Geldbeträgen verknüpft sind. Jeder Geschäftsmann, der von seinen Kunden Bar­beträge zu empfangen hat, kann den Abnehmem gleich­zeitig mit der Rechnung eine Zuschriftskarte senden, mittels deren der Abnehmer beim nächsten Postamt den Betrag zur Gutschrift auf das Konto deS Gläubigers einzahlen kann. Vereine, Versicherungs­gesellschaften rc. können ihren Mitgliedern zur Zeit der Fälligkeit der Beiträge Zuschriftskarten übersenden oder denselben auf längere Zeit im Voraus zur Verfügung stellen. Durch die Kontoauszüge erhalten di« Vereine rc. von jeder Einzahlung sofort Kenntnis.