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Eßlingen, 10. Febr. Die bürgerlichen Kollegien beschlossen in gestriger Sitzung die Weiter­erhebung der Konsumsteuer in hiesiger Stadt. Der Reinertrag betrug 112,000 incl. 37,000 ^ Flcischsteuer. Die Weitererhebung der LiegenschaftS- accise, Gassteuer, Hundesteuer wurde einstimmig, die der Biersteuer mit allen gegen 3 Stimmen angenommen. Die Weitererhebung der Fleischsteuer vom Gemeinde­rat wurde mit 7 gegen 6, vom Bürgerausschuß mit 9 gegen 6 Stimmen angenommen.

Berlin, 10. Febr. Die Norddeutsche All­gemeine Zeitung schreibt: Auf die neue 3°/°ige Reichs­und Staats Anleihe 75 Millionen Mark deutsche 3°/»ige Reichs-Anl-ihe und 125 Millionen Mark preußische 3°/°ige ConsolS sind gestern rund 4 Milliarden gezeichnet worden. Ein erheblicher Teil davon offenbar zu dauernder Anlage. An der Zeichnung haben sich sowohl alle Teile des Reiches, wie auch in starkem Maße das Ausland beteiligt. DaS Er­gebnis ist ein untrügliches Zeugnis des Vertrauens in die finanziellen Verhältnisse Preußens und des Reiches und zugleich ein Ausdruck der Zuversicht zu der Friedenspolitik Deutschlands.

Berlin, 10. Febr. In der Budget-Com­mission des Reichstages wurde heute die Beratung über die Militär-Vorlage festgesetzt. In der Debatte betonte Minister von Goßler wiederholt die Pflicht der Militär-Verwaltung, die Verhältnisse überall ein­gehend zu studieren und stets auf der Höhe zu bleiben. Der Friede sei nur durch unsere guten Heeresrüstungen erhalten worden und weiter zu erhalten. Dis technischen Einrichtungen müßten denjenigen der etwaigen Gegner voraus sein. Dis vorgeschlagene Organisation werde den Frieden auf lange Zeit hinaus sichern. Bei der Abstimmung wird die geforderte Vermehrung der Feld-Artillerie mit II gegen 10 Stimmen angenommen. 7 Mitglieder fehlten. Dafür stimmten beide conser- vativen Parteien, die Nationalliberalen und vom Centrum vr. Lieber, Freiherr von Hertling und Prinz Ahrenberg, dagegen die Freisinnigen, Sozialdemokraten, süddeutsche Volkspartei, Polen und vom C-ntrum Gröber, LingenS und Müller-Fulda. Dis Vermehrung der Fuß-Artillerie wurde darauf mit 12 gegen 9 Stimmen bewilligt, da vr. Lingens sitzt mit der Mehrheit stimmte.

Berlin, 10. Febr. Die Witwe Ferdinand Fr eiligrat HS ist am 6. d. M. im 82. Lebens­jahre in London gestorben.

Berlin, 10. Febr. DerVorwärts* meldet auS Kiel: Der deutsche KreuzerGazelle" ist gestern Morgen bei der Probefahrt in der Ostsee bei Steller­grund mit dem dänischen DampferElida" zusammen­gestoßen. DieElida" ist gesunken. Die Mannschaft ist gerettet und mit derGazelle" hier eingetroffen.

Berlin, 10. Febr. Aus München wird dem Kleinen Journal gemeldet: Die Polizei-Behörde hat gestern die von den Künstlern zum Karnevalszuge bestimmten drei Gruppen über das Thema: Die Ab- tüstungs-Conferenz, aus politischen Gründen verboten.

Berlin, 11. Febr. Die Interpellation Jo- hannsen wegen der Ausweisungen ausNord- schleswig wird voraussichtlich am nächsten Mitt­woch im Reichstag auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Berlin, 11. Februar. In der WahlprÜfungs- Commission des Reichstages wurde gestern Abend di« Wahl des Abgeordneten Stöcker beanstandet.

Berlin, 12. Febr. Gestein Abend stürtzte auf einem Neubau in Hallenser das Treppenhaus infolge mangelhafter Verankernng in sich zusammen. Fünf Arbeiter wurden unter den Trümmern begraben, vier blieben tot, einer ist lebensgefährlich verletzt.

Wien, 12. Febr. Das nunmehr erschienene Manifest der tschechischen Reichsrats- und Landtags- Abgeordneten, welches kategorisch die strikte Erfüllung der bekannten tschechischen Forderungen verlangt, wird von der gesamten deutschen liberalen Presse als für die Deutschen nicht discutirbar bezeichnet. Das Neue Wiener Tageblatt schreibt, daß aus Grund dieses Programms die deutschen Paladine Oesterreichs mit den Herolden des böhmischen Staates nicht unter­handeln.

Paris, 11. Febr. Dir Gesetzes Vorlage der Regierung bezüglich des Revisionsverfahrens wurde in der gestrigen Kammersitzung mit 332 gegen 216 Stimmen angenommen. Das Haus, besonders die Tribünen, waren überfüllt. Nach dem Berichterstatter Morliere, der die Vorlage verurteilte, sprachen ver­schiedene Deputirte teils für, teils gegen das Gesetz, wobei es öfter zu tumultuarischen Szenen kam. Mini­sterpräsident Dupuy suchte die Republikaner mit der Bemerkung zu beschwichtigen, daß es die Pflicht der Regierung sei, die Dreyfus-Angelegsnheit zu Ende zu führen und sie der allerhöchsten Gerichtsbarkeit deS Landes zu unterbreiten.

Paris, 12. Febr. Ueber den gestrigen Z u- sammenstoßdeSKöln-Pariser-Schnell- zuges auf dem Bahnhofe von Saint Quentin mit einem andern Zuge wird gemeldet, daß im Ganzen 34 Personen leicht verletzt wurden. Ein französischer Kapitän ist schwer verletzt.

Paris, 12. Febr. Bei Gelegenheit der Gründung des Anarchi st enblatteS Jour­nal de Peuple fand unter dem Vorsitz Sebastian Faures ein Meeting statt. Nach der Versammlung durchzogen die Anarchisten die Straßen und begaben sich vor mehrere Kirchen, wo sie tumultarische Szenen veranstalteten. Dann zogen sie vor das Bankhaus Rothschild, um dort zu manifestieren. Ein Polizist, der einschreiten wollte, wurde von ihnen entwaffnet und durch zwei Revolverschüffe schwer verwundet. Einer Polizei-Abteilung gelang es, die Demonstranten zu zerstreuen.

London, 12. Febr. Die Presse commentiert fortgesetzt den vorgestrigen Pariser Kammerbeschluß und ist der Meinung, daß der Gesetzentwurf einen baldigen Sturz der Republik herbeisühren werde. Man ist der Meinung, daß die Entscheidung, welche der Prozeß bringen wird von dem Generalstabe und dessen Anhängern sehr gefürchtet wird und für denselben so vernichtend ist, daß alles Mögliche versucht werden dürfte, den Prozeß zu verhindern.

Petersburg, 11. Febr. Aus dem mitt­leren Sibirien kommt die Meldung, daß im Gouvernement JeneffeiSk in einer Hütte drei Männsr- leichen gesunden wurden, welche man für Andrö und seine Begleiter hält, weil das Dach ihrer Behausung aus Tauwerk herg-stellt ist. Die russische Regierung ist mit der Untersuchung der Sache beschäftigt.

Umschlag betrug 2885441 Im Ganzen wurde ein Reingewinn von 13178 ^ erzielt, hiezu kam noch ein Gewinnvortraz von 1111 Der hienach auf 14290 ^ sich belaufende Gewinn wurde so verteilt, daß auf das dividendenbcrechtigte Kapital 5'/,°/» Dividende ausbezahlt, dem Reservefonds 1279 ^ und einem besonderen Spezialreservefonds 2000 ^ zugewiesen wurden. Der Reservefonds be­trägt nun 45100 20,8 °/o der Mitglieder­

einlagen. Der Gewinn beträgt 6,55 °/o des dividenden­berechtigten Kapitals. In die Sparkasse wurden 38 458 ^ eingelegt und 32860 zurückgezogen, also 5597 mehr eingelegt. Der Stand am 31. Dez.

1898 war 114467 Die Zahl der Mitgliedes hob sich von 645 auf 684, davon 658 im Bezirk und 26 außerhalb desselben. Von den Mitgliedern haben 651 einen Geschäftsanteil und 33 zwei Geschäfts­anteils erworben. Der Bericht des VerbandSrevisors über die Revision der Bank lautete äußerst günstig.

Die nun vorgenommenen Wahlen gaben ein ein­mütiges Zeugnis dafür, daß die Mitglieder mit der Geschäftsführung des Vorstands und des Aussichts- rats sehr zufrieden sind und der Leitung der Bank volles Vertrauen entgegenbringen. Es wurde deshalb der bisherige 2. Vorstand Hr. Stadtschultheiß Hoffner und der Kassier Hr. Chr. Im. Kraushaar, ein­stimmig zu ihrem seitherigen Posten wiederberufen.

Als erster Vorstand wurde an Stelle des verstorbenen Hrn. K. Staelin Hr. Fabrikant Georg Wagner ebenfalls einmütig gewählt. In den Aufsichtsrat wurden wieder gewählt die Herren Emil Zahn und Hermann Schnaufer, für den gestorbenen Hrn.

W. Federhaff tritt Hr. Julius Staelin neu in den AufsichtSrat ein. Als Ersatzmänner wurden berufen die Herren OberamtSpflegcr Fechter und K. Waidelich z. Rößle. Sämtliche Vorschläge gingen vom Aufsichtsrat aus; aus der Versammlung selbst erfolgte kein Vorschlag. Zum Schluß sprach Hr.

Fabrikant Eugen Staelin dem Vorstand und dem AufsichtSrat den wohlverdienten Dank der Versammlung für die vorzügliche Geschäftsführung aus. An die Verhandlungen schloß sich sodann die Ausbezahlung der Dividende an.

* Calw, 13. Febr. Die Prüfung des Zeichenunterrichts an dem Reallyceum, der Volks-, Mittel- und gewerblichen Fortbildungsschule hier, wird heute und morgen von Aeichenoberlshrer Schirmer am Seminar in Nagold vorgenommen werden.

Stuttgart, 11. Febr. Heute vormittag entstand in der Dampfsägerei von Auperle u. Riekert eine gewaltige Dampfkessclexplosion, die so stark war, daß die Trümmer des Kesselhauses 35 Meter nach allen Seiten geschleudert wurden und in den Nach­bargebäuden Wände und Fensterscheiben einschlugen.

Der 35jährige Hilfsheizer Schweizer von Heslach fand dabei den Tod. Mehrere Personen wurden teil- schwer, teils leicht verletzt. Einer Frau flog ein Stein an den Kopf, wodurch sie eine schwere Ver­letzung erlitt. Dis Explosionsstätte gleicht einem Trümmerhaufen. Die Explosion soll entstanden sein, weil, wie man hört, zu wenig Wasser im Kessel war.

Stuttgart, 11. Febr. Dir Influenza macht sich hier leider wieder bei jung und alt in bedenklicher Weise bemerkbar, zum Glück tritt dieselbe aber meist noch gutartig auf.

auf das Weihnachtslicht hatte sich noch einmal entzündet, es strahlte wunder­herrlich : wie wenn sie unschuldig wäre l Aber der Brief

Drrnnen an Lothars Krankenlager knieete Nora, das Haupt in die Kiffen verborgen und weinte unaufhaltsam; Trahlow schlummerte fieberhaft, abgerissene Worte klangen von seinen Lippen, die Hände zuckten nervös auf der Decke.

Also das war das Ende! Ihr Glück, ihr sonniges märchenhaftes Glück, welches sie oftmals in stillen Stunden erträumt, es lag zerbrochen, zerschellt am Boden und von weit her drang der Mutter scharfes Lachen an ihr Ohr. Armes junges Geschöpf. O, nur ein einziges warmes Wort von Albrechts Lippen und sie hätte ihm alles bekannt, den unendlichen Jammer, die Schande, welche die Mutter über sie gebracht, und dfl ihr und Lothars Glück vernichtet. Wie durfte sie an van der Huylens Seite als Gemahlin weiter leben, wenn man mit Fingern auf sie wies, wenn man sich zuraunte:Seht dort jene Frau. Sie war ein armes Mädchen, welche des Geldes wegen jenen edlen, braven Mann heiratete, der ihr seinen alten angesehenen Namm gab, damit sie ihren befleckten ablegen konnte I"

Wie ein böses Phantasiegebilde stand jenes Kartenblatt vor ihren Augen, von dem Lothar phantasierte, welche sich in den Händen jenes ränkesüchtigen Mannes befand und das Nora um jeden Preis wieder haben mußte. Um jeden Preis? Armes Kind, sie ahnte nicht, welchen Preis man dafür von ihr fordern werde!

Stunde um Stunde dieses fürchterlichen Tages schlich dahin, Nora wollte fast verzweifeln, denn sie hörte garnichts, sah auch niemanden außer dem Diener welcher sie bei Lothars Pflege unterstützte.

Endlich, der kurze Januartag ging zu Ende, in den Straßen flammten die Laternen auf, als das Stubenmädchen einen Brief brachte mit den etwas

neugierigen Worten:Es ist von Herrn Hauptmann von Bieberstein, gnädige Frau; er läßt sich nach dem Befinden des Herrn Assessors erkundigen."

Ich ließe danken es ginge noch nicht viel besser. Gieb den Brief her, Rosa."

Mit bebenden Händen riß sie das veilchendustende Couvert herab und nahm den enggeschriebenen Bogen hervor: zum ersten Male im Leben schrieb ein anderer Mann als ihr Gatte an siel Zuerst vermochte sie kaum die Buchstaben zu erkennen. Thränen verdunkelten ihre Augen, dann nahm sie alle Selbstbe­herrschung zusammen und las wie folgt:

Meine sehr verehrte, gnädige Frau!

Ihr allerliebstes Billet von heute morgen, welches ich allerdings mit einem anderen, weniger angenehmen Ihres Herrn Gemahls erhielt, hat mir zu denken gegeben. Ich überlegte hin und her, wie es möglich sei, Ihren so dringenden Wunsch zu erfüllen, sah aber leider keine Möglichkeit dazu. Vielleicht hätte eine mündliche Unterredung ein zufriedenstellendes Resultat geliefert, jedoch so muß ich Ihnen, schöne Frau, leider bekennen, daß ich mich niemals von meinem pikanten Kartenblatte trennen werde, eS sei denn gegen einen sehr hohen Preis! Ob Sie gewillt sein möchten, denselben zu zahlen, um mein Stillschweigen zu erkaufen, fragt sich noch. Mit Ihrem Herrn Gemahl habe ich die Ehre, morgen früh sehr zeitig zusammenzutreffen, hoffentlich ist es nicht« unangenehmes, waS daraus resultiert, es sollte mir auch für Sie leid thun. Mit einem ganz unterthänigsten Handküsse und der Versicherung alter Freundschaft grüßt Sie wie ehemals

Ihr treuer Sklave Egon von Bieberstein.

(Fortsetzung folgt.)