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die es auf dem Gebiete der Gesetzgebung über uns ausgegossen, sind von einem fast verwirrenden Reichthum. Eine Saat in Blut und Wunden ist in herrlicher Frucht aufgegangen: Deutschland steht im Ganzen und in seinen Theilen geachtet und bewundert vor den Augen der Mitwelt. Tausende und Tausende unserer Brüder haben mit ihrem Herzblut den Boden des Feindeslandes geröthet; sie liegen gebettet in welscher Erde und nie verlöschender Ruhmes-Glanz umgibt ihre Leichen-Hügel. In einem Kampfe glorreich, wie die Welt noch nie einen ähnlichen geschehen, ist französischer Tücke der verdiente Lohn geworden: Alle deutschen Stämme waren vereinigt; sie standen, Alle für Einen, Einer für Alle! Und jeder Kämpfer war von dem gleichen Gedanken erfüllt: wir dürfen nur siegen! Da richtete sich das Auge des Sachsen auf den Bayern, des Schwaben auf den Hessen, des Westphalen auf den Preußen, des Nordens auf den Süden. Und höher schlugen die von freudigem Stolze erfüllten Herzen, wenn der deutsche Bruder dem Bruder bezeugte: Du hast dich männlich geschlagen! So brav sich die französischen Soldaten gehalten: die Deutschen erwiesen sich in jeder Richtung überlegen, in der Führung, im Offizierscorps, im Unteroffiziercorps, in der geistigen Tüchtigkeit der ganzen Armee. Der Krieg und seine Erfolge war das Werk der geistigen Ueberlegenheit. Das sind die Wunder der Rivalität der deutschen Staaten auf dem Gebiete des Bildungswesens. Angesichts dieser Tapferkeit ohne Furcht und Tadel, angesichts dieser Siege sonder Gleichen mußte der deutsche Süden auch in den Augen des strengsten Unitariers vom Verdachte des Particularismus gereinigt erscheinen.
Schweiz.
Neuenburg, 21.Dez. Auch beiuns im Markgräfler Land ist stark davon die Rede, daß die Reben unter der strengen Kälte der letzten Wochen Noth gelitten, und auch bei uns ziehen die Preise der alten Weine bedeutend an, sei dies nun in Folge des Erfrierens der Reben oder in Folge anderer Umstände. So wurde beispielshalber für 1870er Gewächs 40 fl verlangt und auch bezahlt. (Ob. Kur.)
O e fl e r r e i cy.
Graz, 23. Dez. Ein neues Opfer des religiösen Fanatismus. Dem „Tagbl." wird telegraphirt: „Die Agitationen von den geistlichen Kanzeln haben eine neue Erscheinung des Fanatismus zu Tagt gefördert. Dem Stainzer Morde folgte eine entsetzliche Selbstverbrennung einer jungen Magd in Obdach. Diese wurde in Folge einer geistlich verordneten Generalbeichte schwermüthig, hinterließ ihr Geld für Seelenmessen, betete den Rosenkranz und bestieg einen Backofen-Holzstoß, auf dem sie verkohlt gefunden wurde. Die Selbstmörderin nahm an, daß sie nach ihrer Selbstverbrennung als Taube zum Himme emporfliegen werde."
Miszellen.
Lin "Zreszgang.
Erzählung nach einer wahren Begebenheit.
(Fortsetzung.)
Wir wissen, daß die Fregatte Royal William eine Flotte von Ostindienfahrern nach Bombay zu geleiten hatte, damit diese mit ihrer werthvollen Ladung dort sicher ankämen. Der Royal William führte achtundvierzig Kanonen und war mit Matrosen und Seesoldaten wohl bemannt; überdies hatte auch jeder Ostindienfahrer sein Halbdutzend Karthaunen, um im Falle eines Angriffs wenigstens in Etwas zur Verthei- digung beizutragen. Dessenungeachtet schien es diesmal um die Engländer ziemlich mißlich zu stehen, denn cs zeigte sich bald, daß nicht von einem einzelnen feindlichen Segel die Rede sei, sondern der Franzmann entfaltete vielmehr eine weit überlegene Macht, da er nicht weniger als drei Kriegsschiffe zählte, und zwar ein Linienschiff von siebzig und zwei Fregatten von je sechsunddreißig Kanonen. Als William Helmstädt auf's Deck kam, hatte der Feind bereits sein Feuer auf die Ostindienfahrer eröffnet, und diese suchten so schnell als möglich auf die Leeseite ihrer Schutzfregatte zu kommen, verfehlten aber doch nicht, Schuß für Schuß heimzugeben, obwohl ohne Wirkung. Offenbar war es übrigens den französischen Kriegsschiffen für jetzt weniger um einen Kampf mit den Ostindienfahrern zu thun, als vielmehr darum, die englische Fregatte zu nehmen oder in Grund zu bohren, denn wenn dies geschehen war, so konnten sie sich dann nachher ohne viele Umstände der Kauffarthcischiffe bemächtigen. Somit segelten sie stolz heran, es versuchend, den Royal Wilhelm in ihre Mitte zu bekommen. Jetzt waren ne auf Schußweite nahe gekommen und bereits glaubte der Franzmann, den Gegner sicher in der Klemme zu haben, als der Kapitän des Royal Wilhelm plötzlich im Wind nach Norden umlegte und sich dadurch den beiden Fregatten ganz nahe brachte, während er dagegen das französische Linienschiff ganz von sich entfernte.
„Feuer", erscholl das Kommando, als die eine der beiden Fregatten hart unter die Kanonen des Royal William kam.
Der Schuß krachte aus vierundzwanzig Kanonen zumal, und die ganze Breitseite fuhr dw» Schiff in den Rumpf, so daß sich dasselbe tief überneigte und kaum mehr im Stande war, sich aufzurichten. Spieren und Tauwerk stürzten krachend auf's Deck, eine gräßliche Verwirrung daselbst anrichtend, und von vielleicht dreihundert Burschen, die soeben noch in voller Stärke und Lebenskraft dagestanden waren, wälzten sich nun wohl fünfzig oder mehr in ihrem Blute. Während dem hatte die zweite französische Fregatte den Royal William der Länge nach mit ihren Kanonen bestrichen, und zwar zu dessen nicht geringem Schaden; aber nunmehr drehte der Letztere abermals im Wind und zeigte dem neuen Feinde ebenfalls seine Breitseite. Dreioder viermal feierten die beiden Schiffe
auf einander und jeder Schuß hatte seine Wirkung; doch bald stellte es sich heraus, daß der Royal William seinem Gegner sowohl an Stärke überhaupt, als auch besonders an wohleingeübter und sicher zielender Mannschaft total überlegen sei. Plötzlich nämlich stürzte mit gräßlicher Wucht der Fockmast der kleinen Fregatte auf's Deck herab und begrub die halbe Mannschaft unter seinem Segelwerk und seinen Spieren, so daß das Schiff für eine Zeitlang wenigstens alle seine Steuer- sähigkeit verlor. Es wäre nun für den Engländer ein Leichtes gewesen, den hartbeschädigten Franzosen vollends ganz kampfunfähig zu machen oder gar zum Flaggenstreichen zu nöthigen, allein nunmehr kam das französische Linienschiff seinen beiden kleineren Kameraden zu Hülfe, und der Royal William mußte natürlich diesem überlegenen Gegner gegenüber alle seine Kräfte zusammen nehmen, um nicht schmählich zu unterliegen. So wurden denn die so eben bekämpften und (ast besiegten Fregatten ihrem Schicksale überlassen, oder vielmehr es wurde den bester Bewaffneten unter den Ostindienfahrern signalisirt, dieselben anzugreifen und zu beschäftigen, damit sie nicht im Stande seien, ihren Schaden auszubestern und mit dem Linienschiff gemeinschaftliche Sache zu machen. Auf diese Weise wenigstens in Etwas gesichert, segelte der Royal William seinem neuen und fast übermächtigen Feinde frischweg entgegen. Beide Schiffe waren noch ziemlich »beschädigt, denn dem Linienschiff hatten die Kugeln der Ostindienfahrer, mit denen dasselbe bisher im Kampfe gelegen, natürlich nichts anhaben können, und der Royal William war in seinem Tau- und Segelwerk wenigstens noch ganz unverkürzt, obwohl seine Mannschaft durch die Schliffe der beiden Fregatten nicht wenig nothgelitlen hatte, und man außer vielen Verwundeten auch ein Dutzend oder mehr Todte zählte. Jetzt lagen sich die beiden Schiffe gegenüber und feuerten ihre Breitseiten auf einander ab. Das war freilich ein anderes Ding, als vorhin ver Kampf mit den Fregatten! Die Marsen, das Hüttendeck und das Vordercastell, des Linienschiffes waren gespickt mit Marinesoldaten, welche ein mörderisches Feuer auf den Royal William unterhielten, und die Schüsse aus den schweren Knnonen kamen so hageldicht, daß das Verdeck bald mit Stangen und Spieren überdeckt wurden. Fetzen vom Tauwerk und Splitter von den Masten flogen in allen Richtungen umher, und durch die Stückpforten wie über das Deck schwirrten die Kugeln fast hageldicht; dichter Rauch hing sich, den Tag verfinsternd, über das Schiff, und erlaubte oft nicht von einem Enve desselben zum andern zu sehen; Stöhnen, Aechzen und Schmerzensschrei der Verwundeten mischten sich mit den Flüchen und Hurrah's derer, die noch unverletzt an den Kanonen standen; Dutzenve und Aberdutzende sanken zu Boden, um nie mehr aufzustehen, und das Getöse, der Pulverdampf und die Hitze überstiegen alle Begriffe.
(Fortsetzung folgt.)
Reüaktton, Druck unü Vertag von c;ak. Me eh in Neuenbürg-