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Oesterreich.

Wien, 13. Dez. Der Bürgermeister von Stainz, Steiermark, ist von einem durch ultramontane Predigten aufgehezten Bauern­burschen meuchlings erschossen worden.

Linz, 10. Dez. Eine heute hier ab­gehaltene Volksversammlung, der etwa 4000 Personen beiwohnten, beschloß auf Antrag Amon's, sich anläßlich der Preis­steigerung des Biertrinkens zu enthalten.

Ausland.

Die Botschaft, welche Thiers in der wiedereröffneten französischen Nationalver­sammlung verlesen hat, und die inneren Zustände Frankreichs im rosigsten Licht schildert, gibt der Berl. Trib. u. A. zu folgenden Bemerkungen Anlaß :

Die Verkündigung des Belagerungs­zustandes in den noch von unseren Truppen okkupirten französischen Departements hat natürlich in Frankreichtiefe Trauer" her- vorgerufen nnd wird abermals zu den haar­sträubenden Klagen über deutscheBar­barei" benutzt. Lassen wir sie trauern und schimpfen, wenn nur das Leben unserer deutschen Brüder geschützt ist! Gemessener Ernst, ini Nothfall Strenge das ist die Art, mit den Franzosen der Jetztzeit um­zugehen. Im klebrigen lassen wir uns nicht bange machen. Wir unterschätzen die Kräfte Frankreichs nicht, da es ja immer einer der mächtigsten Staaten Europas ist. Wir wissen auch, daß gerade die jetzigen ungeregelten Zustände Frankreichs, die noch lange andauern können, einemRevanche- Krieg" günstiger sind, als es später geord­nete Zustände sein würden; ein militärischer Prätendent könnte leicht auf den Einfall kommen, alle Parteien unter dem kriege­rischen Banner zu sammeln. Wir müssen also auf unserer Hut sein und in den sauren Apfel eines hohen Militärs-Budgets beißen, eingedenk der Thatsache, daß es deun doch am Ende bester ist, jetzt einige Millionen mehr auszugeben, als die Bourbaki's und Bazaine's im eigenen Lande zu haben. Aber überschätzen wollen wir die Kraft Frankreichs ebensowenig. Es wird in Frankreich nach dem Kriege ebensoviel gelogen, wie vor dem Kriege, und die Franzosen belügen sich selbst jetzt so gut, wie früher. Wer mit dem deutschen Reich anbinden will, muß in sich sehr stark und mit außerordentlichen materiellen und geistigen Kräften begabt sein. Davon hat das heutige Frankreich nichts aufzuweisen."

DerTemps" enthält einen eingehen­den Artikel von Poulain über die Kanone Reyffe, Hinterlader, Siebenpfünder, Feld­kanone. Diese Kanone wurde kurz vor dem Kriege zu Meudon fabrizirt, wurde aber erst während der Belagerung von Paris angewendet. Die dentschen Artillerie­offiziere können diese Kanone an den zahl­reichen Exemplaren studiren, welche bei der Kapitulation von Paris genommen wurden.

Die Nachrichten über die Krankheit des Prinzen von Wales sind der Art, daß sie stündlich den Tod des Thronfolgers von England in Aussicht stellen.

In Paris ist eine aus 37 Wörtern be­stehende Depesche aus Saigon (Cochinchina)

eingetroffen, die um 9 Uhr abgesandt, um halb 2 Uhr in den Händen des Empfängers sich befand. Sie hatte demnach fünfthalb Stunden gebraucht um eine Strecke von 900 Meilen zurückzulegen.

Petersburg, 8. Dez. Bei dem Georgsordensfeste brachte Kaiser Alexander folgenden Toast aus:Auf das Wohl des Kaisers Wilhelm, des ältesten Ordensritters, auf das Wohl der anderen Ordensritter seiner Armee, deren würdige Repräsentanten heute um Mich zu sehen Mich mit Stolz erfüllt. Ich wünsche und hoffe, daß die innige Freundschaft, die uns verbindet, in künftigen Generationen fortdauern wird, ebenso wie die Waffenbrüderschaft beider Armeen, welche aus unvergeßlicher Zeit datirt. Ich sehe darin die beste Garantie für den Frieden und die gesetzliche Ord­nung in Europa."

Washington, 12. Dez. Mehrere Mit­glieder der Internationalen sind verhaftet worden, weil dieselben Sonntags, troz polizeilichen Verbotes, einen Umzug ver­suchten, In einem Meeting der Inter­nationalen wurde beschlosten, den Umzug am nächsten Sonntag zu veranstalten und die Arbeiter zur Theilnahme aufzufordcrn.

(S. M.)

Miszellen.

Eine Wette. Man schreibt derN. fr. Pr." unterm 26. v. M. aus Jassy: Heute fand hier eine interessante Wette ihren Ausgang. Im Jahre 1864 ver- urtheilte in einem hiesigen Salon Fürst Gregoere Sturdza Bismarck's Politik und prognosticirte dessen Sturz und der Libe­ralen Sieg binnen Jahresfrist. Niemand aus der Gesellschaft wagte dem Fürsten zu opponiren, nur Fürst Obolenski aus Rußland, bekannt durch sein Phlegma, erwiderte mit stoischer Ruhe:Ich wette 200 Ducaten, daß, wenn Bismark noch zehn Jahre lebt, er in Deutschland der populärste, in Europa der gefeiertste Staats­mann ist." Gestern kam Obolenski wieder auf der Durchreise nach Jassy. Kaum iw Hotel Gerbel abgestiegen, erscheint ein Diener des Fürsten Sturdza mit einem Billet:Fürst! Sie haben gewonnen, Bis­marck ist wirklich nicht nur Deutschlands sondern Europas größter Staatsmann. Empfangen Sie den Betrag unserer Wette." Wie wir hören, beabsichtigt der Fürst Obo­lenski, den gewonnenen Betrag Bismarck selbst zur Vertheilung an hilfsbedürftige Wittwen und Waisen zu schicken.

Hausstands-Auodlibet für Fraucn und Jungfrauen.

Zum Verabschieden der alten Maße und Ge­wichte und möglichst bequemen Erlernen der neuen.

(Aus den Berliner Wespen).

(Mel.: Es ist bestimmt rc.)

Es ist bestimmt im Bundesrath, Daß man die Elle, die man hat. Muß missen,

Und doch ist es fürwahr kein Spaß, Auswendig schon das neue Maas;, Zu wissen.

Ich will das schwier'ge Studium Des Rechenknechts verschieben drum Aus später.

Doch merken will ich mir geschwind,

Daß 8 Berliner Ellen sind

2 Meter.

(Mel.: Oauäoamus igitur.)

Flüchtig haften das ist hart!

Unsres Lebens Güter!

Ich verliere selbst das Quart,

Ach, an seiner Stelle ward,

Octroyirt das Liter.

Klagelieder möcht' als Frau Singen man wie Wachtel!

Wenn ich meinen Augen trau'.

Ist das Liter ganz genau Kleiner um V«.

(Mel. Bekränzt mit Laub rc.)

Wie sehr ich auch den Fürsten Bismarck schätze, O, nie verzeih' ich dies.

Daß er uns nicht einmal die alte Metze.

In unsrer Wirthschaft ließ!

Was that ich ihm, dem mächtigen Gebieter, Daß er mir gab dafür Ein Holzgemäß von ganz genau 2 Liter? Wie unbequem ist's mir!

Statt einer Metze brauche ich zukünftig (Das merkte ich mir schon,)

L Liter, ach, ich werd' noch unvernünftig Vor lauter Confusion!

(Mel. Aennchen von Tharau ists rc.) Quentchen, das alte, wie schwillt «ir der Kamm!

Dies auch verschwindet und nennt sich dann

Gramm,

6 sind ein Neuloth, und ferner wird kund, Daß SO Neuloth dann machen 1 Pfund, 2 Pfund mir schwindet schon jetzt der Verstand!

Wird Kilogramm dann vom Kaufmann ge­nannt.

Nicht mehr nach Klaftern und Achteln was soll's?

Lasse ich fahren so Torf mir als Holz,

Nach Kubikmetern wird Alles mir jetzt, Himmel! auf jegliche Rechnung gesetzt.

S und V, Kubikmeter dann

Sieht als I Achtel von früher man an.

(Mel. So leb' denn wohl, Du stilles Haus rc.) So leb' denn wohl. Du Elle, Pfund,

Du Loth, Du Metze, Scheffel und Du Klafter und Du Achtel mein,

Es muß, es muß geschieden sein!

Was kann ich machen, armes Lamm?

Nun komm', Du Kilo-, Dccagramm,

Du Deci-, Centi-, Milligramm,

Hier steh' ich, ein entlaubter Stamm!

Du Meter, das Du nennst Dich Stab,

Und Ihr, die uns der Reichstag gab,

Du Ceuti-, Milli- und auch Du,

Du Decameter tritt herzu.

Ich sag' Euch: Wenn mein Haar wird bleich Noch vör der Zeit, die Schuld trifft Euch, Euch hass ich drum mein Leben lang, Verderben, jetzt geh' Deinen Gang!

Pforzheim.

Brodtaxe vom I.15. Dezbr. 1871. Das Paar Wecken zu 2 kr wiegt 7 Loth.

Der zweipfündige Laib Halbweißbrod kostet

14 kr.

Der zweipfündige Laib Schwarzbrot» aus

Kernenmehl . 10 kr.

Der vierpfündige Laib Schwarzbrod aus Kernenmehl . 20 kr.

Fleischprrise vom 1.15

Ochsenfleisch das Pfund . .

Rindfleisch .

Kalbfleisch.

Hammelklcisch .

Schweinefleisch . . . . .

Dezbr..

23 kr. 20 kr.

20 kr. 14 kr.

21 kr.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.