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cinquartirt wurde. Die Pferde wurden nach der neuen Methode, dem preuß. System, außerhalb des Zeltlagers angekoppelt. Gegen 8 Uhr Abends gerietheu zwei Hunde, die sich in der Nähe des Regimentes Herumtrieben, einander in die Haare, und der kleinere, dem übel mitgespielt wurde, rannte mit greulichem Jammergeheul auf die Pferde zu. Auf dieses Geschrei scheuten zuerst 2 Offizierspserde und rissen sich los, wobei sich 6 Schwadronspferde alsbald anschlossen. Der Tumult, welchen diese Thiere hervorriefen, verursachte eine Panik, die sich der sämmtlichen übrigen Pferde bemächtigte, und schnaubend und wiehernd rissen sich unter einem unsäglichen Getüm­mel die 300 Thiere alle los und gicngen in jähem Schrecken und tollstem Jagen nack- allen Richtungen durch, wobei manche noch Stangen, Pflocke und Leinen nachschlcppten. Es dauerte nicht lange, so waren Mann­schaften von verschiedenen Regimentern in bedeutender Zahl hinter den erschreckten Pferden her, die in einem Umkreise von 12 Meilen die Gegend absuchten. Durch die Stadt Farnham waren einige 50 wie die wilde Jagd durchgalloppiert, von denen 15 eingefangen wurden, indessen der Rest gegen einen geschlossenen Schlagbaum raste und denselben zerschmetterte. Auch an anderen Orten stürzten Pferde gegen harte Hindernisse. Eine Anzahl wurde todt, andere schwer verletzt gefunden, wieder andere ertranken im Kanal. Als man gegen Mitternacht die Jagd einstcllte, waren die Thiere noch lange nicht alle gefunden. Der Schaden wird sehr beträchtlich sein.

MisMcn.

Berechtigtes und Unberechtigtes in den Forderungen der Socialdcinokraten.

(Schluß.)

Ueber die Weltverbesserungsabsichten der Socialdemokraten Leipzigs und Berlins werden wir uns in keine Erörterung ein­lassen. Sie hüten sich in wissenschaftiche Darlegung eines Plans einzutreten. Ihr Programm besteht darin, daß unaufhörlich als die große That der Pariser Commune ihr eigenes arbeitendes Dasein," wie der Generalrath der Internationalen" es un­übertrefflich ausdrückte, gepriesen wird. Gar zu gern möchten die Bebel, Liebknecht, Hasenclever, Capell, wie ersterer offen zu verstehen gab, die beneidenswerthe Rolle der Blanqui, Assi, Grousset, Delescluze spielen. Alle die feierlichen Redensarten von der Befreiung der Arbeiter, welche heute noch in Zöllen" Culturstaaten unter dem Druck der Neaction (!) und Capitalmacht schmachten," sind Versuche, die innerste Absicht den Genossen kundzu- gsben und dem Criminalrichter zu verber­gen. Es ist eine behufs Aufwiegelung gegen bessere Ueberzeugung gestellte For­derung daß der gesammte Arbeitsertrag den Arbeitern gehöre, und cs ist Fälschung unter ihnen nur diejenigen zu verstehen, welche den Triebriemen übertragen, die Spindelbank rücken oder den Stahlzahn stellen, als wenn die leitende, rechnende, die Handelsconjuncturen wahrnehmende Thätigkeit des Maschinendirectors, des

Bureau's, des Geranten gar nicht in Be» tracht käme!

Lediglich über jene Forderungen welche die Wortführer und Anwälte der Arbeiter als unbedeutende Abschlagszahlung anschen, und nur deßhalb betreiben um die Bewe­gung der Partei bis zu günstiger Gele­genheit ausrechtzuhalten, läßt sich vom wirthschaftlichen Standpunkte reden. Hier liegen einige Anfänge für die Besserung der Arbeiterlage. Wird in diesem Zusam­menhänge der Pariser Commune freilich nachgerühmt: sie habe die Nachtarbeit der Bäcker beseitigt, so wenden wir ein daß, wer für den rechtzeitigen Schlummer seiner Mitmenschen so zärtlich besorgt war, *) die Nachtwächter nicht hätte vergessen sollen; und wird hervorgehoben: die Commune habe ein Verbot erlassen auf Arbeils- stätten Geldstrafen auszuerlegen, so erwäge man doch daß sie, bei mäßiger Höhe und ohne Unbilligkeit verhängt. Versäum- niß und Fehler am besten verhindern, in deutschen Fabriken auch nicht von den Fabrikanteneingesteckt" werden, sondern den Kranken-und Unterstützungscassen zu- fließen. Jedenfalls bedurfte es, um solche Reformen durchzusühren, keiner so furcht­baren Revolution wie Paris sie jüngst er­lebte, da es den Männern des 18. März als hohes Verdienst angerechnet werden sollte bei einer Lieferung für die Commune den Unternehmergewinn besonders berech­net zu haben, um nicht durch ihn die Ar­beitslöhne verkürzen zu lassen. Wenn rund­weg die Abschaffung der Kinderarbeit, der Frauenarbeit und der Sonntagsarbeit in den Fabriken verlangt wird, so ist dabei vergessen, daß die Kinderarbeit durch die deutsche Gewerbeordnung schon beschränkt und an Bedingungen geknüpft ist.. Wei­ter zu gehen würde den Eltern der Kinder vielfach zum Nachtheil und den Kindern nicht zum Vortheil gereichen, wie vr. V. Böhmert in seinen Unter­suchungen über die Lage der Fabrikar­beiter im Kanton Zürich (1868) treffend nachgewiesen hat. Unter bestimmten Vor­aussetzungen, und namentlich wo Klein­kinderbewahranstalten bestehen, ist gegen ein nicht zu langes Mitzugreifen der Frauen in den Fabriken ebenso wenig etwas ein­zuwenden wie in der Landwirthschaft. Die Sonntagsarbeit fällt vermöge der kirchlichen Ordnung in der Regel hinweg, ,uud wird sie ausnahmsweise von der Behörde ge­stattet, so wird auch der Arbeiter sie uicker dem Angebot entsprechender Vergütung nicht leicht ohne triftigen Grund ablehnen.

(Pf. B.)

*) Consequenterwcise müßten alle und jede Nachtarbeiten beseitigt werden, ob sie nun den menschlichen Bedürfnißen oder den sonstigen Le­bensgenüssen dienen; u. A. z. B. um den armen Wirthen den Schlaf und ihren Nachbarn die Ruhe nicht zu rauben. Da sich dies Alles aber in der Praxis wohl nicht so von selbst machen würde, so müßte freundlichen Angedenkens an die Polizeistunde demNormalarbeitstag" eine Normal-Ruhenacht" zur Seite gesetzt werden.

Anm. d. Red.

Eine Gouvernante.

(Fortsetzung.)

Ich erwartete Sie heute, aber nicht so früh," sagte sie.Cornelie! rief Ed­mund, sich über ihre Hände beugend, Sie

hier zu finden, die ich so lauge gesucht, so schmerzlich entbehrt!"Und mich wie­derzufinden, fiel sie ein, wiederzufinden au der Stelle, für welche die Natur mich recht eigentlich bestimmt, ich wußte, daß es Sie freuen würde."

Er war im Begriff, ihr zu sagen, daß er eine andere Stelle für sie offen gehalten, aus welcher er ihr, wie sein Glück zu gründen gehofft; sie ließ ihn aber nicht zu Worten kommen. Mein Tagewerk, begann sie, gestattet mir nur diese frühe Morgenstunde, nach Ihrer Kranken und nach Martina zu sehen. Sie kennen Martina?" fragte sie darauf plötzlich, und als er nicht ohne Verlegenheit den Kops neigte, fuhr sie fort, mit innigem Ton:Mein Leben ist reich durch meinen Berus, aber schön ist es nur durch dieses Kind; ich bin sehr glücklich, lieber Wolfram."

Sie hatte ihn neben sich auf eine Gar­tenbank genöthigt und ihr ruhig sicheres We­sen bald seine Befangenheit verscheucht. Er vergaß, daß ein tödlicher Bruch, eine viel­jährige Trennung zwischen ihrem letzten Beieinandersein und heute lag; es war ihm, als träfe er, von einer weiten Reise heim­kehrend, einen Freund, der treulich aus der Ferne mit ihm sortgelebt; denn so sorgfäl­tig sie gewissen Erinnerungen auSwich, so konnte es ihm doch nicht entgehen, daß sie schon vor der Bekanntschaft mit seiner Schwie­germutter, vielleicht durch Vermittlung ihrer Schweizerfreunde, seinem Entwicklungsgänge keine Fremde und Theilnahmslose geblieben sei. Aber so unbefangen wußte sie ihre ge­genseitigen Mithcilungen zu halten, daß, als sie sich endlich von ihm trennte, um ihren Schloßbesuch abzumachen, Edmund erst jetzt zu seinem Erstaunen inne ward, wie das ihnen Nächstliegende, ihr vergangenes und zukünftiges Verhältnis; nicht mit einer Sylbe erwahirt worden war.

Und so lebte er Tage und Wochen in ihrer Nähe, sah sie jeden Morgen, jeden Abend, allein, im Krankenzimmer, unter ihren Waisen, oder in Martina's Gesellschaft; nimmer aber kam die wichtige Frage zum Ausspruch, über welche.seiner Schwieger­mutter ängstlich forschender Blick, wie sein eigenes Gewissen eine Entscheidung forderte. Cornelie war wieder seine Freundin ge­worden, wie vor Jahren; die Gegenstände, über welche sie miteinander besprechend, wie berathend verkehrten, hatten sich er­weitert und vermehrt; so oft er aber ihrer spätem innern Beziehungen erwähnen, oder gar eine Folgerung für die Zukunft daran knüpfen wollte, lenkte sie unmerklich in eine andere Bahn, oder brach auch wohl ge­radezu und entschieden ab, indem sie sagte: Lassen wir das mein Freund! Aus dem Schachte der Erinnerung sollen wir nur das Dauernde zu Tage fördern. Für Täu­schung und Jrrthum sei und bleibe er ein Grab."

Aber wenn Täuschung und Jrrthum die Hebel redlichen Strebens und Gelingens ge­worden sind, Cornelie? wendete Wolfram ein.Wollen wir die schönen Sommer­früchte dankbar genießen und mit Andern theilen, aber die Stürme des Frühlings vergessen, die sie gezeitigt haben," crwie- derte Cornelie.