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als sehr viele Franzosen durchaus ableng- uen, daß das sranzösische Volk kriegslustig gewesen sei, und als die Leute in Frank­reich und auch im Elsaß sich bereits so vorgelogen haben, Deutschland sei der an- greisende, Frankreich der verrathene Theil gewesen, bis sie es jetzt in der Thal steif und fest glauben. Am 7. Juli 1870 sagt dieLiberia":

Nicht länger darf das preußische Schwert über unserem Haupte hängen. Diese Lage ist ebenso erniedrigend für uns, als ge­fährlich für die Welt. Wenn die Besitz­nahme des linken Rheinufers durch Frankreich die Lösung dieser Schwierigkeit ist, gut, so wollen wir die sich darbietende Gelegenheit benützen, um dieses Ufer wieder an uns zu nehmen, aus diplomatischem Wege, wenn möglich, durch den Krieg, wenn es nicht anders sein kann. Ein Ende

muß gemacht werden!-Preußen ist ein

Volk von Freibeutern, behandeln wir es als solches. Wahrscheinlich wird aber Preußen, um das Werk des Grafen Bis­marck nicht zu gefährden, lieber zurück­weichen, als sich schlagen. Nun, dann werden wir es mit Kolbenstößen in den Rücken zwingen, über den Rhein zu gehen und das linke Ufer zu räumen. (Girardin.)"

Am 20. Juli entwickelte dieLiberia" folgenden Feldzugsplan:

Einen Keil nach Hessen eintreiben, um die 3 Südstaaten zu neutralisiren; Frank­furt befreien und sich dort festsetzen; das preußische Gebiet auf dem linken Rhein­ufer auskehren; in Westphalen eiumarschiren und seine Linke auf Hannover und Däne- marck stützen; Preußen über die Elbe werfen; und einen deutschen Bund gründen ohne Preußen und Oesterreich, die beide nicht Deutsch sind.

Am 1. August schreibt A. Scholl in dasParis Journal": Wann marschirt man denn einmal? Wir werden bis zum 15. August nicht in Berlin sein!" Am 2. August berichtet derGauloiS" von dem großen Sieg bei Saarbrücken. Drei preußische Divisionen (45,000 Mann) sind vernichtet und zusammengeschossen. In der That waren es 1200 Mann, die 3 Divi­sionen Frossards mehrere Stunden auf­hielten.Paris Journal" erzählt, daß bei dem Ministerium des Innern bereits viele Meldungen um den Posten eines Präfekten von Saarbrücken eingegangen sind. DerOpinion Nationale" (Guaroult) schreibt:

Das Prinzip unserer Politik muß sein, daß Vreußen oder das geeinigte Deutschland aushört, einen Zoll Erde aus dem linken Rhein-Ufer zu besitzen. Frankreich wird seine Grenze abrunden, indem es sich die Pfalz und dis Rheingebiete bis zur Mosel beilegt. Dieß ist unerläßlich. Das Ge­biet nördlich von der Mosel könnte zum Theil an Belgien, zum Theil an Holland fallen: wenn es nur Preußen nicht mehr besitzt."

Es kommt dann die berühmte große Beflaggung am 6. August auf das Börsen­gerücht von einem großen Sieg bei Landau; die Enttäuschung folgt auf dem Fuße. Aber Paris Journal" tröstete:Und doch werden wir den Frieden in Preußen diktiren!

Europa muß schweigen, Europa möge sich in Acht nehmen!" DerGaulois" sagt: Die Preußen sind bei uns. Wir halten re. Keiner wird den Rhein Wiedersehen!" DerFigaro" schreibt:Wenn die Preußen die Frechheit haben, weiter in Frankreich vorzudringen, so kommen sie nicht lebend heraus!"

Miszellen.

Eine Gouvernante.

(Fortsetzung.)

Vor Sonnenaufgang war er schon wieder im Garten. Körperliche Aufregung sollte eine innere Aufregung beschwichtigen. Noch waren die Laden des Gartenzimmers ge­flossen, aber kaum daß die Sonne in die Höhe stieg, so sah er auch Martina leise öffnend heraustreten und sich von ihr wie einen alten Bekannten begrüßt. Er betrach­tete sie mit so viel Aufmerksamkeit, als seine Befangenheit zuließ. Die blaffen Züge, wie die bläuliche Färbung der Lieder zeug­ten von einer, und gewiß nicht von der ersten unruhigen Macht am Lager der Kranken; auch erschien sie ihm im Hellen, scharfen Morgenlichte allerdings nicht so fön als gestern im verklärten Abendroth; ihr fehlte Melanies frisch blühender Schmelz, wie Corneliens Formenreinheit, aber über der ganzen Erscheinung lag ein wohlthä- tiger Hauch gebreitet, erwärmend, nicht blendend, gleich einem verschleierten Sonnen­himmel.

Mittheilend ging sie eine Strecke an sei­ner Seite; von dem Zustande der Kranken lenkte er sie gar leicht auf ihr Verhältniß zu Cornelien, von der sie mit der wärm­sten Dankbarkeit und Bewunderung sprach.

Ich danke ihr Alles, sagte sie. Eine Fremde, übernahm sie Erziehung und Pflege des kränklich verwahrlosten Kindes. Meine Mutter mar todt, mein armer Vater durch Kümmernisse aller Art an Körper und Stimmung, wie in seinen äußerlichen Ver­hältnissen zerstört. Lange hatte er sich vergebens um die helfende Hand bemüht, welche endlich auf ein einfaches Zeitungs­anerbieten hin eine Unbekannte ihm bot. Tausend Andere würden vor der schweren Aufgabe geflohen sein; sie suchte rastlos und unerschrocken die Verwirrung nach allen Seiten hin auszugleichen, und sicher wäre es ihr gelungen, hätte nicht schon nach wenigen Monaten der Tod meines armen Vaters ihrem Streben ein Ende gemacht. Die Stelle einer Vorsteherin an diesem Waisenhause war damals unbesetzt, die Mutter bewarb sich bei der Negierung um dieselbe und erhielt sie. Auch hier war durch frühere Vernachlässigung manches im Argen; aber wie war sie hier am rech­ten Ort, zu säubern, einzurichten, die ein­gerissenen Mißstände durch neue fördernde Einrichtungen zu verdrängen, ruhig und gleichmäßig, aber unermüdet, Schritt für Schritt! Und nicht genug mit der Sor­genlast für hundert Waisen, die sie auf ihre Schultern genommen, belud sie sich noch mit der für das arme, elternlose Kind, dessen Bildung sie kaum begonnen und das, ohne Schutz und Schirm auf der Welt als

sie allein, mütterliche Liebe und Wohltha» an ihrem Herzen fand."

Thränen erstickten des guten Kindes Stimme, sie reichte ihrem Begleiter die Hand und ging rasch nach dem Hause zu­rück. Wolfram aber, erwärmt und belebt von dieser Schilderung, in welcher er Cor­nelien ganz und groß miedergefunden hatte, wie er sie verlaßen, wendete sich ent­schlossen der Gegend des Klosters zu. Es lag vor ihm in lautloser Morgenstille und Thürme und Giebel von den ersten Son­nenstrahlen beleuchtet. Ohne umzublicken, stieg er hastig die Terrassen nieder, die nach dem Flusse führen. Der Steg eines Schleusenthors dient als nächstes Verbin- dungsmittel zwischen den beiden Dominien des Schlosses und Klosters, und über diesen Steg sah er jetzt, da er auf der untersten Terrasse stand, Corneliens hohe ernste Ge­stalt langsam; und ohne daß sie ihn be­merkte, auf sich zuschreiten. Seine Füße wurzelten im Boden, seine Blicke hafteten auf der unerwarteten Erscheinung.

Die Jahre der Trennung und Anstren­gung hatten deutliche Spuren auf ihren Zü­gen zurückgelassen; sie schienen schärfer ab­gegrenzt, Augen und Mund größer ge­worden; die ernste, wenn gleich nicht düstere Farbe des Kleides dämpfte das erhöhte Kolo­rit. Als Edmund sie kennen lernte, war sie ein Mädchen in frischer, kräftiger Jugend; in diesem Augenblick kam sie ihm vor weder wie eine Jungfrau, noch wie eine Frau, nicht wie eine Nonne, noch wie eine Mutter, zwischen welche beide ihr Beruf sie stellte. Dieser Beruf hatte ihr ein eigenes Ge­präge gegeben und sie zu einem Einzel­wesen gestempelt.

Diese Beobachtungen durchblitzten Wolf­rams Sinn in den wenigen Minuten, als sie gedankenvoll, ohne aufzublicken, aber mehrmals inuehaltend, die Stufen zu ihm in die Höhe stieg. Er wußte nicht, sollte er fliehen, sollte er zu ihren Füßen nieder- stürtzen; ein Verlangen verdrängte das an­dere und da stand sie schon ihm gegen­über, erblassend, erbebend einen Augenblick, aber doch die Erste, sich zu fassen und mit dargebotener Hand und herzlichem Lächeln aus ihn zuzutreten.

(Fortsetzung folgt.)

Nachtrag.

Bieselsberg.

Haber- und Roggen-Verkauf.

Wegen Mangel an Raum zur Aufbe­wahrung bringe ich nächsten Montag den 4. September Morgens 6 Uhr im Gast­haus zum Adler zum Verkauf

4 Morgen schon gelegten

, Haber, guter Bestand,

iVs Morgen gelegten Roggen.

Auch empfehle ich gedroschenen ägyp­tischen Saatroggen.

I. G. Blaich, Müller, d. ältere.

Neuenbürg.

Heute Abend 8 Uhr im Lokal.

Der Turnath.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.