zu bilden. Gleichzeitig ist die Frage angeregt worden, ob es nicht für das Wohl Gesammtdeutschlands ersprießlicher wäre, überhaupt ein deutsches Gesammt-Ministe- rium zu constituiren.
Berlin wird nächstens der Mittelpunkt der „altkatholischen Agitation" werden. Mehre hervorragende Gegner der Jnfalli- bilitätslehre, darunter Professor Friedrich und Professor Michelis, werden in wenigen Tagen hier eintreffen, um hier in der Reichshauptstadt energisch für eine vollständige Trennung der Altkatholiken von den Ultramontanen und für die Bildung einer deutschen Nationalkirche zu wirken.
Bezüglich der parlamentarischen Arbeiten ist das Bestreben der Regierung dahin, gerichtet, die bevorstehende Herbstsession des Reichstages so kurz wie möglich zu bemessen, da einerseits ein nochmaliges Zusammentreten des Reichstages im Frühling k. I. unvermeidlich ist, andererseits auch den Landtagen in Preußen, Bayern, Sachsen rc. Spielraum gegönnt werden muß. Außer dem Budget werden dem Reichstage nur wenige dringende Vorlagen unterbreitet werden. Die Einberufung ist für Anfang Oktober, die Dauer auf höchstens 6 Wochen in Aussicht genommen.
Bezüglich der Absichten der Reichsregierung über Lösung der Münzsrage gewinnt es nicht den Anschein, als ob das frühere Enquete-Verfahren wieder ausgenommen oder ein neues eingeleitet werden würde, vielmehr wird die Regierung wohl mit einem fertigen Plane vor den Reichstag treten. Als Basis dürste die Einführung der Doppelwährung mit Goldmünzen zu 5 und 10 Thlr. und die Eintheilung des Thalers in 100 Theile zur Ermöglichung der Decimälrechuung anzusehen sein. Man hält den Anschluß an das Bestehende für geboten und erwägt nur noch, wie die Vermittelung zwischen norddeutscher und süddeutscher Währung am besten herbei- zusühren sei.
Karlsruhe, 26. Es ist in neuester Zeit mehrfach die Herstellung der Pferdebahn Gegenstand von Anfragen und Erörterungen gewesen, die aber zu keinem Ergebnis geführt haben. Wenn wir recht unterrichtet sind, ist dieser Gegenstand nun in das rechte Fahrwasser gelangt, indem sich eine Stuttgarter Gesellschaft entschlossen hat, den Bau auf ihre eigene Rechnung in Angriff zu nehmen, sobald die erforderliche Genehmigung hiezu ertheilt sein wird.
Darmstadt, 30. Aug. Nach Beschluß des engeren Ausschusses des Protestantenvereins findet hier am vierten und fünften Oktober der fünfte Protestantentag statt. Tagesordnung: Stellung des Protestantenvereins gegenüber dem Vorgehen Roms, Referent: Bluntschli. Stellung des Protestantenvereins gegenüber den klerikalen Bestrebungen innerhalb der protestantischen Kirche, Referent: Baumgarten.
Württemberg.
Stuttgart, 31. Aug. (Blitzschlag.) Heute Vormittag kurz nach 10 Uhr hat ein mit gewaltigem Donner verbundener Blitzstrahl in die frühere Gardekaserne eingeschlagen. Der Feuerstrahl traf den in der
Mitte des rechten Flügels befindlichen Blitzableiter und fuhr ohne zuf zünden und ohne Schaden anzurichten in den Boden.
(S. V.)
Mit dem 1. September d. I. treten für den westdeutschen Verbandsgüterverkehr neue reglementarische Bestimmungen in Wirksamkeit, welche von den Vecbandsgüter- expeditionen, soweit der Vorrath reicht, um den Preis von 18 kr. bezogen werden können.
Ulm, 30. Aug. Diese Woche ist unsere Ausstellung auf kurze Zeit mit einem Schaustück bereichert worden, das an Neich- thum und Pracht Alles hinter sich läßt, was in diesem Genre bis jetzt geboten wurde. Wir meinen den dem General Werder gewidmeten Ehrendegen, der in der neuen Markthalle aufgestellt ist.
Schwäbische Industrie-Ausstellung.
* Ulm, im August 1871. Jn lakirten Roß- und Rindhäuten, lakirten Schaffellen und lakirten Baumwollstoffen hat I. M. Eckart (Ulm) sehr bedeutendes geleistet. Seine Artikel: Damentaschen, Hand- und Reisekoffer, Kappenschirme, Sturmbänder, Manschetten, gedruckte Wachstücher und Schürzenstoffe, zeigen großen Fleiß in der Behandlung und dem entsprechend seltene Schönheit in der Lakirung, auch bei bunter Farbe. In Süddeutschland wird Eckarts Geschäft kaum einen ebenbürtigen Konkurrenten haben. Rieding er (Augsburg) hat hier eine hervorragende Ausstellung: Gegenstände für Gas- und Wasserleitungen Koch- und Heizapparate rc., Maschinen für Bierbrauerei-Einrichtungen, Werkzeugmaschinen, Gaskandclaber, Lustres in reichster Auswahl und schönstem Arrangement. — Gehen wir nun der Mitte des Saales entlang, so folgt auf Riedinger: Baur, Fabrik künstlicher Blumen in Biberach, mit einem kolossalen Blumenbouquet, auf diesen wieder einer der Glanzpunkte der Ausstellung: Die Porzellan- und Steingutfabrik von Uechtritz und Faist in Schramberg. Den Reichthum dieser Produktion muß man sehen. Für den Besuchenden ist von besonderem Interesse die Gelegenheit, die sich ihm bietet, an ausgestellten S Kolben die ganze Behandlung des Materials zu erkennen. Man sieht hier zuerst die rauhe, dann die fettere Tonerde, den Thonschiefer, den Quarz, den Feldspath. Eine Anzahl von Kolben enthält dann die Rohstoffe pulverisirt, in weiterer Fortsetzung erblickt man die Steinmassen gemischt, dann zeigen zwei Hand- krügchen die fertige Masse, gemahlen oder gepreßt, und endlich sieht man, was noch die Hand des Arbeiters geleistet: die Waare, durch den ersten Brand mit, durch den zweiten ohne Glasur. Hieran schließen sich dann die einzelnen Artikel an: in schwarzem Steingut patentirte Tintenzeuge in herrlichem Farbenglanz, Vasen, darnnter namentlich eine „Ausstellungsvase", die mit dem Ulmer Stadtwappen geschmückt ist. Auf der Rückseite ist eine 4^ hohe Vase zu sehen, ein Prachtstück —, sieben gleiche mußten vernichtet werden, bis diese eine entsprach. Nach dem blauen Steingut, bei dessen Malereien bemerkt werden muß, daß dieselben nicht eingebrannt, son
dern mit freier Hand gefertigt worden, kommen Gegenstände aus „Opaque", Mit- telporcellan, welcher besser ist als das blose Steingut, aus grünem Steingut sind Früchte teller da mit wunderbar schöner Farbenmischung, die ebenfalls in der Fabrik selbst laborirt wird, Teller, Aufsätze, Uhrenschilder von 4'/«— 6", Waschservicen mit vollständigem Zubehör, Kaffee- und Thee- servicen für größere und kleinere Kreise. Der Raum allein gestattete den Ausstellern nicht, auch von ihren Leistungen in Oefen und in der Kunst der Steingutmalerei einiges beizubringen. — Glaswaaren, de- korirtes Porzellan, chemisch-pharmazeutische Geräthschaften in sehr schöner Zusammenstellung, mehrere Etagen hoch aufgebaut, sind vonRominger (Stuttgart und Zuffenhausen) geliefert, eine Monstreausstellung von Stöcken (1001 Stück, deren Spitze ein Regimentstambourstock mit vergoldetem Knopf bildet) hat Hedinger (Stuttgart) Starker und Pobuda (Chokolade- und Liquerfabrik in Stuttgart) stellen eine sehr einladende Menge von Chokoladen, Bonbons, Essenzen und Liqueuren aus, und hier muß die namentlich durch künstlerische Arbeiten hervorragende Fabrik der Gebr. Wald baur (Stuttgart) genannt werden, die z. B. eine Löwenjagd mit bcwunderungs- werther Feinheit in Chokolademasse gearbeitet hat. Ferner ist mit Chokoladefa- brikaten, Punschessenzen, Liqueuren, Senf Essig und Gewürzen vertreten: Kaufmann, (Denkendorf). Diesen Firmen reiht sich an G. A. Weiß (Stuttgart) ebenfalls mit Chokoladcfabrikaten. Eine reiche und verführerische Auswahl ihrer weltberühmten Rauch- und Schnupftabake haben Gebrüder Bürgten (Ulm) geliefert. Weiß- waaren bringt I. Röder (Ulm) zur Schau, der mit Vorhangstoffen die große Rückwand über der Riedinger'schen Ausstellung deckt, besonders wichtig sind Beck und SaIzmann (Ulm), deren „W e i ß w a a r en- fabrik" glatte und gestickte Artikel ausgestellt. Die ersten (L1ou886lin8 or§ancki8 u. AaimocIc8) zu Kleidern und Confektionen verwendbar, werden in den der Firma gehörigen Webereien zu Ravensburg gefertigt ihr Absatzgebiet ist der ganze Umfang des Zollvereins. Die gestickten Gardinenstoffe werden auf Tambourirmaschinen aus freier Hand gearbeitet, außer Württemberg liefert kein zweites Land in Deutschland diese Artikel, welche in Weißenau bei Ravensburg gebleicht und appretirt werden. Beweis für die Güte der Waare ist, daß Beck und Salz mann auf der Londoner Ausstellung die einzige Firma in Deutschland waren, welche in dieser Branche die Preißmedaille bekam, und daß ihnen gleicherweise auf der Pariser Ausstellung eine Medaille zuerkannt wurde.
Ausland.
Paris. Die „Illustration", das ge- lesenste illustrirte Blatt in Frankreich, erweckt in einer Reihe von Artikeln unter der Ueberschrift: „Die Sprache der Presse während des Krieges", sehr zeitgemäße Erinnerungen an das, was von der Presse und der öffentlichen Meinung in Frankreich vor einem Jahr gesündigt worden ist. Diese Erinnerung ist um so zeitgemäßer.