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in unserer Stadt auf, ohne jedoch einen epidemischen Charakter anzunehmen; in den letzten 3 Monaten starben 56 Personen an demselben.
Seit 1. d. Mts. hat der württemb. Personenzug Nr. 12. in Folge der Einführung der Personenbeförderung im badischen Zug Nr. 133 wiederum Anschluß ab Mühlacker nach Stationen der badischen Bahn in der Richtung nach Pforzheim- Karlsruhe rc.
Vom Enzthal, 3. Juni. Heute wurden in den Weinbergen bei Roswaag die ersten blühenden Trauben, 2 Trollinger an 2 Stöcken, gefunden. Der Stand der Weinberge ist ein befriedigender. Ungefähr ein Viertel der Augen hat durch die Winterkälte gelitten? die Frühjahrsfröste sind ohne den geringsten Schaden vorübergegangen.
(S. M.)
Wildbad, 3. Juni. Gestern Abend um 4 Uhr traf der Generalgouverneur von Elsaß-Lothringen, Graf v. Bismarck- Bohlen, mit Bedienung hier zu einem Kurgebrauch ein und nahm im Hotel Klumpp Wohnung.
Ausland.
Aus Versailles, 30. Mai. Die nächsten Sitzungen der Nationalversammlung dürften große Dinge zu Tage fördern; Erhaltung der Republik, Einsetzung einer Militärdiktatur entweder mit Changarnier oder Mac-Mahon, oder Herstellung der Monarchie sind die dermalen auf der Tagesordnung stehenden Fragen. Die liegen aber wie in Spanien. Jede Partei will einen Mann auf den Thron erheben und keine ist mit dem erhobenen zufrieden. — In Paris und Versailles spitzen sich die Gegensätze in der Frage der künftigen Regierungsform mit jedem Tage schärfer zu. Die beiden Linien der Bourbons haben sich ersichtlich in dem mehrfach bezeichnten Sinne einander genähert, daß die Orleans eine Berufung Heinrichs V. als König durch die Nationalversammlung anerkennen würden.
Versailles, 4. Juui. Pascal Grous- set ist gestern in Paris verhaftet worden, Man forscht eifrig nach Pyat, welcher Paris wahrscheinlich gar nicht verlassen hat.
Paris. Seit einigen Tagen sind die Truppen vom Genie mit Civil-Jngenieurs beschäftigt, aus den Abzugskanälen Pulver, Dynamit, elektrische Drähte u. s. w. weg- zunehmen, und man wundert sich jetzt erst recht, daß das Quartier des Ternes, der Boulevard Malesherbes, das Quartier St. Lazare u. s. w. nicht in die Luft geflogen sind; die Commune hatte es an Vorbereitungen nicht fehlen lassen, doch fehlte ihr zum Glück Zeit und Ordnung zur Ausführung, auch wurden viele Drähte von entschlossenen Bürgern zerschnitten, die sich in die Abzugskanäle wagten und für ihre Familie wie ihre Mitbürger ihr Leben auf's Spiel setzten. Der Plan war, das Vordringen der Truppen durch regelmäßig an den unhaltbar gewordenen Punkten bewirkte Explosionen zu hemmen. — In der Kirche Saint Sulvice fand man 400 Insurgenten im Hemde, die sich krank stellten
sie wurden mit ihren nachgemachten Aerzten erschossen. — In ganz Frankreich werden jetzt viele Verhaftungen vorgenommen; entweder sind es Personen, die aus Paris geflohen sind, oder solche, die mit der Commune in irgend einer Beziehung stehen sollen. (Nrh. C.)
Am 29. Mai begannen die Massen- Beerdigungen auf dem Champ de Mars, und man erzählte in Versailles, daß 9000 Leichen, nach vorherigen Vorsichtsmaßregeln gegen Seuchen, eingescharrt wurden. Man übergießt die Leichen mit Petroleum und verkohlt sie. Thatsächlich ist, daß man an allen Ecken und Enden Insurgenten und „Petroleusen" füsilirt hat. Ein am 31. Mai durch Paris Wandernder fand außer den Brandstätten und Spuren des Kampfes nichts so auffallend, als die Unmasse von Bettlern und Nothleidenden, Knaben und Mädchen, welche mit herzzerreißenden Klagelauten und Geberden um Almosen flehen. Die Noth ist in Paris groß, aber viele jener bettelnden Kinder sind schlimmer als alle anderen daran, weil ihre Väter im Kampfe gefallen oder als Gefangene abgeführt wurden und die Mütter, denen es an Allem fehlt, nun gezwungen sind, sich an die erste beste Ecke zu stellen und die Gaben zu sammeln, welche die armen Kinder von den Vorübergehenden erhalten. — Während Frankreich Katastrophe über Kata- strohe, eine fürchterlicher als die andere, durchmacht, befindet sich Hr. Emil Ollivier noch immer auf der bei Turin gelegenen Villa eines ihm befreundeten italienischen Abgeordneten, schreibt an einem Buche, welches beweisen wird, daß er immer in allem Recht gehabt hat.
Die Nachrichten von der Hungersnoth in Persien sind entsetzenerregend. Wie man dem Levant-Herald aus Tabris vom 30. April schreibt, hat die Dürre des vorigen Jahres am schlimmsten die südlichen und mittleren Provinzen heimgesucht. Selbst in den Straßen der Hauptstadt sterben die Armen zu Hunderten; aber in Khorasan ist es so weit gekommen, daß die Eltern ihre Kinder den Turkmanen in die Sklaverei verkaufen, um sie nur vor dem Tode zu retten, und in Jspahan soll man Leute angetroffen haben, wie sie Leichen ausgruben, um sie als Nahrung ihren verschmachtenden Familien zu bringen.
(S. M.)
Miszellen.
Aus einer andern Welt.
Von Emil D.. .
(Schluß.)
„Sie sehen", sagte der Wirth zu mir, „ich bin vollkommen bei Sinnen".
„Ich suchte Sie bereits in Manchester, denn ich bringe Ihnen das Versprochene, fuhr die junge Dame fort, und überreichte ihm einen versiegelten Brief."
„Mein Gott, das ist die Schrift meines Billets, rief er aus, die Todte hat geschrieben! Sie sind aus dem Grabe erstanden?"
«Ich -- aus dem Grabe erstanden?" rief die Dame verwundert, „sehe ich denn I wie ein Gespenst aus?"
„Es ist aber ihre Stimme, es sind ihre Augen, ihre erfurchtgebietenden Bewegungen — dann diese Schrift —"
„Ist die Schrift meiner armen Schwester", sagte die Fremde, „ich vollziehe eine ihrer letzten Anordnungen."
Bei diesen Worten faßte unser Wirth wieder sichtlich Muth, öffnete den Brief, las und rief zuletzt freudig aus: „Wie — ist es wirklich wahr?
„Ja, erwiderte die Dame, meine Schwester mußte Alles. Ihre Frau war unschuldig. Der Knabe, welchen sie als ihr eigen Kind hatte erziehen lassen, war der Sohn einer sehr hochgestellten Dame, der Gräfin St. . ., einer sehr intimen Freundin meiner Schwester, deren Ehre sie durch ihre Verschwiegenheit rettete".
„Und meine Frau, die Gute, hatte den Muth, meine Vorwürfe zu ertragen?"
„Um ihr Glück zu machen, fuhr die Fremde fort, „denn sie erhielt für diesen Dienst tausend Pfund Sterling. Meine Schwester wußte Ihren Zorn zu beschwören, indem sie Ihnen Gelegenheit gab „Othello" zu sehen; sie wollte Ihnen beweisen, daß ein eifersüchtiger Ehemann eine unschuldige Frau verleumden kann. Es ist ihr gelungen, ohne das ihr geschenkte Vertrauen zu täuschen, — sie hat Ihnen das Glück wieder gegeben, — beten Sie zuweilen für sie."
„Meine Gnädige", sagte ich zu der unbekannten Dame, „ich war Zeuge des kleinen Drama's, worin Sie eine so schöne Rolle spielen; ich weiß Alles nur nicht Ihren und Ihrer Schwester werthen Namen —"
„Da kann ich gleich dienen", erwiederte die Unbekannte, meine Schwester hieß Mali- bran, und ich heiße Pauline Garcia."
Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, so zog sie sich mit einer Verbeugung zurück. Während ich über diese sonderbare Begebenheit nachsann, hörte ich ein leises Kosen hinter mir. Ich wandte mich um — es war der Wirth, der seine Frau, die, um die Scene voll zu machen, auch erschienen war, zärtlich umschlungen hielt." So weit die Erzählung des berühmten Componisten.
(D. Bad. Z.)
Französische Geschichtstabelle zum Auswendiglernen.
24. Februar 1848: Revolution.
2. Dezember 1852: Contrerevolution gegen die Revolution.
4. September 1870: Contrerevolution gegen die, gegen die Revolution gerichtete Coutrerevolution.
18. März 1871: Contrerevloution gegen die, gegen die Contrerevolution der Revolution gerichtete Contrerevolution.
Mai 1871: Sieg der gegen die Contrerevolution der gegen die Contrerevolution der Contrerevolution der Revolution gerichteten Contrevolution. (B. W.)
Liederkraiy.
Samstag 7sis Uhr.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.