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an drn Gipfeln befindlichen Zapfen in ihrer gelben Farbe fah. Oft mußte ich still stehen, bis sich die wie «ine Gerte niedergebogenen wieder in die Höhe richteten und rasch eilte ich vorwärts um der Gefahr, erschlagen zu werden, zu entgehen. Infolge ZugS- verspätung konnte ich erst um 10 Uhr nachts den Heimweg von der Station aus antreten. Da inzwischen viele Tannen gestürzt waren und über die neu« Straße lagen, nahm ich den Weg statt Neubulach zu, über Altbulach und ging den Hochberg hinauf, welcher niederen Waldbestand hat. Auf der Höhe angekommen wurde ich aber von solchem Unwetter empfangen, daß eS der größten Kraftanstrengung bedurft«, gegen Sturm und Regen ankämpfend vorwärts zu kommen. Endlich kam ich nach Altbulach, meine Laterne war erloschen und nur die außergewöhnliche Hells, welche der Blitz verbreitete, ermöglichte es mir, mich zeitweise zu orientieren. Das Wasser floß von meinem neuen Mantel der um Handlänge zu kurz ist, direkt in meine Schaftstiefel, di« in kurzer Zeit gefüllt waren. Als ich noch eine Viert» lstunde von Neubulach entfernt war, zuckte ein reller Blitzstrahl auf, dem langanhaltender Donner olgte, der Sturm wurde noch größer und eine Hagelflut kam mir ins Gesicht, daß ich dem Ersticken nahe war. Nur rückwärts laufend konnte ich noch Atem holen. An einem Zaun entlang kam ich zum ersten Haus, ein ganzer Bach kam aus dem Städtle geschaffen ; an der Thüre lehnend rang ich einige Zeit nach Luft, daS Wasser floß in Strömen von meinem Körper. Wieder auf der Straße, brachte ich zunächst meine Postsachen in Sicherheit, meine Vorgesetzten zeigten sich teilnehmend über das Durchlebte. Beim Gang zu meinem Hause stürzten Läden und Fenster zur Straße, Splitter von Ziegelschcrben flogen mir ins Gesicht. Die Meiüigen, welche in Angst und Unruhe um mich waren, hatten bereits für ein warmes Zimmer und trockene Kleider gesorgt. Die andere Nacht war nicht viel bester, weshalb mein Sohn den Dienst übernahm. So gestaltete sich mein Dienst zwischen Neubulach und Station Teinach in der Nacht vom 12. auf 13. ds. Kleiner Mut ist bei diesen Gängen das ganze Jahr durch nicht am Platze."
r. Unterreichenbach, 16. Jan. An Stelle einer „Weihnachtsfeier" arrangirte der hies. „Turn- Verein" für seine Mitglieder eine recht genußreiche Abendunterhaltung in der Löwenhalle. Theatral. Aufführungen von lustigen, recht humoristischen Schwänken, Gesang- und Zither-Vorträge, vermischt mit den anregenden Märschen der hiesigen Musikkapelle ließen die Zeit rasch verstreichen. Insbesondere waren eS aber die „turnerischen Leistungen" des Vereins im raschen gewandten Ausbau von „lebendigen Turner-Pyramiden" die allgemeines Interesse und Bewunderung erregten, so namentlich am Schluffe die „Pfeiler-Pyramide" an deren durch- geschobener Reckstange der altbewährte Turnlehrer Beck ein Bravourstück, einzig fast in seiner Art, den staunenden Zuschauern darbot. Eine Verlosung und das übliche Tänzchen endeten die angenehme Unterhaltung. Sehr der Ewähnung und für Vereine der Beachtung wert, ist die Neueinrichtung einer „Theater- Bühne" in der hies. „Löwenhalle". Dieselbe funk- tionirte — an diesem Abend erstmals in Action — vortrefflich. Di« reiche, gediegene Ausstattung zeigt, daß der Besitzer keine Kosten scheute, um den daran
gestellten Anforderungen für dementsprechende Verhältnisse, gerecht zu werden.
Stuttgart, 16. Jan. Bericht der Steuerkommission über die abweichenden Beschlüsse derKammer der Standesherren zu dem Gesetzentwurf betr. die Einkommensteuer. Berichterstatter Gröber (3) In den zwei Kardinalpunkten, dem Tarif und der Budgetfrage, sei auch bei der wiederholten Beratung des Ges.-Entw. keine Verständigung zwischen beiden Häusern zu erzielen gewesen. In der Frage, ob der Art. 17 Abs. 3 eine Verfassungsänderung enthalte oder nicht, sei die Kommission auf ihrem früheren Standpurkte geblieben. Es sei somit im Interesse des Zustandekommens der Reform nur noch übrig geblieben, einen Weg zu suchen, auf welchem eine Collision mit der Verfassung ausgeschlossen sei. Man sei deshalb zu der Erwägung gekommen, ob nicht durch eine periodische Giltigkeitsdauer des Gesetzes dir Schwierigkeiten überwunden werden könnten. Gegen eine längere Befristung sei indes eingewendet worden, daß daS andere Haus darin seinen Zweck vereitelt sehen werde, eine Befristung des Gesetzes nur auf wenige Jahre werde dagegen eine vollständige Unsicherheit schaffen. Man habe infolgedessen die Schaffung eines Schlußartikels in Beratung gezogen, wonach, wenn in zwei aufeinanderfolgenden Finanzperioden die Notwendigkeit einer Erhöhung des Normalsatzes heroor- getreten sei, eine Revision deS Tarifs zu erfolgen habe. Käme eine solche nicht zustande, so sollten die Ertragsteuern wieder in Kraft treten. Auch dieser Vorschlag habe nur eine geteilte Aufnahme gefunden, weil dadurch die definitive Lösung der Reformsrage abermals aufgehoben und die Möglichkeit, daß inzwischen ungünstigere Verhältnisse eintrcten, geschaffen worden wäre. Da nun das Zustandekommen einer Zweidrittelsmehrheit für den Art. 17 Abs. 2 ganz aussichtslos gewesen sei, sei die Kommission mit allen gegen eine Stimme zu dem Beschluß gekommen, bei dem Plenum zu beantragen, in die Einzelberatung der abweichenden Beschlüsse der Kammer der Standesherren nicht einzugehen. Durch die Annahme dieses Antrags werde allerdings der Gesitzentwurf fallen, es würde aber dadurch auch vermieden, daß durch den Gang der Einzelberalung möglicherweise ein Präjudiz für eine künftige Steuerreform geschaffen werde. Er empfehle den KomissionS-Antrag zur Annahme v. Geß (D. P) ist der Meinung, daß es correkter wäre, noch einmal auf die Einzelberatung der beiden Differenzpunkte einzugehen, allein da ein dahingehender Antrag doch keine Aussicht auf Annahme hätte, wolle er ihn lieber nicht stellen. Da die Volkspartei kategorisch erklärt habe, daß sie dem Art. 17, Abs. 3 unter keinen Umständen zustimmen werde und das andere Haus ohne denselben den Gesetz-Entwurf nicht annehmen wolle, so bestehe keine Möglichkeit mehr die Steuerreform zu reiten. DaS sei ein im höchsten Maße bedauerliches Ereignis der langen Verhandlungen. Es wäre grausam den Todeskampf der Reform noch zu verlängern. Nach Lage der Verhältnisse stimmen seine Fraktionsgenoffen dem Kommissions-Antrag zu. Haußman n-Balingen (V. P.) erklärt namens seiner politischen Freunde, daß sie dem Kommissions-Antrag zustimmen werden und zwar aus folgenden Gründen. Durch die dreimalige Abstimmung über den Gesetz- Entwurf habe seine Fraktion ihre Sympathien für das Zustandekommen der Steuerreform zum Ausdruck
gebracht und gegen das andere Haus ein hohes Maß von Entgegenkommen gezeigt. Allein ihr Entgegenkommen müsse auch Grenzen haben. Selbst die Regierung habe daS Entgegenkommen seiner Fraktionsgenoffen als annehmbar erklärt. Trotzdem Hab« daS andere HauS auf seinen Forderungen beharrt. DaS Verhalten des andere» Hauses in der Tariffrage stehe im Widerspruch zu dem Grundsatz der Progression und seine politischen Freunde glauben, daß man mit dem Verlangen, die großen Vermögen zu schonen, nicht vor die Bevölkerung Württembergs treten dürfe! Ferner glauben sie, daß sie eine Machterweiterung deS andern Hauses nicht fördern dürfen. Erst in den letzten Tagen habe man eS erlebt, daß dasselbe sich den Wünschen des Volkes vollständig verschließe und nicht nur zu diesem Hause, sondern auch zu der Regierung in schroffen Gegensatz trete. Die Kamme» der Abgeordneten müsse die Hüterin des verfassungsmäßigen Rechtes sein und dürfe nie und nimmer zugebrn, daß auf grundgesetzliche Bestimmungen verzichtet werde, ohne daß wertvolle Rechte dagegen concedirt werden. Dazu sei die politische Erwägung getreten, daß der Schaden größer wäre, wenn die Kammer der Standesherren den entscheidenden Faktor in Württemberg bilden würde, als der Nutzen, welche daS Land von der Steuerreform hätte. Die Lage sei bedauerlich, in welche der Finanzminister geraten, aber ihm zuliebe können seine politischen Freunde kein« Verletzung wichtiger Rechte zugeben. Die Verantwortung für das Scheitern der Steuerreform treffe daS andere Haus, dessen Forderungen ohne Schaden für die öffentlichen Interessen nicht annehmbar seien. (Beifall bei der Volkspartei.) Rembold (Z.) Seine Fraktion hätte in Würdigung der großen Vorteile, welche die Steuerreform dem Lande gebracht, durch Annahme des Art. 17 Abs. 3 ein Opfer gebracht. Sie Habs sich aufs lebhafteste für das Zustandekommen derselben bemüht und treu bis zuletzt ausgehalten. Sie stehe nun doch vor der Thatsache, daß der Gesetz- Entwurf scheitern werde. Schweren Herzens verlasse sie das Haus, aber mit dem Bewußtsein, bis zum letzten Moment ihre Schuldigkeit gethan zu haben. (Beifall im Zeutrum.) Finanzminister v. Zeyer Die Regierung bedaure die Thatsache, daß nun auch die Steuerreform scheitern werde. Zu bedauern sei aber nicht er, sondern das Land. Er wolle nicht untersuchen, wem die Schuld am Scheitern der Reform beizumessen sei, sondern nur konstatieren, daß die Regierung eine solche nicht treffe. Die Regierung habe so große Nachgiebigkeit gezeigt, daß sie sogar Angriffe zu bestehen gehabt habe. Nicht an einem steuerrechtlichen, sondern an einem politischen Differenzpunkt scheitere der Gesetz-Entwurf an dem Antagonismus zwischen beiden Kammern. Das Land komme damit um ein Gesetz, das hinsichtlich seines fortschrittlichen Charakters und seiner liberalen Tendenz seinesgleichen gesucht hätte. Die Regierung wisse angesichts der bestehenden Situation keinen weiteren Vorschlag zu machen und sei auch in absehbarer Zeit nicht wieder in der Lage, einen neuen Gesetz-Entwurf einzubringen, da an derselben Frage jeder neue Entwurf abermals scheitern werde. Bei der nun folgenden Abstimmung wurde der Kommissions-Antrag mit 73 gegen 11 Stimmen angenommen. Gegen denselben stimmten die 6 Prälaten, die Ritter Graf Adelmann, v. Hermann, v. Wächter, v. Seckendorf und der Abg. v. Hohl. Abwesend waren v. Schad,
ihre Gedanken schweiften zu dem Geliebten, sie meinte ihn ebenso gut mit den Worten.
„Ja, sie ist eine liebe, prächtige Frau, der nur eins noch fehlt, das Vertrauen in ihren Mann; er könnte nicht anders sein, als er ist und er liebt sie, aber freilich, wenn er immer hören muß, daß man ihn, den bürgerlichen Kaufmann, nur des Geldes halber wählte, so kann man sich denken, wie das empfindlich weh thut."
„Die gnädige Frau sagt es gewiß nicht, Vater."
„Nein, aber sie spricht ihm nur von Dankbarkeft, die sie gegen ihn empfindet und auch das genügt meinem lieben Herrn Senator nicht."
„Aber der Herr Senator steht sich mit seinem Schwager gut?"
„Jawohl, sehr gut; ich denke manchmal eS würde ihm gelingen, die Schwester etwas zu ändern, doch will er nicht die Kastanien aus dem Feuer holen, ist auch wohl mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt."
Gertrud ward purpurrot und beugte sich tiefer auf ihre Kärtchen herab, der Vater sah es wohl, sein Gesicht war trübe, aber er sagte nichts. Lothar von Trahlow war seit beinah acht Wochen in der Residenz, um ein ihm übertragenes Notariat zu vertreten, darauf hin hoffte er auch bald eine neue Anstellung zu erhalten. Van der Huylen hatte dem treuen Diener mit Handschlag versichert, Lothar werde sicher Gertrud heiraten, so daß derselbe es nun auch glaubte, denn sein Chef war die Wahrhaftigkeit selber. —
Draußen klingelte es an der Entreethüre und Gertrud ging nachzusehen, wer wohl käme, denn eS war beinahe fünf Uhr; gleich darauf hörte der Vater einen helleren Ausruf und die Worte: „Ich komme, um Sie in den Bazar ab- abzuholen, liebe Gertrud, machen Sie sich zurecht!"
Es war Frau van der Huylen, frisch, rosig und lieblich wie immer trat
sie in das Zimmer, drückte Herrn Winkler freundlich auf seinen Stuhl zurück und erklärte ihm ebenfalls den Grund ihres Kommens.
„Sie haben doch nichts dagegen?" frug sie lächelnd, „mein Mann kommt vielleicht nach und ich möchte nicht allein in die Weihnachtsausfiellung gehen, so holte ich mir Ihre Gertrud."
„Sie sind so freundlich, liebe gnädige Frau."
„Aber ich bitte Sie, Herr Winkler! Denken Sie nur, Herr Winkler, welche Freude wir heute erlebten, Lothar kam unerwartet zurück, mit der Aussicht, schon eine Amtsrichterstelle zu erhalten."
„Ei, da kann ich Ihnen gratulieren, gnädige Frau, der Herr Assessor ist ein rechtschaffener, tüchtiger Mann, der im Leben schon fortkommen wird."
„Sie wissen doch ebenfalls, Herr Winkler, welch' herzliche Wünsche mein Bruder an die Anstellung knüpft?" mit einem glücklichen Lächeln reichte sie ihm die Hand, die er treuherzig in der seinen drückte.
„Ach, gnädige Frau, ich weiß es freilich und möchte auch meinem einzigen Kinde das Glück seiner Liebe gönnen, aber wenn der Herr Assessor auch noch die ehrliche Absicht hegen sollte, so muß er doch die mütterliche Erlaubnis zu der Ehe besitzen, sonst — geht eS nicht! Ich kenne die gnädige Frau von Trahlow ziemlich gut."
Es war gut, daß die eintretende Gertrud dem etwas peinlich werdenden Gespräch ein Ende machte, Nora erwiderte nur schweigend den Blick und Händedruck des Allen, dann wandte sie sich zu dem jungen Mädchen: „Kommen Sie, Gertrudchen, nicht wahr, Sie erlauben, daß ich Ihnen ein kleines Andenken aus dem Bazar aussuche?"
(Fortsetzung folgt.)