nicht durch seine Geschichte des Kaiserreichs eine Stimmung in Frankreich vorbereitcn geholfen, die cS dem letzten Kabinet Louis Napoleons so leicht machte, das ganze Land in den Schwindel des vermaledeiten Krieges lsineinzuziehen, an dessen Schluß wir, so Gott will, jetzt endlich angekommen sind. Er ist heute für uns nur der Mann, der im Juli die warnende Kassandrastimme er­hob und vier Monate später, nachdem seine diplomatische Rundreise erfolglos geblieben, einem Waffenstillstände das Wort redete, der, wäre er damals angenommen und zur sofortigen Einberufung der Volksvertreter benutzt worden, Franzosen und Deutschen unsäglich viel Unheil erspart hätte.

Auch in Jules Favre sehen wir im Augenblicke nicht den Anwalt der Revanche für Sadoma, noch den allzustolzen Diplo­maten von FerriüreS, als welcher auch er von einer indirekten Mitschuld an den jetzigen Verhältnissen schwerlich ganz freigcsprochen werden kann. Wir sehen in ihm den in Wahrheit nur an sein Vaterland denken­den Patrioten, den besonnenen Unterhänd­ler, den fühlenden Menschen, der in Bordeaux tief ergriffen fache:

Wir dürfen keine Minute verlieren, dürfen unsere unglücklichen Provinzbcwoh- ner nicht vergessen, denen der Feind den Fuß auf den Nacken gesetzt ohne daß wir bei aller Anstrengung ihre Leiden zu mil­dern vermochten, wie wir gewollt hätten. Mit zwei solchen Männern dürfen wir zu einem möglichst glimpflichen Frieden zu ge­langen hoffen, zumal da auch in der Natio­nal-Versammlung die Heißsporne offenbar in starker Minderheit sind und die Stadt Bordeaux selbst, deren Stimmung, wie die menschlichen Dinge einmal bewandt sind, nicht ohne Einfluß auf das Gebühren der Deputirten bleiben kann, nach einem Privat- Telegramm desBundes" fast einmüthig die Demonstrationen zu Gunsten der cxaltir- tcn Pariser mißbilligt. Hoffentlich ist in diese Letzteren selbst, bei deren Ernennung sich die Hauptstadt, mit derFrance" zu reden, als eigensinnig trotzendes Kind ge­zeigt hat, mit der Zeit eine ruhige Besin­nung eingekehrt, und sie überlegen sich's zweimal, ehe sie durch protestirenden Aus­tritt, sobald ein ihren Gesinnungen nicht entsprechender Beschluß gefaßt wird, neue, verderbliche Verwirrung anrichten.

Daß ihnen die Gelegenheit dazu nicht fehlen würde, geht schon aus dem Antrag Keller über Elsaß-Lothringen hervor. An diesen anknüpfend sagt der Art., daß einem solchen Antrag das Ergebniß der Unter- bandlungen zwischen ThicrS, Favre und Bismarck nicht entsprechen wird, sieht wohl Jeder von uns mit vollster Sicherheit vor­aus. Die Versammlung wird also nach­geben müssen. Das Resultat im Sinne des Kellcr'schcn Antrages ablehnen, kann sie nicht wohl, da sie weiß, daß Frankreich die Kräfte zu siegreicher Fortsetzung des Kampfes nicht hat, und die bis jetzt durch­aus hohlen Demonstrationen in England cme gar zu unsichere Anweisung auf wirk­liche Hilfe, auf Gelder, Waffen und Trup­pen sind. Dann also ist der Augenblick gekommen, wo die äußerste Linke der Ver­sammlung zu zeigen bat, ob sie zum Heile

Frankreichs die Verminst über die Leiden­schaft oder zit seinem Verderben die Leiden­schaft über die Vernunft stellt.

Etwas für ihren Zweck zu erreichen kann sie im letzten Falle kaum hoffen; sie kann nur ihre politische Unreife darthnn. Viel­leicht hält diese Erwägung sie zurück vielleicht auch nicht.

H Friedens-Präliminarien

sind es, die gegenwärtig in Versailles vor­bereitet werden: cs fand zu diesem Zwecke eine entscheidende Zusammenkunft zwischen Bismarck und Thiers am letzten Montag statt. Ein solcher vorbereitender Akt war nothwendig, wenn den nach Versailles be­rufenen Vertretern der süddeutschen Staaten (Gras Bray reiste am Dienstag durch Stuttgart; die Württembergischen Vertreter reisen voraussichtlich am Donnerstag ab) ein in deutlichen faßbaren Umrissen ge­zeichneter Entwurf vorgelegt werden sollte. Daß der Friede mit raschen Schritten her­annaht, dafür gibt cS eine Menge von Anzeichen. Ter schlagendste Grund ist wohl der: in Frankreich hat sich die Ucberzengung von ker absoluten Unmöglichkeit, den Krieg fortzusetzen, Bahn gebrochen. Die Stim­mung ist aus Verzweiflung lustig geworden; etwas anders als ein Stücklein ächten Galgen-Humors ist cs wohl nicht, wenn der Vorschlag gemacht wird, Frankreich möge sich an die vereinigten Staaten von Nord-Amerika übergeben, um deren Schutz zu erlangen. Daß die für den definitiven Friedensabschlnß noch erübrigenden Akte sich rasch abwickeln werden, dafür bürgt die Klarheit der Situation und die Ueber- zeugung, daß die Lage, was immer auch noch zu erreichen wäre, sich nicht mehr wesentlich günstiger für Deutschland nnv höchstens noch ungünstiger für Frankreich gestalten könnte. Die besonnenen Elemente in Frankreich haben wieder das Heft in die Hände bekommen und sie haben ein ebenso großes Interesse, die entfesselten Geister des SocialiSmus zu bannen, als Deutschland von dem lebendigen Verlangen erfüllt ist, seine Söhne der Heimath wiedcr- geschcnkt zu sehen. Das Friedensfest ist vielleicht nicht so nahe, wie man gerne an­nehmen möchte; aber es ist auch nicht in weiter Ferne und jedenfalls steht cs in sicherer Aussicht.

Württemberg.

Z Nach einem cingetrosfenen Telegramme wurde Württemberg bei den Wahlen der Ausschüsse des Reichs-VundesratheS in den Ausschuß für Zölle und Steuern, für Handel und Verkehr, für Justiz, für Rech­nungswesen, für Geschäfts-Ordnung und für Verfassungs-Redaktion gewählt.

Aus Nachtrag zur 14. und 15. Ver­lustliste vom 8. und 15. Dezember 1870. Aus der Gefangenschaft i» Paris entlassen:

7. Infanterie Regiment.

Ehr. Fr. Ge ekle, Bernbach, Neuenbürg.

Joh. PH. Stumpp, Birkenseld, Neuen­bürg.

Calw, 21. Fehr. Heute Abend wenige Minuten vor 5 Uhr wurde hier abermals eine Erderschütterung von ungewöhnlicher Stärke wahrgcnommcn. Fenster klirrten.

die Häuser krachten in den Fugen, Stühle rückten von ihrer Stelle. Tie Stöße dauerten etwa 2 Sekunden und schienen aus nörd­licher Richtung zu kommen. (St. Anz.)

Ausland.

London, 23. Febr. Timesdepesche aus Versailles, 22. Febr. Der Kaiser empfieng ThierS auf der Präfektur; Gene­ral Chanzp war zugegen. Thiers besuchte später den Kronprinzen. Der Frieden wird als abgeschlossen betrachtet. Als Tag des Einzugs in Paris wird der 26. Febr. (Oonntag) bezeichnet. (S. M.)

Miszellen.

Aus der Mappe eines alten

Criminalisten.

Vom Polizeidirektor Dr. Stieber.

Der Mißgriff.

Der alte Kriminal-Direktor, welchem ich zur Dienstleistung bcigeordnet war, be­fand sich in Folge der starken körperlichen und geistigen Anstrengungen, denen er sich in seinem Berufe aussetzen mußte, zuweilen recht hinfällig und ich war mehrfach in der Lage ihn zu vertrete». In solcher Weise führte mich der Zufall auch in eine der Residenz ziemlich nahe gelegene Gar­nisonsstadt. Eben hatte sich ein recht fa­taler Vorfall ereignet. Einer der Mini­ster unseres Läudchens, Graf v. I., ein bejahrter aber noch sehr lebhafter Herr, hatte sich in Begleitung seiner Schwester daselbst behufs einer Revisionsreise einige Tage aufgehalten. Die Schwester war eine alte würdige Matrone, deren reichlich gesegnete Kusse, wie allgemein bekannt mar, dem Muister nicht selten aus Geldverlegen­heiten hetfeu mußte. Beide Geschwister hatten in dem besten Gasthose des OrtS zwei uebeu einander belegeue Zimmer inne gehabt.

Die Schwester hatte ihre Geldvorräthe in Ermangelung einer andern passenden Lokalität am Fußboden des Kleiderspindes in Form eines unscheinbaren mit Bind­faden umschnnrten Paqnetchens cmfbewahrt. Eines Morgens war das ganze Paguet, welches eine Summe von mehreren tausend Thaleru enthielt, spurlos verschwunden. Die angestrengtesten Recherchen blieben ohne Erfolg. Der Diebstahl war zwar sorg­fältig geheim gehalten worden. Dennoch- verbreitete sich unter den inniger einge- weihten Personen sehr bald die Ansicht, daß das Paquet gewiß nicht in fremde Hände, sondern in die des Ministers selbst gewandert sei, da derselbe zu sehr als Lebemann bekannt war. Diese Ansicht war dem Minister sogar in einem hämi­schen Brief mitgctheilt worden. Desto mehr lag demselben, als er endlich unver­richteter Sache mit seiner Schwester nach der Neüdeuz zurückgekehrt war, an der Entdeckung des ThäterS und derselbe war sehr erfreut darüber, daß die Recherchen in meiner Hand gelassen waren, da er ein großes Vertrauen iu mich setzte, und er mich bei mehreren Gelegenheiten ausge­zeichnet hatte, er also wußte, daß ich ihm treu ergeben war.

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck uud Verlag von Jak. Mceh in Neuenbürg.

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