Kronik.

Deutschland.

Telegramm des Großherzogs von Baden an den Staatsminister Jolly in Karlsruhe: Versailles, 18. Jan., 12 Uhr Mittags. Tie Kaiservroklamirung findet so eben in feierlicher Weise in dem großen Saale des Schlaffes statt.

Berlin, IS. Jan. DerStaats­anzeiger" enthält eine Note Bismarcks vom 9. Januar, welche die von Chaudordy gegen die deutsche Kriegführung erhobenen An­klagen zurückweist. Die Note hebt die aus allgemeiner Wehrpflicht hervorgehende Zu­sammensetzung des deutschen Heeres gegen­über den theilweise aus Turcos und Straf- bataillonen bestehenden französischen Trup­pen hervor und verweist ferner auf das Zeugniß der englischen und amerikanischen Berichterstatter. Die Note constatirt21 Fälle, wo auf deutsche Parlamentäre geschossen worden, 31 Verletzungen der Genfer Con­vention und constatirt die Anwendung von Sprenggeschossen und Patronen aus gehack­tem Blei. Außerdem wird der völkerrechts­widrigen Kriegsweise zur See gedacht und die Verbrennung deutscher Schiffe Seitens französischer Kriegsschiffe erwähnt. Deutsche Schiffe werden dcßhalb zu Repressalien gegen die französischen angewiesen werden. Die Note erwähnt ferner der den deutschen Gefangenen und Verwundeten zu Theil gewordenen schlechten Behandlung sowie des von der französischen Regierung ermu- thigteu Ehrenwortbruchs gefangener franzö­sischer Offiziere. Eine Regierung, welche darauf rechne, in Zukunft an der Spitze des Landes zu bleiben, werde solche Maßregeln im Interesse des eigenen Landes vermeiden. In der Absicht der gegenwärtigen Macht­haber aber liege es nicht, die Herstellung des Friedens zu ermöglichen; deshalb hätten sie die freie Meinungsäußerung durch die Presse und die Vertreter der Nation un­möglich gemacht. Die Verantwortlichkeit für die Deutschland aufgenöthigte strenge Handhabung des Kriegsrechtes falle auf die Personen welche ohne Beruf und Be­rechtigung die Fortsetzung des Krieges unter Lossagung von den Traditionen europäischer Kriegsführung übernommen und der fran­zösischen Nation aufgezwungen haben.

Offiziell. Versailles, 18. Jan. Der Kaiser König an die Kaiserin Königin. Bourbaki hat nach dreitägiger Schlacht sich vor Werder's heldenmüthigem Widerstand zurückgezogen. Werder gebührt die schönste Anerkennung und seinen tapferen Truppen.

(S. M.)

Versailles, 18. Jan. Die Armee Bourbaki's ist nach dem durch die Ztägigen siegreichen Kämpfe Werders vereitelten Entsazversuch von Belsort in vollem Rück­zug. (S. M.)

Offiziell. Versailles, 18. Januar. Werder behauptete sich noch am 13. in seiner Stellung südlich Belsort gegen er­neuerte Angriffs des Feindes.

Der General v. Moltke hat von den deutschen Frauen Baltimore's einen pracht­vollen Ehrensäbel erhalten.

Wir haben kürzlich (in Nr. 3. des Enzth.) ein Oesterreichisches Blatt über dortige Zu­stände sprechen lassen; hören wir nun heute, wie ein Preuß. Blatt, öieBerl. Tribüne" über die erhofften Bcziehuugen zum Kai- scrstaate sich ausspricht:

Graf Bismarck hat das vergangene, für Deutschland so inhaltsreiche Jahr nicht vorübergehcn lassen, ohne eine Depesche nach Wien zu senden, in welcher er den Wunsch kundgiebt, daß das neue deutsche Reich in den friedlichsten und freundlichsten Beziehungen mit dem östreichifch-ungarischen Reiche leben möge. Diekalte" Hand, über die sich Graf Neun einst so bitterlich beklagt hat, ist also nicht mehr da. Es muß sich nun zeigen, ob Graf Beust Willens ist, eine aufrichtig freundschaftliche Politik für Deutschland zu verfolgen. Mit einigen entgegenkommenden Redensarten ist es frei­lich nicht gethan. Unftre Leser wissen, daß wir ein Bündniß miPOestreich stets befür­wortet haben. Von allen Ländern Europa's steht uns Oestreich mit seiner zahlreichen deutschen Bevölkerung, mit seinen Millionen von Stammesgenüssen, denen wir in un­wandelbarer Liebe zugethan sind, am näch­sten. Wir haben es nicht ein Mal, son­dern zehnmal erklärt, daß Preußen, oder jetzt Deutschland, und Oestreich, womöglich auch mit Italien verbündet, den Frieden dauernd nach Westen und Osten hin sichern könnten und daß durch ein solches Bünd- uiß Oestreich auch im Staude wäre, die un­berechtigten Ansprüche einzelner kleinen Nationalitäten niedcrAchalteu. Graf Beust hat bisher eine andere Politik verfolgt. Er­sah den Kampf zwischen Frankreich und Preußen voraus und entwarf für den Fall, daß Preußen unterläge, seinen Plan. Rech­ten wir nicht mehr mit dieser Vergangenheit! Tie Vorsehung hat zu Gunsten Deutschlands entschieden und je eher und bestimmter Gras Beust mit seiner vergangenen Politik bricht, je inniger sich Oestreich an Deutsch­land anschließt, einen desto größeren Dienst wird er seinem Lande erweisen, ja nur durch ein solches Bündniß kann er Oestreich vor­dem Zerfall retten. Seinen Einfluß im Orient wird Oestreich nur erhalten und mehren, wenn es Deutschland hinter sich weiß, und die Herrschaftsgelüste der Ungarn, Polen, Tschechen u. s. w. wir sprechen nicht von den berechtigten nationalen Wün­schen, sondern von den Bestrebungen, die deutsche, bei weitem an Kraft und Geist allen andern überlegene Bevölkerung des Kaiserstaats zu unterdrücken! , werden bald verstummen, wenn man weiß, daß das Wiener Kabinet mit dem Berliner über Existenzfragen einig ist. Damit müßte allerdings eine Reorganisation des gesammten Beamtenstandes verbunden sein. Freisinnige tüchtige, ihr Vaterland liebende und ihm treu ergebene Beamte müßten überall in den Vordergrund treten, um dem Korrup­tionswesen und klerikalen Einflüssen - ein Ende zu machen. Tie falsche liberale Phrase, die Oestreich in den letzten Jahren irrege- sührt hat, müßte einer energischen Praxis weichen; dann würde Oestreich mit seinen enormen materiellen Hülssmitteln bald wie­der groß dastehen, und das Bündniß eines solchen Reiches mit dem neuen deutschen Reiche wäre ein Gewinn, den wir fast so

hoch anschlagcn möchten, wie die Erfolge des Jahres 1870. ° Wir können also nur aufrichtig wünschen, daß Gras Beust sich selbst für die Idee eines solchen Bündnisses erwärme und daß ihm die Macht verliehen sei, sie durchzusühren. Leicht wird das nicht sein. Denn die Ungarn und Polen besitzen am Wiener Hofe einen nicht zu unterschätzenden Einfluß, und daß diese, so wie die Tschechen, in dem Bündniß Oesterreich mit Deutschland die größte Gefahr für ihre egoistischen Zwecke sehen da­rüber wird uns keine Phrase täuschen."

Bei der Besetzung des vor einigen Tagen genommenen Dorfes Moulimeaux nahm man 200 von den' bekannten ella.88eurs cie iruid gefangen, welche geschworen hatten, uns alle bis auf den letzten Mann zu vernichten. Diese Schrecklichen baten eine Compagnie unserer Soldaten um Pardon, die bei den Chasseurs gebratene Hunde vorfandcn, welche dieselben aus Mangel an Fleisch getödtet hatten.

In Villeneuve schreibt das Frks. Jouru." hat sich der schlesische Humor unter Anderem in orginellen Straßen- und Hüuserbezeichnungen verewigt. Gleich am Eingang des Dorfes steht auf der Mauer mit großen schwarzen Lettern;Kron­prinzenstraße," und gegenüber:Füssilier Kutschke ruft: Willkommen!" Das Haus, in welchem der Artilleriestab liegt, hat den NamenPfalzbnrg" erhalten, und existirt eineKönig Wilhelm-Straße," aber auch eineBeust-Terasse," ein schmaler Treppen- Anfang hinter der Kirche, eineLullustraße," einPalast Benedetti," einPalais Gram­mont," ein kleines, gefängnißartiges Ge­bäude: Die größte Auszeichnung ist in­dessen der Residenz des Corps-Auditeurs zu Theil geworden, denn da steht mächtig, groß:Blntrichter-Amt," ein Galgen, an dem ein armer Delinquent mit dreieckigem französischem Hut hängt ist darunter gemalt und zur vollen Verdeutlichung des Bildes sind dann noch die Worte beigefügt:Hier wird kein Spaß verstanden!"

Der Sieg bei Le Mans gehört zu den bedeutendsten dieses Krieges iu seinen Folgen.

I)r. Rauch fuß,Preußeufeindlichs Schlagwörter". Bezüglich dieser Schrift wird mit Recht gesagt:Angesichts der maßgebenden Stellung, welche Preußen nach der Niederwerfung Frankreich im Rathe der europäischen Nationen einnehmen wird, war es ein glücklicher Gedanke des Ver­fassers, die öffentlichen Zustände dieses Staates und die Mythen des Preußenhasses und der Unknnde über denselben näher zu beleuchten. Er löst diese Aufgabe mit hervorragendem Scharfsinn und zugleich rühmenswerther Unparteilichkeit. Insbe­sondere weist er an historischen Daten nach, daß die bekannten SchlagwörterAbsolu­tismus",Cäsarismus",Militarismus" u. s. w., welche die kaiserstaatliche und Weltgeschichte, die particularistische, radikale und ultramontane Presse in Nord- und Süddeutschland und ein nicht geringer Theil äußer-deutscher Blätter mit so vielem Eifer in Cours gesetzt haben, theils absolut verläumderisch, theils für die gegenwärtigen Verhältnisse in Preußen veraltet sind