Bedrängniß zu retten! .Nein, AuHustine, es wäre mehr als Verworfenheit, wenn ich Ihr Anerbieten annehmen wollte, so lange ich mir nicht selber die Kraft zntrauen kann, mit meinen seitherigen Gewohnheiten zu brechen, — so lange ich fürchten muß, daß über kurz o4er lang meine fluchwürdigen Leidenschaften und meine Verschwendungssucht mich wieder ganz in dieselbe Verlegenheit stürzen werden! Meine theure Augustinet es mag wahr sein, daß das Unglück selbstsüchtig macht-,' allein es soll mich der Trieb der Selbsterhaltung wenigstens nicht gegen Sie gewissenlos, eigennützig und undankbar machen. Wären Sie unglücklicherweise meine Frau geworden, so hätte vielleicht die stete Versuchung, Ihr Vermögen zuni Fenster hinauszuwerfen, nachdem das meinige vergeudet war, den Sieg über meinen Entschluß davongetrazen. Allein jetzt, wo ich die ganze Abscheulichkeit meiner Handlungsweise einsehe, habe ich so viel Kraft, dieser Versuchung zu widerstehen. Nein, meine theure, edle Augustine, Sie sollen niemals betteln wegen eines solch hoffnungslosen Verschwenders, wie ich es bin!"
— „Sie irren, Herr Wehlen!" versetzte Fräulein Fintelmann mit mehr Wärme, als sie seither gezeigt hatte, „zum Betteln wäre ich nie verdammt: meine Bedürfnisse sind klein und ich habe arbeiten gelernt, meine Zukunft ist daher gesichert. Die Ihrige dagegen ist eS nicht, Alfred; Sie verstehen keinerlei Gewerbe, und der Soldatenstand ist, fürcht' ich, kein Berus, von welchem man leben kann. ES würde mir daher größeres Vergnügen machen. Sie frei von Schulden und in einer leidlich gesicherten Lage zu wissen, als der paar Behaglichkeiten genießen zu können, welche mir jetzt zu Gebote stehen!"
„Reden Sie mir nicht von einer gesicherten Lage, Augustine!" rief Alfred aufwallend mit einer Bitterkeit, die etwas Ergreifendes hatte. „Mein Leben ist ein verfehltes — durch meine eigene Schuld verfehlt. Es ist, ivghr, ich habe nichts gelernt, als eitle, brodlose Künste und die Kunst, auf großem Fuße zu leben — bie zweckloseste, die es gibt, wenn sie nicht von einem großen Vermögen unterstützt wird. Ich sehe keine Rettung mehr für mich ...."
— „Oh, dann wollen Sie blind und kurzsichtig sein, anstatt aus Ihren Erlebnissen Nutzen zu ziehen und durch Schaden klug zu werden!" sagte Augustine lebhaft. „Noch sind Sie jung und- thatkräftig. Es bedarf zu Ihrer Rettung nichts als eines ernsten Willens, Ihre seitherige Lebensweise aufzugeben, die Sie nur, wie wir gesehen, in Schande und Verderben stürzen muß. Geloben Sie'mir, nie wieder an einen Spieltisch zu treten; den Umgang derjenigen jungen Leute auszugeben, deren Beispiel Sie in diese Lage gebracht hat; Ihre Muße und Ihre reichen Gaben nützlicher anzuwenden als seither! Beralhen Sie sich mit Ihrem trefflichen Oheim, mit Ihren Brüdern über einen künftigen Lebensplan, der Sie dem Müßiggang entreißt und Sie in den Stand setzt, aus den Ban
den Ihrer Gläubiger loszukommen durch Ihre eigene Sparsamkeit und Selbstverleugnung !"
(Fortsetzung folgt.)
Aus der Vorrede zu Pfaff's: „(Uriuule ssatiou".
Ohne Zweisel fällt dem Kaiser und mehr noch den Rathgebern und Genossen, die ihn in dieses Verhängniß fast widerwillig Hineingetrieben haben, die nächste Urheberschaft des Krieges zur Last, welchen die englische Presse mit Recht „das größte Verbrechen des Jahrhunderts" nennt. Schon seit Jahren bildeten diese Leute am Hofe und im Kabinete eine offizielle Kriegspartei gegen Deutschland, die mit der größten Unverschämtheit die Einmischung in die deutschen Angelegenheiten, die Zertrümmerung des Nordbundes, die Verkleinerung Preußens und die Eroberung des linken Nheinufers forderte. Die Thatsache, daß der Kaiser den Skandal einer offiziellen Kriegspartei nicht blos duldete, sondern sogar begünstigte, muß alles Gerede von seiner persönlichen Unschuld zu Boden schlagen. Zumal man inzwischen aus den berühmten Enthüllungen des Bundeskanzlers erfahren hat, daß der Kaiser selbst in der gemeinsten Eroberungsgier hinter keinem seiner Leute zurückstand. Als nun vollends in das neue parlamentarische Kabinet Ollivicrs zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten der Herzog von Grammont berufen wurde, der durch nichts als durch seine Prenßenfresserei empfohlen war, da hielten sich kundige Personell bereits überzeugt, daß der Krieg eine festbeschlossene Sache sei und daß ein neuer Naubzug gegen den Rhein das Gebäude der neuen parlamentarischen Aera in Frankreich krönen sollte. „Schon im Mai lind Juni, Monate lang, bevor der spanische Vorwand sich darbot, erfolgten die großen Pferde- und Haferaufküuse im Ausland; schon im Juni wurden bei einem dem Verfasser dieser Zeilen befreundeten schweizerischen Fabrikanten große Bestellungen von Explosivgeschossen gemacht (aber von diesem nicht ausgeiührt)." Es scheint gewiß, daß schon die Gotthardbahn, zu deren Verhinderung die französische Regierung vergebens alle Hebel angesetzt hatte, den Kriegsvorwand herbeiführen sollte, weil zu diesem Zwecke von einem imperialistischen Abgeordneten die bekannte Interpellation gestellt wurde. Nur die Erwägung, daß dieser Vorwand doch allzufrivol erscheinen und alle handeltreibenden Völker, die an der Gotthardbahn belhetligt sind, direkt mitberühren werde, führte eine nachträgliche Abwickelung durch den Minister herbei, dessen Rede bereits mit den beleidigeusteu Ausfällen gegen Preußen gespikt war. Schon damals wurden die geheimen revolutionären Agitationen in Süddeutschland und Hancwer durch Agenten der kaiserlichen Negierung planmäßig betrieben. Wie aus den kürzlich im Palast von St. Cloud gefundenen Depeschen hervorgeht, wurden schon im Juni Vorbereitungen zu kriegerischem Vorschreitcn der , französischen Marine getroffen. Alles dies, geschah also längst, bevor die französische Regierung
von der Nachricht über die spanische Königs-- wahl überrascht worden sein will.
Bei alledem muß zugegeben werden, daß Napoleon III. bis zum letzten Augenblick in seinen definitiven Entschließungen geschwankt hat, weil er unter seiner ganzen Partei, ja fast unter allen Franzosen wohl der einzige war, der wirklich, wenigstens eine dunkle Vorstellung von der wirklichen Beschaffenheit seines Gegners und daher eine Ahnung dessen hatte, was für ihn und Frankreich auf dem Spiele stehe. Erst eine spätere Zeit wird über die Einflüsse, welche die letzte Entscheidung herbeiführten, helleres Licht verbreiten. Nur soviel ist schon jetzt gewiß, daß Napoleon III. noch am Abend des 13. Juni mit dem Verzicht des Prinzen Leopold sich in einem Billet an Ollivier zufrieden erklärte, aber folgenden Morgens anderer Ansicht war. Man führt diesen Sinneswechsel aus den Einfluß seiner kriegslustigen Marschäüe zurück. Non anderen Seiten wird dem widersprochen; gerade den Marschällen sei vielmehr dieser Krieg viel zu plötzlich gekommen und sie hätten dringend davon abgerathen. Man muß gestehen, daß diese Annahme die wahrscheinlichere ist. (Schluß folgt.)
Von der Reise des Herrn Thiers und während seines Aufenthaltes in Wien wird eine Episode erzählt, die nicht ohne Interesse ist. Thiers wohnte in demselben Hotel mit Herrn Professor Ranke, der damals in den Wiener Archiven arbeitete und lud diesen eines Tags zum Diner ein. Die beiden Historiker unterhielten sich, wie man sich denken kann, von den Tagesereignissen und Herr Thiers fragte im Lause des Gespräches: Sagen Sie mir nur, mit wem führt Deutschland eigentlich jetzt Krieg? Hierauf habe Professor Ranke erwiedert: Mit Ludwig XIV.! Herr Thiers schwieg. Er verstand ohne Zweifel wohl, daß sein Widerpart die französische Politik seit dem großen Könige, wie ihn die Franzosen nennen, als die geschichtliche Ursache des Krieges im Auge hatte. Soll ja durch den Frieden in erster Linie wieder hergestellt werden, was Ludwigs XIV. Raubsystem Deutschland entrissen hat.
— (Keine Kriegschronik.) Eine musikalische Kriegsgeschichte wird wie folgt mit- getheilt: „Ein deutscher Offizier geht, kurz nachdem die Unsrigen Orleans von Neuem besetzt hatten, durch die Straßen dieser Stadt 'und hört aus einem der größten und glänzendsten Euko-elrantant-Lokale die rauschenden Klänge eines Piano, von geübten Händen gespielt, ertönen. Neugierig und erstaunt, daß unmittelbar nach der Niederlage der Loire-Armee sich ein leichter Sinn in so lustigen Tönen schon wieder gehen lassen kann, betritt er das Local und findet dort folgende Scene: Auf dem für die Sänger bestimmten Emporium sitzt am Flügel ein preußischer Traiusoldat und spielt nach Herzenslust mit dilettantischer Meisterschaft; nuten aber in dem großen, weiten, glänzenden Saale stehen, den ganzen Raum stillend, dicht gedrängt, Kops an Kops, als stumm lauschende Zuhörer — lauter Pferde und nichts als Pferde."
Redaktion, Truck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.