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W a h 1 s a ch e.

Wer an die Öffentlichkeit tritt, muß ein öffentliches Urtheil (Kritik) ertragen lernen; sei es Hr. Beutter oder ein Anderer. Das Recht, Andere öffentlich zu be- urtheilen, hat Hr. Beutter in weitgehender Weise zum Oeftern benützt, letztmals mit beson­derem Eifer bei der Zollparlamentswahl, wo er an dem national-liberalen Dr. Elben, einem Eh­renmanne, den er damals kaum kannte, kein gu­tes Haar gelassen hat, während er den Gegen- Candidaten Hrn. Dörtenbach, den er gar nicht kannte, (und der beiläufig gesagt durch seinora- torisches Talent glücklicherweise nichts verdorben hat) über die Maßen lobte.

Auch wir waren so frei, von dem Rechte der Wähler Gebrauch machend, uns über die Pro­gramme der Candidaten auszusprechen; und da man über die Zukunft nur aus der Vergangen­heit des Mannes ein Urtheil bilden kann, muß­ten wir zunächst letztere ins Auge fassen.

Nun sagen die Gegner: ja Bauer, das ist ganz was anders, unfern Candidaten dürft ihr nicht besprechen, ihr legt falsch aus, das sind Ver­dächtigungen, Verunglimpfungen, das find per­sönliche Jnvektiveu rc. Unfern Gegnern ergeht es wie den Franzosen, erst erklären sie Krieg und wenn die Deutschen sich dessen erwehren, so schreien sie: Ihr dürft uns nichts thun, das ist Beleidigung, Barbarei, Paris ist heilig rc.

Bei der Aufstellung des Candidaten giengen wir von der Ansicht aus, welche die Vertrauens- männerversammluug der deutschen Partei in Stutt­gart in ihrer trefflichen Ansprache v. 6. Novbr. (s. auch Enzth. Nr. 145 S. 626) entwickelt hat:

Um so größere Vorsicht ist aber anderer­seits gegen Bewerber geboten, die vielleicht der allgemeinen Strömung in berechneter Ab­sicht folgend, jetzt mit nationalklingenden Redensarten und Versprechungen freigebig sind, während doch ihre ganze Vergangen­heit sie zu Gegnern der Einigung stempelt. Der gesunde Sinn des Volks wird Candidaten^- die ihm zu Gefallen jetzt gleichfalls bundesstaatlicher Einigung reden, leicht unter­scheiden von Solchen, auf deren Charakter es sich verlassen kann. Es mag sein, daß auch bisherige Abgeordnete, die Gegner der Eini­gung gewesen sind, dem Zwang der Ereignisse sich fügen würden. Wenige möchten wohl der Muth haben, Nein zu einem Versaffungs- werk zu sagen, das zum erstenmal alle Deut­schen vereinigt. Doch mit Annahme der Ver­fassung ist die Wirksamkeit der Kammer, die für die nächsten 6 Jahre das Land vertritt, nicht erschöpft. Es gilt jetzt alle Zweige der Staatsverwaltung so einzurichten, wie es einem Glied des Bundesstaates ziemt. Es gilt die Landesverfassung dem neuen deutschen Staats­recht anzupassen."

Wie schon berührt, ist Hr. Beutter beider Zollparlamentswahl gegen den national-liberalen Candidaten mündlich und schriftlich rastlos zu Felde gezogen und hat mit einer Batterie aus­gesuchter Schlagwörter wie: Kein Vollparlament, keine gemeinsame Besteuerung, kein gemeinsames Militärwesen, keine Änderung des Münzspstems, Militärstaat, Bettelpreußen, Malz- und Brannt­weinsteuer, Gespenst des Kriegs" ein wahres Zeter- Mordio angestimmt. Nun jetzt gibt Hr. Beutter lt. Programm vor, ungefähr dasselbe zu wollen was er damals bekämpft hat. Aber freilich, da­mals wehte ein anderer Wind und Hr. Beutter mag es für politisch-nützlich gehalten haben, mit jenem Fahrwasser zu segeln. Wir wollen die Ab­sicht des Hrn. Beutter dabei nicht näher ergrün­den und ihm die Freiheit der Ansicht nicht ab­sprechen; aber der bescheidene Zweifel sei uns erlaubt: ob es einem Manne, der sich 1868 auf einen so schroffen Standpunkt gegen die na­tionale Sache stellte, 1 8 7 0 möglich sein werde, sich ohne Rückhalt der neuen großen Zeit anzu­schließen ? und so möge man es gerechtfertigt finden, wenn wir in diesem Punkt einigen Zwei­fel hegen und befürchten, es möchte, wenn über Nacht wieder ein anderer Wind weht, seine Fahne unter obwaltenden Umständen sich wieder anders drehen. Einen starken Glauben würde es bedin­gen, einem Manne der urplötzlich Kehrt gemacht hat, unbedingtes Vertrauen zu schenken.

Die christliche Geschichte lehrt zwar am Bei­spiel des Apostel Paulus, daß er nach seiner Bekehrung seinen Grundsätzen treu geblieben; aber erstens ist die Zeit der Wunder vorüber, und zweitens sind wir alle Menschenkinder; nicht jeder Saulus ist ein Paulus und auch Hrn. Beutter könnte es schwer werden, wider den Stachel zu lecken.

Was Hr. Beutter als Ortsvorsteher geleistet, ha­ben wir nicht bekrittelt, wir lassen jedem den Werth, den er wirklich har. Wir kennen übrigens viele tüchtige, uneigennützige Ortsvorsteher, wel­che aber darum nicht sofort das Privilegium auf Abgeordnetenstellen sich anmaßen. Auch der Fall ist denkbar, daß einer ein guter Ortsvorsteher, aber ein weniger geeigneter Abgeordneter sein kann.

O>Den 1. Dezember 1870.

Einige Wähler.

Herrenal b.

Auf den

Vorschlag zur Güte'

voneinem Wühler" in Nr. 148 des Enzthälers wiederhole ich einfach die in allen meinen Wahl­versammlungen insbesondere auch in Wildbad (s. Schwarzwälder Chronik Nr. 95) abgegebene Erklärung.

Diese geht dahin:

daß ich thatsächlich einen Staatsdienst nicht suche und nicht brauche, grundsätz­lich es geradezu für einen Verrath an den Interessen des Volks halten würde, mich in die Abgeordnetenkammer wäh­len zu lassen, um einen Staatsdienst zu erlangen.

Den 1. Dezbr. 1870.

Schultheiß rc. Beutter.