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So sehr ich gewünscht habe, den an mich ergangenen freundlichen Einladungen, mich münd­lich über einzelne innere Fragen auszusprechen, ausnahmslos Folge zu leisten, so ist mir dies doch zu meinem Bedauern blos in beschranktem Maaße möglich; ich erlaube mir daher, die ge­stellten Anfragen, zugleich zur Kenntnißnahme sämmtlicher Wähler, in Nachstehendem zu beant­worten :

Während es Sache des künftigen deutschen Parlaments sein wird, die gemeinsamen deutschen Fragen innerhalb der Verträge zu regeln, unter­liegt es keinem Zweifel, daß nunmehr die längst angestrebte Revision unserer Verfassung sofort in Angriff genommen werden muß, weil schon durch den Eintritt Württembergs in den neuen deutschen Bund Aenderungen bedingt sind. Außerdem halte ich es für uothwendig, daß die Abgeordnetenkammer künftig keine privilegirten Elemente mehr enthalte, sondern blos aus ge­wählten Abgeordneten bestehe, damit es dem Volke ermöglicht wird, seinen unverfälschten Willen zum Ausdruck zu bringen.

Das bestehende Steuersystem leidet an dem Gebrechen, daß es die Quoten der direkten Staatssteuer seit mehr als 40 Jahren unverän­dert auf die einzelnen Besteurnngsbranchen sixirt, trotzdem, daß sich der Totalbestand der Letzteren sehr bedeutend verändert hat. Einer Steuer- Reform, welche diesen Mißstand dauernd be­seitigt, und bestrebt ist, die wirkliche Steuerkraft zu besteuern, werde ich gerne zustimmen. Der Großhandel und die Fabriken werden in Folge dieser Steuer-Reform zwar höhere Steuern be­zahlen müssen, sie werden dies aber auch können, weil das neue mächtige Deutschland besser, als das alte unmächtige, für den Absaz der Pro­dukte und Fabrikate sorgen kann und wird.

Die Regelung der Bank-, resp. Papier­geldfrag e halte ich für dringend. In erster Linie spreche ich mich für Concessionirung einer Bank aus, welcher das Recht der Noten-Ausgabe ge­gen ein an den Staat zu entrichtendes Aversum eingeräumt würde, besonders auch weil eine solche Bank der Landwirthschaft, dem Handel und der Industrie in ausgiebiger Weise mit Capitalien unter die Arme zu greisen im Stande ist. Sollte eine Bank jedoch gegen Erwarten nicht zu Stande kommen, so würde ich eine Vermehrung unseres Staats-Papiergelds, übrigens nicht über die Be­dürfnisse des Verkehrs hinaus, zustimmen.

In der Streuefrage ist mein Gegen­

rede entnehme, auf demselben Standpunkte an­gelangt, aus welchem ich mich von jeher befun­den habe. Blos die Stellung eines Gegners der Forstverivaltung in dieser Frage sestzuhalten, kann zu keinem ersprießlichen Resultate führen, vielmehr muß dieselbe gemeinsam auf dem Weg der Verständigung geordnet werden, und dieß kann, wenn man den Hader dauernd beseitigen will, bloß durch Ablösung geschehen. Würden die Abgeordneten von Neuenbürg und den übri­gen s. g. Strenebezirken diesen Gegenstand allein zu entscheiden haben, so könnte den Berechtigten vollständige Befriedigung ihrer Wünsche in Aus­sicht gestellt werden, weil aber diese Bezirke in der Minderheit sind, so kann ich als Candidat blos versprechen, mich dieser F age mit Eifer und Gewissenhaftigkeit anzunehmcn. Wohl bestec­hen noch manche Zweifel, ob eine Ablösung die Existenz einzelner Orte nicht schwer gefährde; diese Zweifel vermag ich nicht zu theilen, denn auf der einen Seite gewährt die Ablösung, welche wo möglich in Grund und Boden vollzogen wer­den sollte, gewiß einen Ertrag, um den man viele Streue käuflich erwerben kann; ans der andern Seite wird die Forstverwaltung die Streue­abgabe sicherlich nicht aufheben, dieselbe vielmehr innerhalb forstwirthschaftlicher Normen, über wel­che sie ja auch seither nicht hinausgieug, fortse- zen und zwar um so gerner fortsezen, als sie es nicht mehr gezwungen thut, und einen Erlös dafür erzielt; und der Berechtigte, wenn er s. Z. einen wenn auch nur kleinen Kaufschilling erle­gen soll, mehr als seither darauf Bedacht neh­men wird, sich anderer Streuemittel zu bedienen. Gewiß würde der, welcher ein besseres Auskunfts­mittel in dieser Angelegenheit zu benennen weiß, eine große Prämie verdienen; ein solches ausfin­dig zu machen, ist aber bis jetzt nicht gelungen.

Die speziellen Interessen des Bezirks und seiner einzelnen Gemeinden in vorkommenden Fällen zu vertreten, ist selbstverstanden Obliegen­heit jedes Abgeordneten und wird es keiner be­sonderen Versicherung bedürfen, daß ich mich die­ser Verpflichtung niemals entziehen werde. Ebenso werden die Wünsche einzelner Bezirks-Angehöri­gen, sofern sie die Stellung des Abgeordneten nicht compromittiren, stets ein williges Ohr bei mir finden.

Dem Ergebnisse des 5. Dezember sehe ich mit Ruhe entgegen und werde dankbar sein den­jenigen, welche mir ihr Zutrauen zuwenden, ohne Groll gegen diejenigen, welche es mir versagen.

Den 29. November 1870.

Eduard Leo.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.

Morgen folgt wieder eine Beilage.