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Nr. 5 mit bedeutendem Verluste zurückgcwiesen; dergleichen ein bald darauf erfolgter Ausfall aus der Festung.

Berlin, 18. Nov. Die Nachrichten über den Stand der deutschen Einigungsfrage lauten heute wieder günstig. Hiesigen Versicherungen zufolge ist in Versailles auf Grund gegenseitiger Zugeständnisse eine Verständigung mit Bayern erreicht worden. Neuerdings behaupten einige Blätter, dein norddeutschen Reichstage werde zu­nächst eine Vorlage zugehen, welche diejenigen Aenderungen der norddeutschen Bundesverfassung bezwecke, die zur Herstellung des Gesammtbundes nöthig seien. In zweiter Reihe handle es sich um tue förmliche Aufnahme der süddeutschen Staaten in den neuen Bund. Diese Darstellung des Vorgehens ist unrichtig. Wie hier mit Be­stimmtheit verlautet, kommt es bei den Reichs­tags-Verhandlungen über die Bundesfrage nicht auf zwei getrennte Akte, sondern nur auf einen Genehmigungsakt an. Die Anschlußverträge mit den süddeutschen Staaten enthalten eben die Aen­derungen der norddeutschen Bundesverfassung, welche durch die Erweiterung des Bundes noth- wendig geworden sind. Demgemäß erfolgt mit der Gutheißung der Verträge auch die Annahme dieser Aenderungen. (K. Z.)

Augsburg, 22. Nov. Der A. Z. wird aus München telegraphirt: Nach soeben einge- troffener Nachricht aus Versailles ist auch über Eintritt Bayerns in den norddeutschen Bund Ein- verstündniß erzielt. Der Schluß der Verhand­lungen steht bevor.

Metz, 19. Nov. Offiziell. Die Cernirung von Montmedy durch die Detachements des Oberst Pannewitz ist am 16. erfolgt, wobei sieg­reiche Gefechte des 1. und 2. Bataillons des 74. Regiments bei Chauvency und Thonelle gegen die Besatzung von Montmedy; 47 unverwundete sranz. Gefangene.

Seit der Kapitulation von Metz mit ihren 173,000 Gefangenen haben die deutschen Heere bis heute, den 12. Nov., also im Laufe von nur zwei Wochen, schon wieder nahezu 14,000 Fran­zosen entwaffnet und zu Gefangenen gemacht: in Schlettstadt 2400, in Fort Mortier bei Neubrei­sach 220, in Neilbreisach selbst 5000, in dem Treffen bei Bourget beiläufig 1400, in Verdun ungefähr 4100, unter denen sich 2 Generale, 11 Stabsoffiziere und 150 Subalternoffiziere befanden, bei Monterau 302, in verschiedenen kleineren Gefechten endlich, z. B. in dem bei Bretenay, im Ganzen gegen 300. Tie Zahl der bei diesen Gelegenheiten erbeuteten Geschütze beläuft sich auf 372.

Die französ. Loirearmee, welche durch ihre seitliche Ausweichung einem entscheidenden Haupt­schlag vorerst entgangen ist, wird seit dem 17. Novbr. in Einzelgefechten zurückgedrängt und wird schließlich dem Schicksale ihrer Auflösung durch die von allen Seiten heranrückenden deut­schen Truppen schwerlich entgehen können.

8 Der Krieg

geht seinem Ende, er geht seinem Ende rasch entgegen. Am Sonntag traf^rstmals die Nachricht ein, daß über die Uebergabe von Paris unter­handelt werde, daß neue Waffenstillstaudsver- haudlungen im Zuge seien. Die eine wie die

andere Nachricht ist zur Stunde noch verfrüht; aber derartige Gerüchte sind ein charakteristischer Beleg dafür, wie die Lage in und um Paris betrachtet wird. Der Hunger wächst in der Weltstadt mit Riesenschritten und noch viel schlimmer als der Hunger selbst ist die Verwir­rung, die von der Furcht vor dem Hungertode in den Köpfen der eingeschlossenen Pariser an­gerichtet wird. Ein aus vorzüglicher Quelle schöpfender Brief aus Versailles, in welchen uns gütige Einsicht gestattet wurde, enthält folgende Stelle:den Zustand in Paris hält man für einen verzweifelten und es liegt sogar die Mög­lichkeit vor, daß Paris auch ohne zuvor noch einen Kampf zu wagen, capitulirt; insbesondere dürfte dieß der Fall sein, wenn die Hoffnungen, die auf die Loire-Armee gesetzt werden, sich nicht realisiren." Ballon-Briefe, deren Inhalt im großen Hauptquartier keineswegs ein Geheimniß ist, bestätigen diese Auffassung vollkommen. Die Frage, die im gegenwärtigen Momente etwa auf­geworfen werden könnte ist die: wird Paris zur Uebergabe kommen mit oder ohne Ausfall-Ver­such von Seiten der Besatzung. Die Pariser Zeitungen, die so verächtlich von den deutschen Belagerern gesprochen, die die Vertheidigung von Paris mit so hochtönenden Phrasen geführt, rufen heute nachFrieden um jeden Preis." Soweit ist die Stimme gediehen, daß dieser Ruf, der vor wenigen Wochen noch seinem Urheber den sicheren Tod gebracht hätte, heute von tausend Lippen erschallt. Aber er ist nicht mehr der wohl erwogene, sreigewählte Vorschlag, sondern der von erlahmender Zunge gewimmerte Angstruf. Da ist wohl die Annahme, daß Paris mit Verzicht auf weiteren Kampfesruhm falle, eine um so wahrscheinlichere, als ein Fachmann auseinandersetzt, daß die Pariser Armee nicht im Stande sei, einen Kampf, der wesentlich ein Artillerie-Kampf wäre, mit der deutschen Armee aufzunehmen, sowie, daß sogar ein Erfolg, d. h. eine Durchbrechung des Cernirungsgürtels keine Vortheile für die ausreißende Armee brächte, da diese ohne allen Proviant wäre. Ehe sie aber im Stande wäre, ein paar Tagemärsche zurückzulegen und Gegenden zu erreichen, die noch nicht ausgesogen wären, würde die franzö­sische Armee von den herbeieileuden deutschen Armeen umzingelt und gefangen oder zermalmt. Der wilde Tiger, Paris genannt, ist nicht durch die Schläge der deutschen Waffen gebändigt, er ist durch Hunger gezähmt worden und das reißende Thier ist binnen Kurzem so zahm, daß es seinem Bändiger aus der Hand frißt.

DemPforzheimer Beobachter" entnehmen wir das Begleitschreiben zu der bekannten Frie- densfeder, welche Hr Fabrikant Bis sing er in Pforzheim dem Grafen Bismarck als Geschenk übersendet hat und dessen Antwortschreiben hierauf:

a) Begleitschreiben des Herrn Bissingcr.

Pforzheim, den 24. Oktober 1870.

Eure Ercellenz!

Heute, wo jeder Deutsche stolz und begeistert auf die unsterblichen Thaten seiner erlauchten Heerführer und seines tapferen Heeres blickt, ist es Pflicht, besonders des Mannes zu gedenken, der durch seine geniale Staatskunst diese Erfolge vorbereitete, und welchem nächst dem Heldenkönige