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Kronik.

Deutschland.

Versailles, 7. Nov., Nachm. 1 Uhr 41 Min. In fünftägigen Verhandlungen mit Hrn. Thiers ist demselben ein Waffenstillstand auf Grundlage des militärischen Status guo von einer beliebigen Dauer bis zu 29 Tagen behufs der Vornahme der Wahlen, unter Gestattung der­selben in den okkuppirten Theilen Frankreichs wiederholt angeboten worden.

Hr. Thiers war auch nach erneuerter Be­sprechung mit der Pariser Regierung nicht er­mächtigt, das eine oder andere anzunehmen, und verlangte vor Allem die Verproviantirung von Paris, ohne ein militärisches Acquivalent dafür bieten zu könnnen.

Da diese Forderung für die Deutschen mili­tärisch unannehmbar war, erhielt Thiers gestern aus Paris die Weisung, die Verhandlungen abzubrechen. (St.-Anz.)

Versailles, 7. Nov., Nach Privatmit­theilungen aus Paris ist I. Favre und die Mehr­zahl seiner Kollegen für die Wahlen und für den durch Thiers vermittelten Waffenstillstand gewesen. General Trochu aber arbeitete dagegen und setzte seine Ansicht durch.

Versailles, 7. Nov. Nachdem die fran­zösische Regierung durch Thiers erklärt hatte, das deutsche Angebot eines Waffenstillstandes von beliebiger Dauer auf Grundlage des militärischen Status guo nicht annehmen zu können, schlug Bismarck vor, die Regierung von Paris und Tours möge die Wahlen nach Belieben ausschrei­ben und den Termin mittheilen; die deutschen Heere versprechen auch ohne Waffenstillstand die Wahlen in den ganzen besetzten Theilen Frank­reichs zuzulassen, zu fördern und ihre Freiheit zu achten. Thiers hatte darauf eine Besprechung an der Vorpostenlinie mit I. Favre nnd Trochu, war aber, nach Versailles zurückgekehrt, nicht er­mächtigt, den deutschen Vorschlag anzunehmen, hatte vielmehr Befehl abzubrechen. (S. M.)

Berlin, 7. Nov. DieNordd. Allg. Ztg." und dieKreuz-Ztg." schreiben: Die französische provisorische Regierung hat den ihr angebotenen Waffenstillstand ab gelehnt.

Karlsruhe, 3. Nov. Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben heute Abend Karls­ruhe verlassen, um Sich in das Hauptquartier Seiner Majestät des Königs von Preußen nach Versailles zu begeben. (K. Z.)

Die Bahneröffnung von Kehl nach Straßburg ist auf den 15. November festgesetzt.

Vorgestern Nachmittag sind auf der Kehler Brücke von den Gendarmen mehrere Individuen verhaftet worden, gegen welche der gegründetste Verdacht Vorgelegen haben soll, daß sie im Be­griffe standen, sich aus der Stadt zu entfernen, um sich den in den Vogesen ihr Wesen treibenden Franctireurs-Banden anzuschließen. Der Fall soll nicht vereinzelt dastehen.

Altbreisach, 7. Nov., Offiziell. Fort Mortier hat heute Nacht 3 Uhr kapitulirt. 6

Offiziere, 210 Mann Gefangene kommen nach Rastatt. Das Fort gänzlich zusammengeschossen; von 7 feindlichen Geschützen sind 6 demontirt. Konimandant von Neubreisach hat versprochen, nicht mehr nach Altbreisach zu schießen.

Hamburg, 6. Nov. Der Hamb. Korresp. meldet aus Cuxhaven, 5. Nov.: Der Gouverneur von Helgoland ließ das britt. Konsulat heute Nachmittag benachrichtigen, das alle von dortigen Fischerbooten verbreiteten Gerüchte vom Wieder­erscheinen der französ. Flotte bei Helgoland falsch seien.

Einem Telegramm derJndep. Belge" aus Metz zufolge fanden keine Ruhestörungen seit der Kapitulation von Metz statt. Die Preußen sind bei den Einwohnern einquartirt, aber sie zeigen viel Takt und Schonung; sie hielten keinen Triumpheinzug; bis jetzt wurde keine Kontri­bution auferlegt. Die Eisenbahn von Metz nach Courcelles ist "hergestellt.

Wie wir hören, sind dieser Tage Weinhänd­ler aus Württemberg im obern Breisgau ein­getroffen, um Vorräthe in 70er Weinen anzu­kaufen. Im Allgemeinen ist im Oberlande das quantitative Ergebniß besser, als in einzelnen Weingegenden des Mittelrheinkreises ausgefallen.

Württemberg.

Heilbronn, 4. Okt. Der Durchschnittspreis des Heuer in der Stadtkelter gekelterten und ver­kauften Weins beträgt beim rothen 41 fl. S9kr., beim weißen 32 fl. 3 kr.

Die neunte amtliche Verlustliste der württem- bergischen Felddivision bringt unter Verwundet: Obermann Michael Schröter von Schömberg, Neuenbürg; Schuß in den rechten Unterschenkel.

Ausland.

London, 3. Nov. Hier wurde eine Bro­schüre veröffentlicht, deren Autorschaft Napoleon zugeschrieben wird. Dieselbe ist betitelt:Der Feldzug von 1870." Sie spricht sich über die Gründe aus, welche die Kapitulation von Sedan herbeigeführt haben. Die Broschüre sagt, daß man den Plan hatte, Bayern, Baden und Würt­temberg vom Norden zu trennen und durch einen großen Sieg die Allianz Oesterreichs und Italiens zu erlangen. Der Plan sei an der mangelhaften Organisation der Armee, an der Ueberlegenheit, der Zahl und der Disziplin der Deutschen und auch an den Ausschreitungen der französischen Presse und Tribüne gescheitert. (K. Z.)

In Paris verkaufte dieser Tage ein Butter­händler an Zros 2000 Pfund gesalzene Butter für die Summe von 38,000 Franken, d. h. er ließ sich das Pfund mit 19 Franken bezahlen.

Tours, 6. Nov. Vorm. Dem Rappel zu­folge hat Rochefort wegen Meinungsverschieden­heit mit seinen Kollegen über die Gemeindewahlen seine Entlassung als Mitglied der Regierung ein­gereicht.

Brüssel, 5. Nov. Aus Tours, 4. Nov. Ein Dekret der Regierung ordnet an, daß sämmt- liche diensttauglichen Männer im Alter vor: 20 40 Jahren, auch die Verheirathelen, mobilisirt werden sollen.. Jedes Korps Freischützen, das sich vor dem Feinde muthlos zeigt, wird entwaffnet und vor ein Kriegsgericht gestellt.