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ausgelaufene afrikanische und vielleicht zugleich auch die hinterasiatische Rechnung mit England nötigenfalls selbst durch Waffengewalt zu begleichen.

Das weiß man in London natürlich sehr wohl, die umfassenden, einstweilen allerdings wieder Mieten Rüstungen Englands waren daher als «in zunächst an die Adresse Frankreichs gerichteter Wink mit dem Zaunpfahl zu betrachten, daß England auf alles vor­bereitet sei. Schließlich galt jedoch dieser Wink Ruß­land mindestens ebenso, die englisch-russischen Interessen­gegensätze in China haben sich insgeheim eher noch verschärft, als abgenommen, zumal man in London mit Groll zugeben muß, daß England in Ostasien von Rußland politisch wie militärisch bereits überflügelt worden ist. Noch hat Rußland seine ostasiatischen Karten noch nicht vollständig aufgedeckt, dies wird indessen zweifellos geschehen, sobald die sibirische Eisenbahn in ihrer Gesamtheit fertiggestellt sein wird, dann mag sich Großbritannien immerhin auf den entscheidenen Waffengang mit seinen alten russischen Concurrenten in Asien vorbereiten.

Vorerst ist cs jedoch bis zu dem drohenden russisch-französisch englischen Zukunftskriege noch eine gute Weile hin, und die sonstigen Seiten der Welt­politik nehmen sich ziemlich friedlich aus. Speziell in Bezug auf die Dinge imeuropäischen Wetterwinkel" ist es gelungen, mit der einstweiligen Lösung des kretischen Problems eine Quelle möglicher inter­nationaler Verwickelungen zu verstopfen; auch auf der eigentlichen Balkanhalbinsel nimmt sich die Lage gegen­wärtig nicht ungünstig aus, trotz den fast nie auf­hörenden kleineren Grenzunruhen an diesem oder jenem Punkte, die Mächte wollen eben vorläufig nichts von einer Wiederaufwärmung der orientalen Crisis wissen. Noch ungewiß ist der Ausgong der Philippinen- frage, denn noch hat sich Nordamerika nicht definitiv für d'e Uebernahme der heikel» Philippinenerbschaft aus den Händen Spaniens entschieden; doch dürste die Bestimmung des künftigen politischen Geschickes der Philippinen schwerlich mehr zu einer ernsten Aus­einandersetzung unter den Mächten führen, nachdem es die Neutralen bislang sorgfältig vermieden hatten, irgendwie Stellung gegen die nordamerikanischen Ab­sichten auf die Philippinen zu nehmen. JmUebrigen wird die Fortdauer der Völkerharmonie Europas nach wie vor im Wesentlichen von dem unerschütterlichen Weiterbestand des Dreibundes abhängen, und da darf man wohl erwarten, daß das mitteleuropäische Bürdniß ungeachtet aller geheimen Wühlereien und Nadelstiche auch noch weiterhin seine wertvolle Mission als das eigentliche Friedensbollwerk für Europa erfüllen werde.

Tagesneuigkeiten.

D eckenpfronn, 28. Dez. Der Wunsch eine Wasserleitung zu erhalten, scheint nun doch bald seiner Verwirklichung entgegen zu gehen. Am gestrigen Feiertag war eine Anzahl hiesiger Bürger und Gemeinderäte mit Hrn. Schultheiß Lutz in dem benachbarten Sulz und haben daselbst einige Quellen in Augenschein genommen, welche im Stande wären, genügend Wasser für hiesigen Ort zu liefern. Wie man hört, soll sofort ein Techniker beauftragt werden nach der Sache zu sehen, um ein sachverständiges Urteil über fragl. Projekt abzugeben. Am Stephans­feiertag hielt der Liederkranz seine Christ­baumfeier verbunden mit einer Gabenverlosung in der Krone hier ab. Das Programm war sehr

abwechslungsreich. Der Liederkranz hat auch bei dieser Gelgenheit in der GesangSkunst wieder Vor­zügliches geleistet. Viel Heiterkeit bereiteten die ko­mischen Stücke und ernteten sämtliche Nummern reichen Beifall. Nur zu schnell verflossen die frohen Stunden, nur zu bald war für die Zuhörer das reichhaltige Programm abgewickelt. In einer gemeinschaftlichen Versammlung des hiesigen Veteranen- und Militärvereins wurde beschlossen, beide Vereine zu verschmelzen. Da der vor 6 Jahren gegründete Militärverein noch keine eigene Fahne besitzt, so soll auf die seitherige Vsteranenfahne de; NameMilitär- und Veteranenverein" oderKriegerverein" gestickt werden. Dieselbe soll nächstes Frühjahr neu geweiht werden. Gelegentlich dieser Fci-r soll dann zugleich auch die von Sr. Moj. dem König im Jahr 1895 gestiftete Erinnerungsmedaille den Veteranen überreicht werden.

Mit dem 1. Jan. 1699 treten in der württ. Postordnung folgende bemerkenswerte Aenderungen ein:

Auf Po st karten dürfen künftig auch durch auf­geklebte kleine Zettel Name und Ort des Adressaten bezeichnet werden.

Warenproben. Das Gewicht von 250 Gramm ist auf 350 erhöht worden.

P'o stanweisungen mit dem Betrage unter 5 Mark gehen künftig mit dem Portosatz von 10 -H. Der Meistbetrag von 400 ^ ist auf 800 er­höht worden. Zu den 10 gZ Postanweisungen dürfen nur Kartenformulare benützt werden, solche sind von den Postämtern zu beziehen.

Stuttgart, 29. Dez. Die Württ. Alters- und Invaliditäts-Anstalt hielt heute unter dem Vorsitz von Fobr. Pöppel, Reutlingen und in Anwesenheit von 2 Regier ungskomrwssäre» ihre Jahresversammlung ab. Es kam dabei zur Mitteilung, daß entsprechend der Lage des Geld­marktes auch die Anstalt bis zu 4'/» V« gegangen ist. Diesen Zins hatten zuletzt aber nur Private auf dem Lande zu bezahlen, von jetzt sollen sie, wie die Stutt­garter nur noch 4°/« zu erlegen haben. Anlaß zu länge­ren Erörterungen gaben die nachstehend aufgeführten Positionen für ein ReconvaleLzentenheim, wofür das Bad Röthenbach bei Nagold ausersehen ist. Dieser Betrag wurde verwilligt, ebenso der geforderte für den Volksheilstättenverein. Heber den Posten für ein eigenes Anstaltsgebäude wurde geheim abgestimmt.

Aus Airolo, 28 Dez. meldet man der N. Zürich. Z.: Seit langer Zeit schon lebten die Bewohner von Airolo in beständiger Furcht wegen dis bevorstehenden Absturzes des Sasso Rosso, der schon längst drohte, ihre Ortschaft zu zerstören. Es wurden verschiedene Beratungen gehalten, um Abhilfe zu schaffen. Gestern Morgen 4'/- Uhr wurden nun die Bewohner von Airolo durch ein ent­setzliches Getöse aus dem Schlafe geweckt. Ein großer Teil des Felsen Sasso Rosso hatte sich losgelöst und wälzte sich gegen das Dorf hin. Die Rutschungen dauerten bis gegen Mittag an. Mehrere große Tannen wurden niedergcrissen und zwei Ställe zerstört. Letzte Nacht Verlusten die Bewohner ihre Häuser, um ihre Schlafstelle an einem g-sicherten Ort zu suchen, da die Gefahr noch nicht beseitigt ist. Ein Teil des Felsens scheint nächstens abstürzen zu wollen. Wie heute Vormittag 10 Uhr ein Telegramm aus Luzern meldet, ist der Absturz bereits erfolgt.

DaS Dorf bietet einen erschreckenden Anblick, zwei Quadra kilometrr sind von den Schuttmassen überdeckt, 8 Wohnhäuser und 14 Ställe sind zerstört worden. Sie bilden einen wüsten Trümmerhaufen, während eine Anzahl anderer Häuser schwer beschädigt worden ist. Die Festungstruppen vom Gotthard und die ganze Bevölkerung arbeiten ununterbrochen an der Wegräumung der Schuttmassen. Aus den Trümmern wurden 3 Leichen hervorge­zogen. In dem Schutthaufen, den das Hotel Airolo bildet, wütet eine Feuersbrunst, die auch die Nachbarhäuser zu ergreifen droht. Der Gesammt- schaden wird auf eine Million gerechnet. Man glaubt zwar, daß die Gefahr eines neuen größeren Bergsturzes ausgeschlossen ist, immerhin sind alle Vorsichtsmaß­regeln getroffen. Mehr als die Hälfte des Dorfes ist von den Bewohnern geräumt gewesen; wäre dies nicht geschehen, würde die Katastrophe zahlreiche Opfer gefordert haben.

Calw.

Aegenschastsverkehr.

Es wurden verkauft-

am 9. Dez. von Ernst Staub, Bildhauer hier, an Johann Hingel, Gipsermeister hier, die Hälfte am Geb. Nr. 4M ein zweistöck. Wohnhaus in der Bischoffstraße um 11000 ^ am 24. Dez. von Ludw. Fried. Schlaich , Kolporteur, an Jak. Friedr. Schechinger, Masch.-Stricker hier, die Hälfte am Geb. Nr. 275 ein zweistöck. Wohnhaus an der Altburgerstraße und P. Nr. 182 1 ar 18 gm Garten beim Haus um 2000 «L

Standesamt Kak«.

G eboren e-

17. Dez. Emil, S. des Gottfried Mayer, Bremsers hier.

18. ,, Georg, S. des Michael Hoferer, Fabrik­

arbeiters hier.

21. Heinrich Wilhelm, S. des Gustav Adolf Störr,

Masch.-Strickers hier.

22. Maria Bertha, T. des Math. Rüd, Maga-

ziniers hier.

Gestorbene:

19. Dez. Luise Fanny Widmaier, T. des Hermann

Widmaier, Oberkellners von hier, 5 Monate alt.

26. Karl Friedrich, S. des Andreas Hang, Fabrikarbeiters hier, 3 Monate alt.

28. Anna Maria geb. Dittus, Ehefrau des Jakob Schäfer, Bezirksfeldwebels a. D. hier, 64 Jahre alt.

GotteSViewste

am 31. Dezember.

5 Uhr: Jahresschluß-Gottesdienst und Beichte, Herr Dekan Roos.

Neujahrsfest 1849.

Vom Turm - 535. Der Kirchenchor singt:Wer unter dem Schirm" von Abel. Prcdigtlied: 364,Befiehl du deine Wege." 9'/i Uhr: Beichte in der Sakristei. S'/- Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan RooS. Feier des h. Abendmahls. 2 Uhr Nachm.-Predigt: Herr Stadt­pfarrer Schund.

Mittwoch, 4. Jan.,

10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.

Jireitag, 6. Jan., Hrscheinungsfest.

9h's Uhr Vorm.-Predigt: Herr Dekan Roos. 5 Uhr: Missionsstunde im Vereinshaus, Herr Stadt­pfarrer Schmid. Das Opfer des Festes ist für die Basler Mission bestimmt.

Milche Kekallllt»achukM

Im BezirkSdicnst der K. Straßen- und Flußbauverwaltung wird eine

Bauamlsassissenteusselke

(zunächst mit dem Wohnsitz in Calw) bis zum 1. Februar 1899 erledigt. Der Gehalt beträgt 2100 nebst entsprechendem WohnungSgeld.

Die Bewerber, welche die Erstehung der Werkmeisterprüfung nachzuweisen haben, werden aufgefordert, sich binnen 14 Tage« bei der Unterzeichneten Stelle vorschriftsmäßig zu melden.

Stuttgart, den 22. Dezember 1898.

K. Winisteriataöteiknng für de» Straße«- ««d Wasserbau.

Euting.

Bekanntmachung

Uetr. Namensänderung.

Durch Erlaß der K. KreiSregierung in Reutlingen vom 23. d. M. Nr. 13409 ist dem Gesuch des Schreinermeisters Gottlob Müller in Calw um die Erlaubnis, seinem am 18. Oktober 1891 zu Oberjesingen OA. Herren- berg geborenen Pflegkind Eva Maria Niethammer den Familiennamen Müller" beilegen zu dürfen, vorbehaltlich etwaiger Rechte Dritter entsprochen worden, was hiemit bekannt gemacht wird.

Calw, den 29. Dezember 1898.

K. Oberamt.

Gottert, Amtrn.

Hvvonrl,

In Folge höherer Weisung sind dir Bahngleisunterhal­tungsarbeiten im Accord pro 1899 auf der Strecke WeilderstadtAlthengstett mit 3000 AlthengstettCalw 4000

CalwWildberg 2000

WildbergNagold 2000

NagoldHochdorf 2500

im Wege schriftlicher Submission zu vergeben, und werden geeignete Unternehme« hiezu eingeladen, die Bedingungen und die Preistabelle auf dem BauamtS- Bureau in Calw einzusehen und ihre Offerte daselbst in Prozenten der festge­setzten Einheitspreise ausgedrückt, schriftlich vei siegelt und mit entsprechender Auf­schrift, sowie diesseits Unbekannte mit Vermögens- und Fähigkeitszeugniffen ver­sehen, spätestens bis

Donnerstag, den S. Januar 18SS, abends « Uhr,

abzugeben.

K. Eisenbahnbetriebsbauamt Calw.

Krauß.

Mekanntma«k»mig.

Von nachstehenden Herrn und Damen wurden Nenjahrswunsch-Ent« Hebungskarte» gelöst:

Frau Bronn Wwe., Teinach, Frl. E. Schweitzer, Teinach, Dekan RooS und Gemahlin, Frau Kuom Wwe., Gebrüder Kuom zum Waldhorn, OA.-Arzt vr. Müller und Gemahlin, Fabrikant Hippelri» und Gemahlin,