An die Mitglieder der deutschen Partei
in Württemberg.
Seit Wochen ist,unser Land der Schauplatz einer künstlichen Aufregung. Die Leiter der Volkspartei betreiben eine Agitation gegen die neuen Heereseinrichtungen. Ein Gesetz, das vor zwei Jahren rechtsgültig zu Stande gekommen, soll umgestürzt, eines der Bande, die uns mit Deutschland verknüpfen, zerrissen werden.
Wie die deutsche Partei diesem Treiben gegenüber sich zu verhalten hat, kann nicht zweifelhaft sein. Denn von andern Parteien unterscheidet sie sich dadurch, daß sie die deutsche Einheit nicht blos wünscht, sondern auch die Mittel will, sie zu verwirklichen. Nichts hat sie gemein mit den Versuchen, unsere Heimath vollends abzureißen vom großen Vaterland. Sie weiß, daß die Pflichten gegen das große Ganze die ersten und heiligsten sind. Mann für Mann weist sie den Appell an die Weichlichkeit und Selbstsucht zurück. Darin wissen wir uns eins mit allen Mitgliedern der Partei. Gleichwohl verstatten wir uns, auf einige weitere Gesichtspunkte hinzuweisen, welche uns geeignet scheinen, die Stellung der Partei zu bezeichnen und je nach Gelegenheit zur Aufklärung des mißleiteten Volkes verbreitet und erläutert zu werden.
Das gegenwärtige Wehrsystem hat gegen das frühere, das unser Volk Jahrzehnte lang ertragen hat, wesentliche Vorzüge. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ist die Erfüllung eines alten demokratischen Verlangens, die Abschaffung des Loskaufs beseitigt das Privilegium des Reichthums. Die Möglichkeit früherer Eheschließung (jetzt nach 3 Jahren, früher nach 6 Jahren) ist eine wesentliche Erleichterung des Volks, das Institut der einjährigen Freiwilligen verwerthet die Elemente der Bildung für die Zwecke des Kriegsdienstes und hebt damit die Tüchtigkeit des Heeres. Die Erleichterungen, die es dem Einzelnen bietet, sind durch dessen größere Opfer ausgeglichen. Für die erhöhten Anforderungen des neuen Gesetzes entschädigt vollauf die Gewähr, daß die aufgewendeten Summen künftig nicht nutzlos verschwendet sind. Unsere Organisation schließt sich an diejenige des norddeutschen Heeres an, dessen Vortrefflichkeit anerkannt ist, und dessen Ueber- legenheit in Süddeutschland nicht vergessen sein sollte. Nicht unsere Partei ist es, welche die Probe des ungleichen Kampfes im Jahre 1866 herausgefordert hat.
Durch die Gleichheit der Heereseinrichtungen bildet Deutschland heute ein nationales Ganzes. Die loyale Ausführung des neuen Kriegsdienstgesetzes ist eine moralische Pflicht, kraft des Allianz- Verhältnisses, in dem unser Land mit dem norddeutschen Bund sich befindet. Es ist unsere Schuldigkeit mit Deutschland zusammenzustehen zu Schutz und Trutz, und wenn das Bündniß dem kleineren Lande größeren Vortheil bringt als dem norddeutschen Bunde, so ist es an uns, wenigstens in ebenbürtiger Verfassung unfern Bundesgenossen an die Seite zu treten. Jeder Staat gilt so viel als er leistet. Wollten wir die Pflicht der Waffengemeinschaft nicht anerkennen, dann wäre freilich jeder Kreuzer zu viel, den wir auf das Heerwesen überhaupt verwenden. Aber mit dem Bündnisvertrag steht und fällt ausgesprochenermaßen auch der Zollvereinsvertrag, und Niemand wird im Ernst wollen, — wir fragen alle Gewerbetreibende und Handeltreibende, alle Arbeiterund Bauern — Niemand wird wollen, daß die wirthschaftliche Gemeinschaft unseres Landes mit Deutschland gelöst werde.
Wir verkennen nicht die Größe der Opfer, welche das Kriegsdienstgesetz erheischt, und find nicht der Meinung, daß der jetzige Zustand auf die Dauer aufrecht bleiben solle. Aber nicht der kleine Bruchtheil darf die Höhe der Opfer bestimmen, die von Allen für das Ganze gebracht werden. Und groß werden die unvermeidlichen Opfer bleiben, so lange wir Deutsche ein unfertiger Staat sind, der Anfeindung aller anderer Völker ausgesetzt. Das Erste ist, daß ein Staatswesen seine gesicherte Existenz hat, erst dann ist es ihm möglich, sich im Innern nach Wunsch und Behagen einzurichten. Erst wenn durch den Beitritt der süddeutschen Staaten der deutsche Bundesstaat vollendet ist, erst dann wird der Friede dauernd gesichert sein, und dann kann es eine gewissenhafte Staaiskunst verantworten, daß jdie militärischen Lasten in gründlicher Weise erleichtert werden.
Wohl können wir deßhalb zu dieser Erleichterung der Lasten beitragen, aber nicht durch eine verwerfliche Agitation gegen ein wohlthätiges und durch die nationale Pflicht erfordertes Gesetz, sondern indem wir uns nicht länger weigern, dem deutschen Bundesstaat uns anzuschließen. Nur dem unaufhörlichen Schwanken in der nationalen Frage ist diese erneuerte Beunruhigung des Landes zuzuschreiden, die alle Wohldenkenden in wachsende Sorge um die Zukunft versetzt. Nicht als ob wir an den Erfolg dieser Agitation gegen ein Gesetz glaubten, dessen Abschaffung doch nicht von dem einen Faktor der Gesetzgebung abhängt; aber sie zeigt, wie unser Land von den staatsfeindlichen Parteien fortwährend aus einer Aufregung in die andere gestürzt wird, so lange es nicht seinen festen Halt gefunden hat und das Vertragsverhältniß zu Deutschland nicht in ein Bun- desverhältniß verwandelt ist. Bei jeder Gelegenheit wird Leidenschaft und Haß den Versuch er-