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Europa verbunden ist, bekanntlich außerordent­lich gesteigert und betreibt in Verbindung hiemit eine Mehlfabrikation durch Dampfmühlen in großartigster Weise. Um welche Beträge es sich hiebei handelt, beweisen folgende Ziffern. Die Stadt Pest allein hatte im Jahr 1868 im Gan­zen II Dampfmühlen, meistens Aktiennnterneh- mnngen, welche mit zusammen 453 Mahlgängen arbeiteten. Die größte dieser Mühlen hat 72 Mahlgänge und die von diesen Pester Mühlen im Jahre 1868 verarbeitete Menge an Getreide betrug 8,082,000 öfterr. Metzen oder 2,804,454 württ. Scheffel, was einem Werthe von ca. 42 Millionen Gulden südd. W. entspricht. In ganz Ungarn zusammen sind 40 solcher großartiger Mühletablissements mit 550 Mahlgängen im Betrieb.

' Ausland.

Das Repräsentantenhaus in Washing­ton hat einen Antrag auf Besteuerung der Zinsen der amerikanischen Staatsschuld auf's Nene abgelehnt, was das Zutrauen zu diesen Staatspapieren sichtlich vermehrt.

Miszellen.

Ein Heirrrthsgefuch.

Erzählung.

(Schluß.)

Bei Erwähnung des letzteren Wortes ward ich etwas verlegen, und bedauerte beinahe mein Stelldichein für den andern Tag, denn Herrn G'S. älteste Tochter mit ihren geistvollen Augen und ihrem sichern Wesen machte einen fühlbaren Eindruck auf mich, und ich dachte mit Unmuth an jene Unbekannte, wenn vielleicht noch an diesem Abende ein glücklicher Zufall mich finden ließ, was ich mir wünschte.

Ich will meine Leser nicht mit Schilderung alles dessen ermüden, was wir an jenem Abend beim Thee schwaztcn und thaten; es genüge zu sagen, daß ich mich köstlich amüsirte und eine sehr- angenehme , gemächliche und gebildete Familie kennen lernte, sowie, daß ich zu meiner Ueber- raschung fand, ich lerne unter diesen einfachen herzlichen Menschen all meine Schüchternheit und Befangenheit ganz zu vergessen und mich so leicht und ungezwungen zu geben wie sie selber. Nie­mand fragte mich, ob ich verheirathet oder ledig sei, denn in einem Haufe mit fünf nnvermählten Töchtern wäre eine derartige Frage anzüglich ge­wesen. Ich selber aber gestanv in der Zwang­losigkeit der gemüthlichen Unterhaltung einmal aus freien Stücken die Thatsache meines Junggesellen­standes ein, und hatte kaum dieses Bekenntniß abgelegt, als die Mädchen einander einen b.dcut- samen, schalkhaften verstohlenen Blick znwarfcn, der mir nicht entging. Ich vermag nicht zu be­schreiben, wie seltsam mir in diesem Augenblick zn Muthc ward. Meine Empfindungen thcilten sich zwischen Vergnügen und Verlegenheit, da mir plötzlich ein Argwohn durch den Kopf fuhr und, wie ich deutlich fühlte, mir das Blut in die Wangen treiben half. Gleich darauf richtete die älteste Tochter, jedoch mit einer erkünstelten Gleich­gültigkeit, die ihr nicht ganz gelang, die Frage an mich: in welchem Gasthof ich abgestiegen seie?

</Jm Straußen», entgegnete ich mit einiger Verlegenheit.

Sämmtliche fünf Mädchen konnten nur müh­sam ein Lachen unterdrücken und bissen sich auf die Lippen mein Argwohn war nun zur Ge­wißheit geworden. ES ward nun noch musicirt und als ich es für schicklich erachtete, mich zu entfernen und mich verabschiedete, so raffte ich all meinen Muth zusammen und flüsterte der ältesten Tochter heimlich zu: Soll P. P. den heutigen Abend für die besprochene Zusammenkunft an- sehen?"

Ein Erröthen gestand ihre Schuld, oder besser gesagt Unschuld ein, und zeigte mir, daß mein auf's Gcradcwohl abgeschossener Pfeil das richtige Ziel getroffen hatte; daher drückte ich ihr vorerst nur mit Wärme die Hand und trieb die Sache nicht weiter.

Am andern Tage blieb ich bis um ein Uhr auf meinem Zimmer im Gasthause, allein Nie­mand kam. Ich daher mit gutem Appetit zu Mittag, machte nach Tische wieder etwas Toilette unter dem Gedanken, wenn der Berg nicht zu Mahomet kommt, so muß eben Mahomet zu dem Berge gehen, und damit wanderte ich zu meinem wackern alten Gastfreunde hinüber. Die jungen Damen waren alle zu Hause; die älteste saß mit einer Stickerei in einer Fensternische; ich hatie daher Gelegenheit, während ich mich über die Stickrahme beugte, um die Arbeit zu betrach­ten, ihr zuzuflüsteru: "S. S. ist nicht pünktlich." Sie erglühte so tief bis znm Nacken, daß der ärgste Skeptiker nicht mehr länger hätte im Zweifel sein können. Ich sagte nichts weiter zu ihr, aber auf dem Spaziergange, den ich mit der ganzen Familie machte, unterhielt ich mich größtentheils mit Malwinen und unterhielt mich gut, denn sie war klug und geistreich und doch lebhaft und ge­mächlich dabei, und hatte trotz ihrer siebenund­zwanzig Jahre sich doch noch ihre volle Hcrzens- fnsche bewahrt. Ich fand, daß sie nach Charakter wie nach Alter für mich paßte, und obschon sie vielleicht gerade nur im Bewußtsein ihrer Schuld gegen mich so freundlich und zuthunlich war, als, ob sie mir ein begangenes Unrecht abbittcn und thatsächlich sühnen wollte, so wollte es mich doch bedünken, daß wir uns in vielen Stücken trefflich verstanden und in unseren Lebensanschauungen und Geschmacksrichtungen übcreinstimmten. Als sie mir daher am Abend in ihres Vaters Garten gestand, daß sie und ihre Schwestern im Complott beschlossen hätten, mich für Narren zn halten und muthwillig hierher zu locken, natürlich mit dem Vorbehalt, das verheißene Stelldichein mir nicht zu gewähren, da sagte ich zu ihr:Nun denn, meine liebe Malwine, da Sie ja geständigermaßen die Absicht hatten, mich zn umstricken, und da Sie mich hierhergelockt haben, so müssen Sic jetzt auch Unwilligen, mich glücklich zu machen! . . . ."

Und was antwortete sie darauf Papa?" fragt mich meine jüngste Tochter, die mir in diesem Augenblicke beim Schreiben über meine Schulter in das Papier blickt.

"Jenun, lieb' Gänschen, erreichst Du cs denn nicht?" geb ich ihr zur Antwort; "sie mußte mir geloben, Deine Mama zu werden, und sie hat dieses Versprechen gehalten."

Redaktion, Druck und Vertag von Jak. Meeh in Neuenbürg.