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von Wildbad abgehenden Zug gewartet werden mußte. Vor dem Güterbahnhof blieb der Zug stecken, da die 2 Maschinen nicht mehr denselben weiter bringen konnten, was der weiter unten beginnenden starken Steigung und der Größe des Zuges zuzuschreiben ist, weßhalb dort aus­gestiegen wurde. Eine Menge Leute hatte sich zum Empfang der Gäste eiugefunden, welcbe sich nun in die verschiedenen Gasthäuser zur Restau- rirung begaben. Mittags war Tanzreunion im Kursaal, bei der sich die junge Welt vergnügte, und Abends spielte die Kapelle am Kurplatz unter Anderem auch das beliebte Potpourri Stuttgarter Lieblinge", was bei den Stuttgar­tern wieder alte Erinnerungen an ihren srühern Kapellmeister hervorrief, daß ihm mehrmals Ova­tionen zu Theil wurden. Nachdem noch Viele das Theater besucht hatten, wurde um 8Vs Uhr mit dem Extrazug die Heimreise angetreteu, wo­bei unter Hochrufen die Gäste Abschied nahmen. Möge ihnen dieser Ausflug in angenehmer Er­innerung bleiben.

Oesterreich.

I» Tyrol zieht die Geistlichkeit namentlich gegen die liberalen Zeitungen zu Felde, die sich übrigens in diesem glaubenseinheitlichen Lande immer mehr Bahn brechen. Jüngst bekam ein Wirth in Jnsbruck, der auch die WienerNeue Presse" hält, eine neue Weinpresse. Am fol­genden Sonntag donnerte der Herr Curat aus Leibeskräften gegen dieNeue Presse", und nun begab sich nach der Predigt eine Deputation zu dem Wirth mit der Bitte, er möchte doch die Weinpresse weggeben, da sie dem Herrn Cu­rat so viel Aergerniß bereite! So werden dem Volke Dinge gepredigt, die es gar nicht versteht und die nur geeignet sind, dasselbe irre zu füh­ren. Derselbe Lärm wird dort mit den Frei­maurern geschlagen. Aber welcher Bauer weiß eigentlich, was ein Freimaurer in Wahrheit ist? Man muß eben ein Steckenpferd haben, um die Menge in Athem zu halten.

Ausland.

London, 31. Aug. Die Times polemisirt in ihrem heutigen Leitartikel scharf gegen den Gedanken einer französisch-belgisch-holländischen Zolleinigung, den Frankreich zu verfolgen scheine, obgleich es direkte Schritte vermeide. Die Groß­mächte würden entschieden dagegen opponiren, weil die Unabhängigkeit Belgiens dadurch be­droht würde.

Die englische Staatsschuld beträgt gegenwärtig ungefähr 800 Millionen Pfund Ster­ling (9600 Millionen Gulden).

Aerztlicher Kalender. Beim sogenannten gastrischen Fieber (Abgeschlagenheit, eingenom­mener Kopf, pappiger Geschmack, Verdauungs­störung mit und ohne Diarrhoe), das im Früh­jahr und Herbst häufiger auftritt, ist der starke aus Gährungspilzen bestehende Beleg auf Zunge und Zähnen nach den neueren Erfahrungen über Pilzkrankheiten der Urheberschaft der Krankheit verdächtig. Man reinige deßhalb mehrmals täg­lich den Mund sorgfältig mit stark verdünntem Schnaps und einem Würstchen. Erkrankt man doch, so nehme man starken Wein und wenig, aber kräftige Nahrung.(St.-Anz.)

Marian n e.

Erinnerung aus dem Badeleben.

Von Auguste Kurs.

(Fortsetzung.)

Während die ohnmächtige Advlphine und ein paar andere nervenschwache Damen noch die ganze Sorgfalt ihrer Angehörigen in Anspruch nahmen, hatte das kräftige Landmädchen sich schnell erholt, dankte tief bewegt, mit überströ,»enden Augen ihrem Retter, und begab sich nach Hause, von mir und dem Vetter begleitet, in dessen Freude sich Scham über die eigene Unthätigkeit und Ver­druß über des vermeintlichen Nebenbuhlers Geschick und Glück mischte.

Die ganze Gesellschaft drängte sich mit Lobes­erhebungen um diesen, der sich Allen, unter dem genügenden Vorwand, die durchnäßte Kleidung zu wechseln, rasch entzog.

Nicht weit von Alois Eltcrnhause strich die Adlerwirthin mit höhnisch triumphirendem Lächeln an uns vorüber. Sie erwiderte kaum Marian­nens Gruß, und winkte noch einmal mit der Hand zurück nach der strengen Base, die den werthen Gast bis vor die Thür geleitet. Dort stand sie noch mit erhobenem Kopfe, die rothen Tuchzipfel zurückgeworfen, die Arme übereinander geschlagen. Sie maß uns mit kuriosen Blicken, und beachtete wenig meine Erklärungen, als die frostzitternde Marianne an ihr vorüber in ihre Kammer eilte. Verlegen lehnte der Alois an dem Lindenbaum vor der Thür.Geh' hinein, der Vater hat mit dir zu reden" preßte die Alte zwischen den zusammengekniffenen, dünnen Lippen hervor.Reize ihn nicht, sonst gibt's ein Un­glück" setzte sic dann milder hinzu. Man sah, es war doch der verzogene Liebling wenn er nur etwas Muth hätte! Ich war hier offenbar überflüssig und ging.

Früh am andern Morgen begegnete mir die wei­nende Marianne. Sie hatte der Sternenwirthin, bei der ich wohnte, ihre Dienste angeboren, denn die Flamme war hell aufgeschlagen und die Verwandten hatten sie verstoßen."Ich darf mir deine reiche Gase nicht erzürnen, sonst nähm' ich dich gleich, schon um die hoffährtige Lisbeth aus dem Adler zu ärgern. Such' dir erst anderswo ein Unterkom­men, und lasse Gras wachsen über all den dum­men Geschichten mit Alois und dem Baron. Wenn ein halbes Jahr in's Land gegangen, möcht' ich dich schon nehmen." Damit entließ die kluge Frau Wirthin das arme, verlassene Kind, das sich schon an mehreren Orten ähnlichen oder noch schlimmeren Bescheid geholt hatte.

Sie klagte mir mit rührendem Vertrauen, wie man ihr gestern Abends ihren Undank, ihre An­maßung in den bittersten Worten vorgeworfen, und sie zur Strafe für immer aus dem Hause ge­wiesen.Und dein Vetter, der Alois?" Der gerade hat mich am tiefsten gekränkt, er hat kein kleines Wörtchen gefunden, für mich und unsere heimliche Liebe zu sprechen, denn die Leute haben ihn irre gemacht, und er glaubt nicht mehr an mich. Mit uns ist's aus, das kann ich ihm nimmer vergessen. Lassen Sie mich, bester Herr, mir ist nicht mehr zu helfen; ich will hinauf in die Berge, wie ich als kleines Kind so oft gethan, und mich ausweinen in meinem Herzeleid. Viel­leicht gibt der Himmel mir einen guten Gedanken ein."

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.