Ein offenes Wort an Euch Ihr Wähler!

Herr Stadtschultheiß Schuldt von Calw, derselbe, wel­cher gleich bei der Calwer Wahlversammlung den ersten wider­wärtigen Streit in unsere Wahlsache hereingebracht hat, läßt jetzt in allen den Blättchen einen Wahlaufruf abdrucken, worin zur Empfehlung des Hrn. Dörtenbach wir und unser Kan­didat schlecht gemacht werden, und das.alte Gerede wiederholt wird:wir wollen Württemberg preußisch machen" und der­gleichen Dinge mehr. Ihr Wähler alle, Ihr müßt nun schon selbst prüfen! denn in Eure Hand ist es gegeben. Darum überleget Folgendes:

1 ) Lasset Euch nichts weiß machen: man hat Euch bisher schon viel vorgeredet von neuen Steuern, die kommen, wenn man den Elben wähle. Aber's war eben Alles nichts. Da hat's geheißen, das Weinumgeld komme in die norddeutsche Kasse das ist nicht wahr, dort gibt's gar kein Umgeld. Ferner: die Malzsteuer bleibe dort-hängen aber die preu­ßische Malzsteuer ist viel niederer als ukrsere! Hütten wir nur die preußische, sagen unsere Bierbrauer und Biertrinker mit Recht! Ferner: das Branntweingesetz komme wieder da hat aber der Di-, Elben schon gezeigt, daß das für unsere Ver­hältnisse nicht möglich sei, und wie wir eS einfach nicht anzu­nehmen brauchen, wenn wir nicht wollen, weil das ganz in unserem Belieben steht. Dann heißts: die Militärlasten! Man macht Euch fürchtig, als ob man da noch für jeden Mann 235 Thlr. dem König von Preußen bezahlen müsse und verschweigt Euch, daß für dies Geld die Bundeskasse in Norddeutschland dann alles, die Mannschaft wie die Bewaffnung bezahlt. Und wißt Ihr, was bei uns der Mann kostet? 400 fl., also noch 6 fl. 15 kr. mehr als jene 225 Thlr. Also ist der einzige Unterschied im Kosten der, daß man im Norden, auch zu unserem Schutz, mehr Soldaten hat, als bei uns. Wißt Ihr aber, wann man auch im Norden sehr gerne die Militärlast herab- sezt, und wißt Ihr, wann zugleich die ewige Angst vor Krieg und Störung im Geschüftslcben aushört? ganz einfach: so­bald die ewigen Hezereien gegen unsere norddeutschen Brüder aufhören und der Franzos sieht, daß es blos ein einiges Deutschland gibt!

2) Warum verschweigen denn die Calwer Herren ganz, was wir alles Nutzen ziehen aus den jetzigen neuen Ver­hältnissen? Höret blos Folgendes: Einmal aus der Zollver­einskasse bekommen wir viel mehr als wir Anlegen: das macht, weil man im Norden viel mehr Zucker, Kaffee, fremden Wein und Dutzend andere Dinge braucht und weil jezt Hannover und Oldenburg u. s. f. keinen Voraus mehr bekommen. Dann: wer Salz für sein Gewerbe oder seinen Acker braucht, wird bald

- merken, um was es wohlfeiler ist; wer viel Briefe nach dem Norden schreibt, wird viele Sechfer ersparen; wer Holz die Enz oder Nagold hinabflößt, hat sich bereits königlich gefreut, daß er in Folge des Friedens mit Preußen jezt die theuren und lästigen Floßgebühren los ist; unser Wein kostet jezt, wenn er nach dem Norden geht, keine Uebergangs- steuer mehr; der Schutz zur See und auswärts durch die" Bun­deskonsuln kommt doch den Waaren, welche in unseren fleißigen Bezirken gemacht werden, meinen wir, auch zu gut, und ebenso, was Gott verhüten wolle, der Schutz der norddeutschen Krieger unseren Fluren, wenn es einmal wieder Krieg gäbe! Jezt

nehme sich aus all' diesem Jeder sein Beispiel heraus, rechne für sich aus, was er gewinnt!

3) Wir können aber ohne alle Kosten noch mehr haben, wenn es geht, wie der I)r. Otto Elben es als seinen Wunsch vorgestellt hat. Wir können an dem Nutzen und «großen Vor­theil, welche der Norddeutsche Bund durch Freizügigkeit, gleiches Münz-, Maß- und Gewichtswesen, durch die Erleichterung des Verkehrs, z. B. für billige Kohlen und durch gleiches Recht gewährt, ohne alle Kosten und ganz ohne neue Steuern unfern Antheil haben, wenn wir bei einer allgemeinen deutschen Gesetzgebung für diese Dinge, wie sie Or. Otto Elben ver­langt hat, mitthun.

4) Wir haben unser Leben lang mit gesungen und ge­trunken und geschwärmt für eine deutsche Einheit und wenn wir vom Parlament nur hörten, waren wir vergnügt und be­geistert. Jezt können wir's haben, nach allgemeinem Stimm­recht dazu, wie's die Volksparthei immer wollte. Und jezt klagen die Leute Wehe! und wollen Nichts von Deutschland, sondern reden blos noch von einer württembergischen Selbst­ständigkeit. Das ist nicht schön!

5) Gegen unfern Kandidaten den Hrn. vr. Otto Elben, helfen ohnehin alle diese Redensarten:man wolle uns ver- preußen" und dergleichen Sachen gar nichts! Denn er hat sich als einen so ruhigen, besonnenen, müßigen Mann gezeigt, daß ohnedies Jeder, der ihn gehört hat, wohl weiß, was er von jenen einfältigen Beschuldigungen zu halten hat.

6) Daß die Familie Dörtenbach große Verdienste um die Stadt Calw hat, daß besonders der alte Hr. Dörten­bach ein sehr gescheidter, verdienter Mann ist, das erkennen wir laut an. Aber der junge Hr. Dörtenbach hat doch gar zu deutlich gezeigt, daß er, gewiß ein recht guter Ge- fchästsmann in seinem Bankierhause, doch einfach ins öffentliche Leben und vollends in ein deutsches Parlament nicht paßt. Wenn man auch ein reicher Calwer Herr ist, so ist man darum noch kein Volksabgeordneter. Und daß die Calwer Herren ohne Weiteres ohne alle Anfrage, ihren Kandidaten den anderen Bezirken aufnöthigen wollen, ist gar nicht schön. Die Böhlinger, Nagolder und Neuenbürger haben sich gemein­schaftlich berathen und den Kandidaten Otto Elben auf­gestellt.

7) Wir Süddeutsche müssen, gerade weil wir die Minder­heit sind, Männer nach Berlin senden, welche nicht abstoßend sich verhalten wollen, welche Kopf und Herz auf dem rechten Flecke sitzen haben, welche auch das Zeug und die Energie und die Rednergabe besitzen, um für unsere Jnteresfen etwas erreichen zu können. Nun entscheidet, Ihr Wähler, die Ihr beide Herren Kandidaten in Calw oder Nagold im Neuenbürger oder Böblinger oder Leonberger Bezirk habt sprechen hören, selbst: wen Ihr wählen müßt!

So Ihr Mitbürger! Dies ist ein offenes ehrliches Wort gegen die Calwer Zumuthungen! Wir Böblinger, Nagolder - und Neuenbürger haben gute Zuversicht. Gebt Acht und helfet wacker und treulich mit, daß am Wahltag die Zettel lauten

vr. Otto Elben aus Stuttgart.

Die Comite's von Böblingen, Neuenbürg, Sindelfingen und eine Anzahl Wahlmänner von den Bezirken Calw und Nagold.

Druck von E. Maier in Böblingen.