139

Geilage MM EryMler Nro. 33.

Dienstag, den 17. März 1868.

Kronik.

Stuttgart. Das Regierungsblatt vom 5. März enthält die Gcseze, betreffend die Nekru- tenaushebung für die Jahre 1868, 1869 und 1870 und die Erhöhung der Notariats-, Erb- schasts- und Vermächtnißsporteln; sodann eine Verordnung, betreffend die internationale Schiff- fahrts- und Hafenordnung für den Bodensee, wie solche unterm 22. Sept. 1867 zwischen den Ne­gierungen sämmtlicher Uferstaaten vereinbart und nunmehr allseitig ratificirt worden ist.

Ellwangen. Am 4. März verstarb hier nach kurzer Krankheit im Alter von 81 Jahren der resignirte Stadtschultheiß Rettenmaier. Mit ihm ging der letzte der Landtagsabgeordneten zu Grabe, welche au dem Landtag von 1819 Theil nahmen und die Verfassungsurkunde unterschrieben.

Brackenheim, 10. März. In der Wäh­lerversammlung am letzten Sonntag führte A. Goppelt u. A. Folgendes aus: Man werde sagen dürfen, daß die Regierung glaube, durch den Hinweis auf überwiegende Wahlen von Geg­nern einer deutschen Verfassung einen bessern Standpunkt bei den Unterhandlungen zu erhalten. Dieß sei aber sehr zu bezweifeln. Der Nord­bund werde vielmehr einem Freunde mehr ent- gegenkommen und das jetzige Gebühren der Par­teien in Süddeutschland ihn sogar abhalten, das zuzugestehen, was auch die liberale Partei zu­nächst wünsche, die Ausdehnung der Kompetenz des Zollparlaments auf einige verwandte Gegen­stände. Indessen werde es uns anheimgestellt sein, unsereSelbstständigkeit" wie seither dazu anzuweuden, um die für den Norden beschlosse­nen Gesetze, ohne sie mitberathen zu haben, doch anzunehmen, und der Erfolg werde gerade dieDerprmßung" sein, gegen welche es kein anderes Mittel gebe, als die Zusammenfassung Deutschlands in Einem Parlament. Wenn ein- gewendet werde, es drohe Krieg, wenn wir diese lang ersehnte deutsche Verfassung erlangen, so sei dies ganz unrichtig. Die Beunruhigung Europas komme ganz entschieden von dem un­gewissen Zustand in Deutschland; der freiwil­lige Eintritt der süddeutschen Staaten in eine ganz Deutschland umschließende Verfassung schneide jede Möglichkeit ab, fernerhin in Deutschland eine Spaltung hervorznrufen und führe damit zur Entwaffnung und Erleichterung der Lasten des- Volkes. Was OesterreichsAusschluß" be­trifft, so sei es noch Niemand gelungen, zu sagen, wie eine verfassungsmäßige Verbindung zwischen ihm und dem neuen Deutschland herzustellen sei, und man sei heute noch viel entschiedener als 1849 auf eine völkerrechtliche Allianz angewiesen. Die Deutsch-Oesterreicher selbst wollen nichts Anderes. Die deutsche Partei könne darauf Hin­weisen, daß sie bis daher stets Recht behalten habe. Vor dem Kriege habe sie geglaubt, durch Annahme der damals von Preußen gemachten

Parlamentsvorschläge den Krieg verhindern zu sollen. Als Sadowa geschlagen gewesen, habe sie von Fortsetzung des Kampfes abgerathen und durch allen Hohn und Spott von der Regierungs­und demokratischen Presse sich nicht abschrecken lassen. Der Friede wäre gewiß leichter gewor­den, hätte man ihr gefolgt. Dann habe die deutsche Partei Abschluß eines Bündnisses mit Preußen in militärischen und Zollvereinssachen gefordert, und während die Regierung in allen ihren großen und kleinen Organen Lärm gegen dieses Begehren schlagen ließ, habe sie bereits den Allianzvertrag in der Tasche und die Zoll­vereins-Unterhandlungen angeknüpft gehabt! Das Volk möge nun beurtheilen, wer Recht gehabt, und ob es sicher sei, daß nicht jetzt wieder die­selben Vorgänge sich wiederholen. Was die Frei­heit betreffe, so dürfen wir allerdings ungebun­dener uns äußern, aber die Regierung thue doch, was sie wolle, gerade wie in Preußen. Nach der Nordbundverfassung habe Preußen nicht ein­mal das Recht, freiheitliche Einrichtungen der Südstaaten zu maßregeln; es fehle aber auch jeder Grund dazu; bei dem alten Bundestag sei die Reaktion nur gekommen, weil die Freiheit mit Einheitsgedanken verbunden gewesen sei, während nach errungener Einheit die Freiheit keine Gefahr biete. (Neck. Ztg.)

An die Wähler von Stadt und Land.

(Aus dem Calwer Wochenblatt.)

Mitbürger!

Wir sind mit allgemeinem Wahlrecht und ge­heimer Stimmgebung berufen, zum Zollparlamcnt zu wählen.

Das Zollparlament hat zunächst über Zollan- gelegenhciten zu berathcn und mitzubeschließen, und schon dich ist wichtig; denn die Zölle sind Steuern, welche, je nachdem sie angesetzt werden

im Interesse Weniger oder des ganzen Volkes

verderblich oder wohlthätig wirken. Man hört jetzt überall die Ansicht aussprechen, daß in das Zollparlament vorzugsweise Industrielle ge­wählt werden müssen; und es ist richtig, daß dieser Stand im Parlament gut vertreten seyn sollte; aber man braucht auch Abgeordnete darin, welche die Interessen des großen verbrauchenden Publikums vertreten, Abgeordnete, welche gegen unnöthige, die Lebensbedürfnisse vertheuernde Er­höhung der Zölle stimmen, dagegen auf allmälige Herabsetzung derselben, zum Vortheil des Volkes, hinarbeiten.

Das Zollparlamcnt ist ein Ausfluß des na­tionalen Einheitsbedürfnisses auf dem wirth- s ch aftlich en Gebiet; aber diese Einheit ist ebenso nothwendig auf dem politischen Gebiete. Vor 20 Jahren galt dieß im Süden, wie im Norden als unbestrittene Wahrheit; jetzt aber, wo die Hindernisse aus dem Wege geräumt, drei Bier- theilc der Nation bereits geeinigt sind, jetzt mahnt man ab von der Einigung! Jetzt versucht man, uns zu schrecken mit den Militärkosten im Nord-