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Miszellen.

Paris and feine Weltausstel­lung.

(Fortsetzung.)

Die schönsten Straßen in Paris sind die Boulevards, oft 15 Minutenlang und 100 Fuß breit; sie habeil einen macadamisirten Fahrweg in der Mitte und asphaltirte sehr breite Fuß­wege (Trottoirs) zu beiden Seiten mit Bäumen bepflanzt. Die Bespasiennes heißt der Pariser die schilderhausartigen niit Anzeigen beklebten runden Thürme, denen man alle 60 Schritt in den Boulevards begegnet; ebenfalls mit Anzeigen bedeckt sind die unzähligen Glasthürmchen, in welchen Zeitungen verkauft werden. Auch sind neuerdings Trinkhallen entstanden mit der Auf­schriftTrinkhalle" wo man Mineralwasser haben kann.

Die Magazine am Boulevard des Italiens überragen an Neichthum, Glanz und Geschmack die des Palais-Royal; die Laden und Caffös sind bis Nachts 12 Uhr noch offen und belebt.

Unter den Kirchen ist die Notre dame Ca- thedrale und die Madelaine in Form eines griech. Tempels von korinth. Säulen umgeben, und Notre dame de Lorette in Form einer Basilika sehenswerth. Von den 3 Kirchhöfen Mont­martre, Montparaß, ist der Pore Lachaise der größte und interessanteste; er liegt auf einem ziemlich steil ansteigenden Hügel am nordöstlichen Ende von Paris, von wo man eine schöne Aus­sicht über die Stadt genießt. Er enthält nur steinerne große G rabmäler, Mausoleen und Pyra­miden, darunter auch eine Anzahl künstlerisch prachtvoller; die Grabmale belaufen sich auf 16,000 und man hat schnell zu gehen, wenn man in 3 Stunden nur flüchtig durchpaßiren will. Das Bedeutendste von Allen ist das Grab­mal des Abts v. Abällard et Heloise ff 1142. Die schönen Baumpflanzungen an den breiten Wegen gewähren überall Schatten und einen anmuthigen Spaziergang.! '

Den größten Friedhof von Paris sieht man nicht mehr, er ist geschloßen. Niemand kann da mehr hineingehen, weder ein Lebender, noch ein Todter, es ist kein Platz mehr darin. Er liegt viele Klafter tief unter der Erde. Viele Millio­nen Todte schlafen dort, übereinandergehäuft in häuserhohen Haufen, fest wie die Mauern, die Todten vieler Jahrhunderte hier zusammenge­packt, ohne Unterschied. des Ranges und Ge­schlechts. Hier gibt es keine Aristokratie des Todes, hier herrscht die fürchterlichste Demo­kratie; Schädel, Gerippe, Beinknochen alles durch­einanderin den Katakomben von Paris!

Diese mächtigen unterirdischen Kammern, welche sich unter der ganzen Südwesthälfte von Paris dahinziehen, fast bis zur Seine, sind im Verlauf von Jahrhunderten gewühlt worden: es sind die alten Steinbrüche von Paris, die das kostbare Baumaterial für die herrlichsten Bauten lieferten; man grub und brach immer weiter, bis plötzlich die Sicherheit der Stadt selbst da­mit bedroht war.

Die verhängnisvolle Probe.

(Schluß.)

Seine harten alten Züge waren starr und geisterbleich; seine Augen, stier und scheu, weilten mit schlecht verhehltem Entsetzen auf dem Besteck, das vor ihm lag. Aber es war nur ein gewöhn­liches Besteck mit knöchernem Heft er sah kei­nen Todtenkopf darauf. Die Farbe kehrte wieder auf seine Wangen zurück und er blickte keck auf, allein jetzt sah er Aller Augen fest auf sich gerich­tet, und ein fürchterliches, bedeutsames Schweigen herrsche um ihn her. Er erbleichte plötzlich vor diesen forschenden, argwöhnischen Blicken; allein sein Auge wandte sich langsam von dem Bann dieser Blicke ab und senkte sich zu dem Besteck neben seinem Teller, das er jetzt genauer betrach­tete. Nun erst sah er, daß auf dem Heft so des Messers wie der Gabel ein Todtenkopf über ge­kreuzten Beinen eingravirt war, und er sank be­wußtlos in seinen Stuhl zurück.

Das ist Gottes Gericht! sagte der Wirth feierlich, und der Richter sagte: Amen!

Nein, es ist die Macht des Gewissens! sagte der Schulmeister.

Mehrere der Anwesenden wollte cs bedünken, als sei die Probe eigentlich nicht ganz bestanden; sie wollten sich überzeugen, ob Messer und Gabel wirklich an seinen Fingern hängen bleiben würden, und darum legten sie sogleich mir Hand an, um den Ohnmächtigen wieder zur Besinnung zu brin­gen. Es gelang ihnen thcilwcise: ein heftiger Schauer durchriesele de» großen stämmigen Körper, dann schlug der Verdächtige die Augen auf. Nach­dem er eine Weile leer und gedankenlos vor sich hin gestiert halte, belebte sich plötzlich sein Auge: er sprang auf, blickte den Anwesenden trotzig m's Gesicht und schien seine ganze Willenskraft zu- sammenzunehmen, obschon sein Gesicht und seine Glieder krampfhaft zuckten.

Was wollt ihr von mir? rief er endlich barsch.

Daß Ihr das Besteck in beide Hände nehmen sollt, entgegnen einer der Gäste.

Sonst nichts? rief er, fuhr einen Augenblick mit der Hand über seine unbotmäßigen Züge, welche seinem Willen sich nicht mehr unterordnen zu wollen schienen, brach in ein wildes höhnisches Lachen aus und ergriff mit der einen Hand die Gabel, mit der andern das Messer. Er ballte die Fäuste um die beiden leichten Gegenstände und hielt sie trotzig in die Höhe; allein mit Einemmale erschütterten krampfhafte Zuckungen seinen ganzen Körper, seine Arme sanken schlaff herunter und er brach auf seinem Stuhle zusammen.

Die Krämpfe dauerten mehr als eine Stunde, dann war er todt. Aber selbst nach dem Tode konnte man die starren, festgeschlossenen Fäuste nicht öffnen, und der Unglückliche ward mit diesen angeblichen Zeichen seiner Schuld in den krampf­haft geballten Händen in das Grab gelegt.

Die Todtenschau gab über die Leiche den Wahr, spruch ab: Durch Gottes Hand hcimgesucht Heut­zutage würde der Todtenschauer erklärt haben, der Gestorbene habe an fallender Sucht gelitten und seinen Tod durch einen Schlagfluß gefunden. Item er war todt das Gewissen hatte ihn gctödtet, und die Prüfung oder das Gottesgericht, welches die Anderen auS Aber- oder Ueberglauben mit ihm vorgenominett hatten, schien wieder einmal Recht zu haben."

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Mech in Neuenbürg.