300
er, hier auf dem Bahnhofe auszusteigcn; zwischen hier und Asperg erst bemerkte er das Versehen, sprang während der Fahrt aus dein Wagen, wodurch er ein Bein und zwei Rippen brach, auch sich am Kopfe verletzte, und schwer verwundet nach Hause getragen wurde, so daß er am 1. d. Mts. starb. (St.-A.)
Ludwigsburg, 5. August. Dem von dem Schwurgerichtshofe wegen Mords zum Tode ver- nrtheilten G. Müller von Oberbrüdeu wurde heute Abend eröffnet, daß er von Sr. Maj. dem Könige zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt sei.
Teinach, 5. August. Der Jakobitag versammelte wie immer eine zahlreiche Menge schaulustiger Menschen im Badeort Teinach. Es fand das altherkömmliche Volksfest in Teinach statt; das Wettrennen zu Esel war nicht minder lustig und komisch, als der Hahnentanz. Wie überall, so macht auch hier Uebung den Meister, und die Preise fallen fast immer schon öfters gekrönten Helden zu. Nach dem Volksfest belustigte sich das Landvolk auf seine Weise, für die Badegäste und Besuche der Nachbarstädte war ein Ball in dem reich dekorirteu Speisesaal arrangirt.
Ausland.
Paris, 7. August. Das Memorial versichert, Napoleon habe den Wunsch kundgegeben, mit dem König von Preußen auf der Rückreise von Salzburg zusammen zu treffen; die Souveräne werden sich wahrscheinlich in Baden-Baden treffen.
Zur Beurtheilnrrg der gegenwärtigen Lage.
(Fortsetzung.)
Ich antwortete mit einer Bewegung deö Bedauerns. Nach einer Weile sagte ich: „Lieber Freund, wer unter allen Umständen alles tadeln will, der kann nicht umhin, sich endlich selber zu widersprechen und damit seinem Gegner Blößen zu geben. Du hast früher an dem Deutschen, mit einem Seitenblick auf den poetischen Däncn- prinzcn, den Mangel an Thatkraft hart gerügt. Nun haben sie Thatkraft gezeigt — in den Preußen und ihrem Heer gewaltige, gloriose, staunenS- werthe Thatkraft — und fetzt willst du sie dafür belangen? Du hast an den Süddeutschen die Unfähigkeit hervorgchobcn, cs aus sich heraus zu irgend einer befriedigenden Gestaltung zu bringen. Nun bieten die Preußen ihre Hilfe an — und du willst sie dir verbitten? Bedenke: wenn die Süddeutschen so sind, wie du sie charak-erisirt hast, dann haben sic nichts nölhiger, als eben die Preuße», die ihnen gerade das geben können, was ihnen fehlt! Wenn du recht hast, dann haben auch die Preußen recht, zu uns zu kommen — und dann werden sie kommen!"
„Sie werden kommen," crwiedertc er mit Bitterkeit; „aber sie werden uns nicht bringen, was wir wollen und brauchen! Sic werden kommen und uns nicht die Organisation der Freiheit bringen, die wir brauchen, sondern die Drillung, die Dressur! Sic werten kommen und uns znrccht- machen, — wir werden ihre Rekruten sein und sie werden unsere Corporaic sein!"
Ich zuckte die Achsel. „Vielleicht ist es gerade das, was wir brauchen!" entgegncte ich. „Viel- leicht ist nichts nöthiger, als ein Dur chgehe n doch
süddeutschen Volks durch militärische Zucht unter preußischer Oberleitung! Vielleicht dürften zu diesem Zweck auch einige Ansätze mehr im Budget vollkommen gerechtfertigt sein!"
„Ja, ja," rief er, „vielleicht brauchen wir auch das! Aber weh uns, daß wir's brauchen! Wir sind die Naturburschen, die Müßiggänger, die Wildfänge, die gezogen werden müssen; und dort stehen Pädagogen, so viel man deren haben will, lehrsüchckg, erziehungsgicrig! Sie werden kommen, sie werden uns lehren, sie werden uns drillen — und wir werden aus der Haut fahren!"
Nun fing die Geduld mir au auszugehen. „Zum Henker alle Vergleichungen," rief ich, — „sie fälschen die Sache! Die Wahrheit ist: wir bedürfen einer stärkenden, schützenden Verbindung, und die Preußen wollen und können sie uns gewähren. Nehmen wir also, was wir brauchen, und thun wir, was wir nicht lassen können!"
„Und dulden wir den Uebcrmuth, den Hochmuts), die Verachtung dieser Menschen!"
„Mensck!" rief ich heftig. — Dann mit Nachdruck fuhr ich fort: „Dulden wir diese vielmehr nicht! Setzen wir ihrem Stolz, wenn sie ihn zu uns hertragen, den unfern entgegen! Stellen wir gegen ihre Fähigkeiten die unfern in's Feld! Zeigen wir, was in uns und an uns ist, und machen wir von der Frische, dem Humor, der Geistes- und Naturkraft, der Genialität, die wir uns beilegen, achtungeinflößenden Gebrauch! Wenn einzelne durch nichts zur Raison zu bringen sind, greifen wir sie an und raufen wir uns mit ihnen!"
Victor sah mich an — und lächelte. „Da steht er wieder," versetzte er, „wie der jugendliche Germane getänden, wenn es irgend einem Krakeeler gelungen war, seine Gutmüthigkeit in Ber- serkerwnth zu versetzen! Ich seh' dich gern so — und wünsche nur, daß du auch vor den Preußen, wenn sie kommen, so dastehen mögest! Ich meinerseits gedenke es zu thun!"
Lächelnd, mit einem Gefühl der Beschämung, schüttelte ich den Kopf. „Ich bin thöricht," rief ich, „und lasse mich von dir zu aufregenden Vorstellungen Hinreißen, die durch nichts gerechtfertigt sind! — Geh! Der Uebermuth und Hochmuts; der Preußen ist ein Märchen!"
„Ah!" rief er, wie über meinen Satz erstaunend.
„Gespenstersehcrei!" fuhr ich mit nachdrücklichem Ernst fort - „Die Narren unter ihnen, begreiflicherweise, stnd hoffärtig, dummstolz, widerlich -"
„Bis zur äußersten Grenze des Möglichen!" schaltete er ein
„Aber das sind die Narren auch bei uns; und wo die größere Zahl derselben ist, will ich nicht entscheiden! — Meine eigenen Erfahrungen in Norddeutschland gebieten mir eine andere Charakteristik! Von der großen Mehrheit haben wir Verstand, Freundlichkeit, Herzlichkeit zu erwarten; und wenn wir ihr Herz gewonnen haben, etwas, dessen wir in Süddeutschland nicht immer sicher sind: Treue. Wer sind denn diese sogenannten Preußen? Die Angehörigen der kernhaitesien, begabtesten Stämme unseres Vaterlandes! Ich überblicke sie in ihrer Mannigfaltigkeit, womit sic für sich eine Welt ausmachen — ich erinnere inich dcs vielfach lohnenden Verkehrs mit ihnen, und ich rufe mit Freuden: Gottlob, daß es Deutsche
sind!"
'_(Schluß folgtch
Redaktion, Druck und Verlag ron Jak. Meeh iu Neuenbürg.
Hiezu eine Beilage.