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ist es darum doppelt und dreifach geboten, unermüdlich dafür zu arbeiten, daß jener Glaube nicht erlösche, daß er sich vielmehr neu entzünde und befestige in allen Gemüthern. Bei dein Ernst der Lage ist das die heilige Aufgabe der Presse. Sie hat die Pflicht, die geschichtliche Erfahrung nicht verloren, das geschichtliche Gewissen nicht übertaubt werden zu lassen, das lebendige Verständ- niß des geschichtlichen Berufes des Vaterlandes zu fördern, den Sinn für die weltgeschichtlichen Entwicklungsgesetze der Parteien bei allen Cultur- völkern der alten und neuen Zeit zu wecken. Je ernster die Lage, desto ernster, tiefer, mnthvoller und freier soll die Presse zum Volke sprechen. — Wie über den einzelnen Menschen, so ziehen oft auch über ganze Völker schwere Verhängnisse herauf, ohne daß diese dieselben verschuldet haben oder sie abzuwenden vermögen. Was dann als ein großes Unglück empfunden wird, erweist sich nicht selten als ein gewaltiger Hebel des Menschheits-Fortschrittes. Hoffen wir dieß auch von dem Verhängniß der Gegenwart! Die politische Lage Deutschlands ist eine solche, wie sie eines Culturvolkes durchaus unwürdig ist. Niemand, der diese Wahrheit läugnet! Schon eine halbe Ewigkeit schleppen wir uns mit unfern erbärmlichen Verhältnissen, und kein Fürst und kein Mann aus dem Volke hat noch das Räthsel gefunden, uns daraus zu erlösen. Man ist versucht, das Wort Humboldts für wahr zu halten: „In Deutschland haben wir mit jeder Dummheit zweihundert Jahre zu kämpfen; hundert Jahre dauert es, bis man sie einsieht, und hundert Jahre, bis man sie abschafft," oder das Wort eines deutschen Geschichtschreibers: „Des deutschen Volkes fürchterlicher Dämon ist der' Neid . . . Diese bruderfeindliche Stimmung liegt in der Tiefe unserer verschiedenen Stämme . . . Nie hielt es eine deutsche Dynastie für Unrecht, sich mit dem Auslande gegen eine andere deutsche Dynastie zu verbinden. Neid gegen einen Nebenbuhler rechtfertigte jeden Reichsverrath. Und die Volksstämme dachten wie die Fürsten" ... Möge die Prüfung, die jetzt über uns verhängt ist, solche Aussprüche Lügen strafen! -— Um die politische Lage Deutschlands in der Gegenwart zu würdigen, werfen wir einen kurzen Blick auf seine neueste Geschichte! Im Jahre 1848 hatte sich das deutsche Volk zur Bildung eines Bundesstaates aufgerasft. Da erhob sich Oestreich, unterstützt von Rußland, zu einer großen That der Reaktion. Italien wurde niedergeworfen und seinen Tyrannen überliefert; Ungarn lag zu den Füßen des russischen Selbstherrschers und wurde dem mordenden Strang und der Begnadigung zu Pulver und Blei anheimgegeben. In Deutschland spielte Preußen die Retterrolle im Kleinen, zum Dank für die Kaiserkrone, welche die Nation ihm dargeboten, und die mittelstaatlichen Kabinette acceptirten den Liebesdienst im halben Neid und halben Ingrimm wegen der nationalen Sympathien, die sich Preußen zugewendet hatten. Doch ganz zum Werkzeug der Reaction wollte Preußen auch nicht werden. In Norddeutschland hielt es noch etwas von nationalem Streben aufrecht. Es wollte Schleswig nicht an Dänemark ausliefern; es wollte Kurhessen nicht dem System Hassenpflug preisgeben. Es berief ein kleines
Parlament nach Erfurt und verständigte sich zur Noth über eine noch immer der Reaction viel zu freisinnige Verfassung. Es verkündete nach vielen traurigen Revisionen auch in Preußen das Staatsgrundgesetz, das noch heute die Basis des öffentlichen Rechtes im preußischen Staate ist, oder doch mindestens sein sollte. Gegenüber der blutigen Reaction Oestreichs und der Bundespolitik vormärzlicher Zeiten lag darin doch immerhin ein Keim des Fortschritts. Das war aber Oestreich ein Dorn im Auge. Unter der Protektion des allmächtigen Rußland und unter Beihülfe der deutschen Mittclstaaten suchte es Preußen ganz" der Reaktion zu unterwerfen. So kam es zu der kläglichen Affaire eines deutschen Kriegs, dessen Opfer der bekannte Schimmel von Bron- zell wurde. Nun fügte sich Preußen. Herr v. Manteuffel ging nach Olniütz, um einen Vertrag abzuschließen, nach welchem Preußen die Ehre theilen sollte, Kurhessen zu retten und Schleswig-Holstein zu maßregeln. In Kurhessen ließ Preußen die Strafbaiern wüthen, Schleswig-Holstein wurde an Dänemark ausgeliefert, die Unions- verfassung wurde aufgegebcn, Preußen kehrte in den Bundestag ein, und Herr von Manteuffel verkündete die neue Epoche in der Kammer mit der von der Reaktion bejubelten Devise: „Bruch mit der Revolution!" Oestreichs Devise lautete: „Absolutismus und Konkordat!" Olmütz war der Sieg der Reaktion und die Niederlage des Fortschritts. —Mders steht es heute. Rußland gedemüthigt im Orientalischen Kriege hat sich einer großen nationalen Reform im Geiste des Fortschritts hingegeben. Oestreich hat im Jahr 1859 die Erfahrung gemacht, daß schon der schwache Schimmer des Fortschritts einer liberalen Aera in Preußen die Sympathien der deutschen Nation weckt. Der italienische Krieg hat das ganze Reaktionssystem in Oestreich über den Haufen geworfen und es nach einerschweren Demüthigung gelehrt, daß es nur noch fortexi- stiren könne, wenn es sich dem Fortschritt und dem Volksrecht hingibt. Seit einem halben Jahrzehnt ist darum Oestreich unausgesetzt mit den schwierigen Versuchen beschäftigt, seinen sehr verwickelten Staatsorganismus zu ordnen und zu regeln nach den Gesetzen eines modernen Staatswesens mit konstitutionellen Rechten der Völker. Im Jahre 1863 hat es einen Versuch zur Reform des deutschen Bundes gemacht, der in den Augen jedes unbefangenen Vaterlandsfreundes jedenfalls ein großer und bedeutender Fortschritt ist. Es steht auf dem Punkte, in Ungarn durch die Anerkennung einer wahrhaft-konstitutionellen Verfassung die schweren Sünden der Reaktion wieder gut zu machen. Es befindet sich so sehr auf der Bahn des Fortschrittes, daß alle seine Völkerschaften im tiefsten Grimm erglühen gegen die Störung, welche ihm Letzt in den Weg gelegt wird, und darum in einer Opferbereitschaft der Regierung zur Seite stehen, die eine Reaktionsregierung nun und nimmermehr erzeugen kann. In Preußen dagegen Conflikt über Conflikt, die Regierung im vollsten Gegensatz gegen das deutsche Volk^ in wahrhaft verbrecherischer Weise einen Krieg der schwersten und verhängnißvollsten Art heraufbeschwörend. Das ist die Situation!"
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.