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Ein Gerücht, das in Hamburg verbreitet ist, will wissen, daß der Malape Torio, wel» eher der Ermordung eines Mädchens in Hamburg geständig und der eines Ehepaares bei Hamburg dringend verdächtig ist, auch den Mord emgkstanden habe, wegen dessen Franz Müller in London hingerichtet wurde.
Aus Schleswig kommt die Nachricht von der plötzlichen, durch gar keinen Grund mvti» virten Entlassung eines allgemein hochgeachteten Lehrers, des Rektors von Twistern, der seinen Unterricht augenblicklich einstellen mußte.
Württemberg.
Stuttgart, 15. Märt. Nach auS Peters- bürg eingetroffener telegraphischer Nachricht ist Ihre Majestät die K öni gin gestern Abend um 6 Uhr daselbst in erwünschtem Wohlseyn angekommen. Seine Majestät der Kaiser von Rußland holte Seine Schwester in Gatschina rin und Ihre Majestät die Kaiserin empfing die Königin auf dem Bahnhofe von St. Petersburg.
Stuttgart, 10. Marz. Vorgestern kon- stituirle sich unter dem Präsidium des Abgeordneten der Stadt Stuttgart Zeller, ein Verein, der es sich zunächst zur Aufgabe macht, durch freiwillige Zeichnungen die nothigen Wittel zur Erbauung eines Vereinshauses mit Bad- und Waschanstalt für Arbeiter, dann aber auch in zweiter Linie zur Errichtung von Arbeitcrwohnungen zu beschaffen. Der Verein nennt sich «Verein zur Förderung deö Wohls der arbeitenden Klassen" und zählt bereits 50 Mitglieder.
Ausland.
Paris. (Schlachtviehpreise.) Auf dem Viehmarkt von Poissiy am Donnerstag den 8. März war der Handel mit Hammel sehr belebt, und giengen deren Preise in die Höhe. Im Ganzen waren 1l,620 Stück auf diesem Markt und betrug der Preis der ersten Sorte 1 Fr. 7 Eis. bis 1.74 per Kilo, der zweiten Sorte 1.58 bis 1.62, der dritten Sorte 1.44 bis 1.48. Bei Ochsen und Kühen giengen die Geschäfte flau und die Preise herunter.
Miszellen.
Ueber die Begrüßungsformeln -er Völker.
Die alten Griechen pflegten sich bei der Annäherung zu sagen: „Kaspe" (Freue Dich). Dieses so röhliche und anmuthige Wort läßt besser den Charakter dieses heiteren Volkes erkennen, als der größte Theil der Bücher, die man ihm geweiht hat; nicht immer ist es bei Homer der Fall, wo man die Beispiele dieser so wohlwollenden Formel selten findet; sie scheint seinen Helden fremd, welche meistcnthcils ihr persönliches Begegnen durch irgend welche beleidigende Apostrophe kinletteten.
Die Griechen von heute sagen nicht mehr: Freue Dich, sondern: „Was thust Du?" — mehr eine neugierige und Nützlichkeitsfrage.
Die ersten Römer kannten nur Eine Formel der Begrüßung: „Salve" (Sei stark); aber die hülfreiche Civilisation milderte die rauhe Formel: „Vm<t axis Suloi»sima reriiw?" (Was thust Du, süßestes der Dinge ?)
Das ist der gute Morgen, die Begrüßung, welche die Römer im Jahrhundert des Augustus an einander richteten, und jeder antwortete: „Saavit-r" (Angenehmes) und fügte hinzu: „Ich wünsche Dir Alles, was Du wünschest". Die moderne Courtoisie hat es noch nicht weiter gebracht. .
Dre Aegppter hatten zu allen Zeiten eine Bcgrü- ßungsformel, welche vollkommen ihr fiebcrischeS Clima kennzeichnet; sie sagten sich: „Schwitzet Ihr viel?" In der That, unter diesem Himmel von Feuer bedeutet Schwitzen Leben.
Der Gruß der Chinesen ist einzig und allein gastronomischer Natur: „Habt Ihr Euren Reis gegessen?" oder noch besser: „Seid Ihr mit Eurem Magen zufrieden?" Diese kleinen Sätze scheinen ursprünglich von Einzelnen angcwendct worden zu sein, bevor sie in die Oeffentlichkeit übergicnge»; sie haben einen wirklichen Zustand ausgedrückt, ehe sie eine gesellschaftliche Formel wurden, nnt Einem Wort, sie mußten die Anschauungen einer langen Reihenfolge von Geschlechtern beherrschen, und man kann daraus schließen, daß das Streben der Einwohner des Reiches der Mitte ihren Appetit zum Zwecke hat.
Bei den Hebräern ist es das bekannte Wort: „Salem" (Friede), welches de» Grund aller Begrüßungen bildet, wie noch jetzt bei den Arabern, und dieses Wort offenbart genügend seinen Ursprung. Es ist der herrschende Gedanke eines Volkes, welches, stets umherirrend, meistentheils mit aller Welt in Fehde stehen mußte.
„Möge Dein Morgen gut sein!" sagt der fatalistische Muselmann, indem er hinzufügt: „Wenn Gott cs will!" Aber dieses ist nicht mehr eine Formel, es ist vielmehr die Bezeichnung eines Zustandes.
Die persische Formel zeichnet sich durch ihr malerisches Wesen aus: „Möge Dein Schatten sich nie verringern". Bezeichnet dieses nicht ein fortwährend den Sonnenstrahlen auSgesctztes Volk, eine Gegend, wo der Fächer und Sonnenschirm in so großen Ehren sind, daß man sie zu Zeichen und Sinnbildern der höchsten Macht erhoben hat.
In dem katholischen Spanien, wo das Volk musel« manisches Blut in den Adern hat, begrüßt man sich mit einem: „Der Herr sei mit Euch!" dem der mehr matcrille Wunsch folgt: „Möget Ihr lange leben!" „Illuatws an»»."
Der gebräuchliche Gruß in Deutschland ist nicht minder bezeichnend: „Wie gchr's?" — ein Ausdruck, der nur um etwas zu sagen da ist, und viel zu discret, um mehr als einen flüchtigen Dank znzulaffen, eine stillschweigende Verzichtleistung, in die Angelegenheiten Anderer einzudringen. Es ist die Abstractio, das Ideal, das Unbestimmte, das Geheimniß.
Der gewöhnliche Gruß der Holländer ist: „Wie reiset ihr?" Eine Formel, welche wunderbar den Handelsgeist eines praktischen Volkes kennzeichnet, eines Volkes, das die Gefühle den Interessen unterordnet.
Wenn der Ausdruck nicht auch in England heimisch geworden ist, mag es wohl aus dem Grunde sein, weil das „Uow Lo Uo?" des Briten noch bezeichnender ist: „Wie thut Ihr ?" Thun, dieses einzige Wort, drückt es cs nicht die fieberische Thätigkeit der materiellen und productiven Nation aus?
Nichts ist kürzer, als die bei den slavischen Racen gebräuchliche Form. Eine Spike genügt ihr: „Iklir" (d. h. „Friede").
In der weiten Ausdehnung des russischen Reiches ist es das Wort: „i^ii-astone" („Seid wohl!") welches man überall hört. Dieses gleicht mehr einem Rathe, als einem Wunsch.
„tton fnur" und „eomment voll» pnrter-voirs?" „Guten Tag" und „wie befinden Sie sich ?" drückt deutlich genug den französischen Charakter aus. Die Formel oomment würde bezeugen, daß die Franzosen sich lieber an die Form, an den Schein halten, als an die Wirklichkeit der Sache; das vvus xarter-vou» scheint ihnen gänzlich oberflächlich und ohne Gehalt. Derjenige, welcher cs ausspricht, ist ein erregbares feuriges Wesen, immer bereit zur Liebe und zum Krieg. Es ist der Gcwissensschrei eines Volkes, auf welches die kleinen Sachen wie die großen gleich starke und gleich flüchtige Eindrücke Hervorbringen,
In jenen Ländern des europäischen Festlandes, wo die katholische Kirche die herrschende ist, wird man von der Landbevölkerung mit „Gelobt sei Jesus Christus" begrüßt, worauf gewöhnlich die Erwiderung „In Ewigkeit" erfolgt; dieser Gruß ist also mehr em religiöser. Das religiöse Gefühl hat die nationalen Verschiedenheiten überwunden, und die Religion als Basis, als Ausgangsform zur gegenseitigen Annäherung eingesetzt.
(Mit einer Beilage.)
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Ne uenbürg.