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Beilage zum EnzthSler Nro. S3.
Mittwoch den 26. April 1865.
Miszellen.
Der Pabst in Wien.
(Von Georg Horn.)
Welcher Mensch, in dessen Brust ein Herz für geistige Freiheit, für die Menschenwürde und nationale Ehre schlägt, vermöchte die Geschichte Kaiser Josephs II. ohne Rührung zu lesen! Dieser Kaiser ist eine der edelsten Erscheinungen nicht nur des Habsburgischen Hauses, sondern der ganzen deutschen Kaisergeschichte, aber auch eine der tragischsten. Wenn er auch seinen letzten Seufzer über dieses unvollkommene Erdenlebeu nicht auf dem sogenannten Felde der Ehre aushauchte, wenn auch sein Sterbebette in der Hofburg zu Wien stand, er war trotzdem ein viel größerer Held als tausende, die mit dem Degen in der Hand, vom Feinde getroffen, in den Tod finken; er führte einen Kampf gegen den Erbfeind der Menschheit, gegen das System geistiger Knechtschaft und Unterdrückung.
Der älleste Sprosse der letzten Habsburgerin, der Kaiserin Maria Theresia und ihres geliebten Gemahls, des Lothringers Franz, besaß schon von seiner Kindheit an eine merkwürdige Selbstständigkeit des Geistes, die freilich von der unter fremden Einflüssen steheyden Mutter als „störrisches Wesen" ausgelegt wurde. Sein durch Lektüre, Studien und Reisen gebildeter, vor. urthcilsfreier Geist ergründete früh die Ursachen, warum Oesterreich nicht auf derselben hohen Stufe geistiger und materieller Entwicklung stehe, wie z. B. England, Holland und das unter dem Sccpter und Segen des von Maria Theresia sogenannten „bösen Mannes," Friedrichs II. mächtig gewordene Preußen. Joseph hatte gelernt, den Feind zu nützen, indem nach des Dichters unsterblichem Aussprüche ihn der Feind lehrte, was er sollte, nämlich in die Fußstapfen König Fried, richs zu treten. Friedrich U. war eigentlich nur der Feind der Mutter, Maria Theresia, nie aber des Sohnes gewesen. Während die österreichischen Waffen gegen den Prcußenkönig auszogen, hatte dieser an dem künftigen Kaiser einen begeisterten Verehrer. Die Neigung war gegenseitig, auch Friedrich )!, hielt den jungen Erzherzog und späteren Kaiser hoch, sein Bild war wie die PortraitS aller seiner Lieblinge in seinem Arbeitszimmer ausgestellt.
WaS Wunder also, wenn in einem so aufgeklärten und reichen Geiste, tn einem edlen, für das Glück seiner Untrrthanen glühenden Herzen der Gedanke und Entschluß sich erzeugte, sein Reich und Volk auf die gleiche Stufe der Ennvickelung wie die vorgenannten Staaten zu heben. Mit diesem Vorsätze ging er an die Regie, rung. Sein Geist hatte sich ein Ideal einer vollkommenen Verwaltung, auf Grundsätze der Gerechtigkeit erbaut, erschaffen. Alle Menschen sollten die Vorlheile des bürgerlichen Vereins gleich genießen, die Lasten desselben gleich tragen. Er wollte gleiches Recht für Alle, keine Schranken der Thätigkeit. Neue Einrichtungen wurden entworfen und deren Ausführungen mit Eifer und großer Schnelle betrieben, ohne alle Rücksicht auf beschränkende Bestimmungen, welche die vielen seiner Herrschaft unterworfenen Völkerstämme, mannigfach verschieden an Bildung, Sitten, Sprache, Gewöhnung und Bedürfnissen, doch dringend forderten.
In allen seinen Landen, von Belgien bis Siebenbürgen, sollte nur eine vollkommene gleichförmige Verfassung, nur eine Gesetzgebung und Verwaltung gelten. Alles sollte sich den allgemeinen Gesetzen beugen. In der Ausführung zeigten sich aber Schwierigkeiten. Hier fanden sich Einige im Besitz hergebrachter, vom Landesherrn zugesicherter Gerechtsame verletzt; dort wollten Andere aus den neuen Einrichtungen ungebührende Vortheile ziehen. Ueberall mischte sich Unverstand und Leidenschaft ein und das Bestgemeinte hatte üble Folgen. Die Nation war noch nicht reif für solche Veränderungen, einer Reform, wie Joseph H. sie bezweckte, mußte eine Umformung der Neigungen, Sinnesart und Angewöhnung der Nation vorhergehen, diese Umformung ist nur die langsam reifende Frucht der Zeit und einer allmälig verbesserten Erziehung. Auf Letzte. reS strebte Josephs !l. Bemühen vor Allem hin. Eine verbesserte Erziehung seines Volkes hielt er aber nur für möglich auf der Grundlage einer größeren Denk- freiheit, des Grundsatzes der Duldung aller religiösen Bekenntnisse, in der Befreiung seines Volkes von der allzu großen Bevormundung durch die Geistlichkeit. Das Toleranzedikt vom 22. Juni 1781 war nach dieser Richtung hin eine seiner bedeutsamsten Verfügungen; derselben war eine gleich wichtige vöm 24. März 1781 vorhergegangen, worin er allen Ordensgeistlichen beiderlei Geschlechts alle und jede Verbindung mit ihren Obern außerhalb des Landes, alle und jede Geldsendung nach außerhalb verbot, und sämint- liche Klöster in allen religiösen Verhältnissen der alleinigen Aufsicht der Erzbischöfe und Bischöfe, in weltlichen Dingen aber den obcrn Landesbehörden übergab.
(Fortsezung folgt.)
Ueber zoologische Garten
entnehmen wir einem früheren Berichte der Didaskalia Nachstehendes:
Wenden wir uns von der humanistischen und moralistischen Bedeutung der zoologischen Gärten zu den national-ökonomischen Eiwägungen, welche sich daran knüpfen. Die Quelle des Wohlstandes ist Acker- bau und Viehzucht, auf ihnen basirt die ganze Existenz der menschlichen Gesellschaft, so weit sie der Segnungen der Cultur sich erfreut. Das Eine ist die Frucht der Acclimatisationsarbeit im Gebiet der Pflanzen, die Andere auf dem Gebiet des Thierreichs. Das Rind, das Schwein, das Schaaf, die Zege, der Hund, das Pferd, kurz sämmtliche Hausthiere hat der Mensch meist in ihrem heutigen Zustande und mit ihren heutigen Eigenschaften und in den von ihnen bewohnten Landesgebieten vorgcfunden. Es sind Schätze, die er aus der reichen Borrathskammer der Natur geholt, von ihren Schlacken gereinigt und zu gangbarem Metall ausgeprägt hat.
Es ist eine höchst merkwürdige Erscheinung- daß diese Richtung der menschlichen Thätigkeit, welche gewiß die älteste, constantcste und allgemeinste ist, bis auf die jüngsten Tage dem Zufall, der Privatlicbhaberei und dem Gutdünken der Einzelnen überlassen blieb. Man nahm sie als etwas so Selbstverständliches, so sehr im Interesse jedes Einzelnen Liegendes hin, daß man ihr gar keine öffentliche Aufmerksamkeit widmete.