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gemeinen Thorsperre nicht bekannt gemacht worden, dieß aber nun geschehen sei, worauf die Minister zu ihren am Thore haltenden Reisewagen zurückkehrten. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen und da die Vorgänge ein beunruhigendes Gefühl erzeugt hatten, so hatten die französischen Gesandten vor ihrer Abfahrt vom Schlöffe den Wunsch geäußert, eine militärische Bedeckung zu erhalten, um auf ihrem Wege bis zur Rheinfährte, etwa eine Stunde weit, nicht nochmals Aufenthalt zu haben. Der Rittmeister Burkard schlug das Verlangen ab, wiederholte aber, daß die französischen Gesandten kein Hindcrniß auf ihrem Wege finden würden. Auf diese Versicherung ging denn zwischen neun und zehn Nhr die Abreise derselben vor sich. Nur eine Fackel erhellte das Dunkel der Nacht. Als der Reisezug das Rheinauer Thor paifirt hatte, wurde dasselbe hinter ihnen gesperrt. Der ganze Zug bestand aus acht Wagen, in welchen die Frauen der Gesandten und die Dienerschaft saßen, die Minister selbst ritten an der Seite ihrer Familien, voran ritt Iran Debry. Plötzlich, zweihundert Schritte vom Rheinauer Thor, wurde der erste Wagen von sechs Szekler-Husaren angehalten und der Gesandte von einem derselben in gebrochenem Französisch gefragt: mmistro cks-en vebi-x? Der Gesandte bejahte dies und erhielt einen Säbelhieb über den Kopf, einen andern in den Nacken, so daß der Getroffene in den Graben stürzte. Gleichzeitig sprengten andere Husaren an den zweiten und dritten Wagen, an welchem die Gesandten Bonnier und Roberjot ritten. Nachdem die Husaren sich überzeugt hatten, daß sie die Gesuchten seien, hieben sie auf die nur mit Pistolen bewaffneten Franzosen so lange ein, bis diese am Boden hingestrcckt den letzten Athemzug thaten. Den übrigen Personen wurde keinerlei Leio zugcfügt. Als der Kammerdiener des Gesandten Roberjot, von einem Husaren gefragt: Bedienter? antwortete: Oui äomestigue! klopfte ihm jener, während er mit der einen Hand die Uhr ihm aus der Tasche zog, auf die Schulter und sagte: »Bedienter bleib, nir bös."
Eine Viertelstunde darauf langte die Nachricht in Rastatt an. Der Eindruck namentlich aus die übrigen Mitglieder des Congrcffes war ein entsetzlicher. Die im Casino versammelten diplomatischen Personen begaben sich sofort zu dem Rittmeister Burkard, eine Eskorte verlangend, um zu retten, was noch zu retten sei. Dieser sprach von unglücklichem Mißvcrständniß und bewilligte nur schwer einige Husaren, mit denen sich ein badischer Major nach dem Schrcckensort verfügte- Derselbe traf die Wagen mit den jammernden Frauen etwa 200 Schritte vom Thor an, Roberjot und Bonnier lagen todt in ihrem Blut am Boden, der dritte Jean Debry aber war nirgends aufzufinden. Nach vergeblichem Suchen konnte der Major nur mit Mühe und Drohung bewirken, daß die Wagen, welche von den Szeklern bereits als Beule betrachtet wurden, nach der Stadt zurückgebracht wurren.
Am andern Morgen erschien vlötzlich der Verschwundene Jean Debry lebend in der Mitte seiner Collegen. Die Säbelhiebe waren nicht tödtlich gewesen, da Hut und Pcrrücke den Kopf geschützt hatten. Glücklicherweise hatte er noch so viel Besinnung gehabt, sich todt zu stellen, hatte sich, als Alles ruhig
geworden, aufgerafft und war in das nahe Gehölz geeilt, wo er im Gebüsch versteckt den Tag crwartete- Die österreichischen Patrouillen, die das Gehölz nach ihm durchstreiften, hatten ihn nicht gefunden und als es Tag geworden, war er in Gesellschaft von Landleuten am Mordplatze und den zerhackten Leichnamen seiner Collegen vorüber, in die Stadt zurückgckehrt, um des nächsten Tages mit den übrigen Personen der Gesellschaft nach Frankreich zurückzukehren.
Und auf wessen Anstiftengeschah der Mord? wird der Leser fragen. Leider haben wir keine Antwort hierauf; der Schleier des Geheimnisses ist nicht gelüstet worden. Nur dreierlei steht fest: Die Mörder sind Szekler-Husaren gewesen; dieselben haben nicht aus Raubsucht und eigenem Antriebe, sondern in höherem Aufträge gehandelt; die Gräuclthat war plan, mäßig angelegt, ihr Zweck war, die drei Gesandten und keine Andern zu ermorden. Nur Vermuthungen wurden in neuester Zeit laut, unter denen eine vielleicht am meisten Wahrscheinlichkeit für sich haben möchte. Wir haben oben die Projekte Thuguts hi», sichtlich Baicrns betont; die Weigerung des Direktoriums, dem österreichischen Premier in dieser Frage zu willfahren, ließen diesen vermuthen, daß Baiern und vielleicht auch Preußen mit dem Direktorium in heimlicher Verbindung stehe, und darüber Gewißheit aus den Papieren der Gesandten zu erfahren, dazu habe sich der gewaltthätige Minister Graf Lehrbach zu diesem blutigen Schritt verstanden. Wir sprechen hier indcß nur von Vermuthungen. Die Ernte der bösen Saat blieb nicht aus. Das Attentat fanatisirte die bereits ermüdete und schlaff gewordene französische Nation und Armee, und führte diese siegreich über Deutschlands Fluren. Und wenn jene bereits erwähnte Vermuthung Grund hatte, so war die That vergebens, von den wichtigen Papieren war kein Blättchen zu finden, weil das Wichtigste von den Gesandten kurz vor ihrer Abreise verbrannt worden war.
Auf der Welt gehts nur langsam vorwärts, hoffentlich aber desto sicherer. Umö zu dem heutigen Stande der Cultur zu bringen, haben 1—300,000 Jahre dazu gehört, wie die Natur, forscher behaupten. Nach den neuesten Unter, suchungen Milne Edwards und Lartets, zweier berühmten Gelehrten, ergibt sich z. B., daß das Menschengeschlecht auf Erden mindestens 100,000 Jahre, ja wahrscheinlich mehr als 300,000 Jahre alt ist. Alles, was die Geschichtsbücher von dem Treiben der Menschen dieser Welt erzählen, um- faßt nur den kleinsten Bruchtheil wirklicher Lebenszeit des Menschengeschlechts. Auch Lyell in seinen berühmten Werken: „Das Alter der Menschen auf,der Erde" kommt zu demselben Ergebniß.